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Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal

Rückblick Betriebsversammlung – Überblick wissenschaftliche Karrierewege

Betriebsversammlung

Am 16. Oktober 2023 fand an der WU eine ordentliche Betriebsversammlung unter dem Motto „Karrierewege und Karrieresackgassen an der WU“ statt. In dieser BR-Info Ausgabe möchten wir eine Zusammenfassung der Inhalte nachliefern und einen Überblick über die rechtlichen Möglichkeiten von wissenschaftlichen Karrieren in Österreich generell und im Speziellen an der WU geben. Dazu informieren wir über die Vorgaben des Universitätsgesetzes (UG) sowie des Kollektivvertrags (KV) und beschreiben die darin enthaltenen Karrieremöglichkeiten. Danach erörtern wir auch die speziellen Karrieremodelle der WU, die nicht auf dem UG oder KV fußen. Abschließend stellen wir eine aktuelle Evaluation der neuen Karrierewege des UG vor und beleuchten Ideen für Verbesserungen. Ein Protokoll der Betriebsversammlung wurde angefertigt und kann auf Nachfrage eingesehen werden.

Universitäres Sonderarbeitsrecht

Mit dem Universitätsgesetz 2002(UG) wurde an den österreichischen Universitäten eine weitreichende Autonomie eingeführt. Bis dahin waren Universitäten eine nachgelagerte Dienststelle des Ministeriums. In der Praxis zeigt sich diese Autonomie vor allem in der universitären Selbstverwaltung und deren Gremien (Senat, Senatskommissionen, Departmentkonferenzen, etc.).

Mit dem UG 2002 wurde ein eigenes Sonderarbeitsrecht für Beschäftigte an Universitäten verankert, das sich vor allem in Befristungsmöglichkeiten von Arbeitsverträgen niederschlägt (§ 109 UG), die deutlich über die allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts hinausgehen.

Beispielsweise sind im UG Befristungen grundsätzlich für maximal sechs Jahre zulässig. Zusätzlich können nach den derzeitigen Regelungen befristete Verträge maximal zwei Mal bis zu einer Gesamtbeschäftigungsdauer von höchstens acht Jahren verlängert werden, wobei hier weitere Ausnahmen gelten. Ua ist hier zu erwähnen, dass

  • bei Drittmittelstellen innerhalb von acht Jahren eine unbegrenzte Zahl an Befristungen zulässig ist.

  • Praedoc-Zeiten für die maximal zulässige Zahl an befristeten Arbeitsverhältnissen sowie für höchstens vier Jahre für die maximal zulässige Gesamtdauer von befristeten Beschäftigungen unberücksichtigt bleiben, wodurch die Gesamtdauer von Befristungen auf zwölf Jahre anwächst.

  • Lektor*innen innerhalb von 8 Studienjahren eine unbegrenzte Zahl an Befristungen aneinanderreihen können, ohne dass eine unzulässige Kettenbefristung vorliegt.

Detaillierter haben wir zu § 109 UG bereits in früheren BR-Info Beiträgen informiert. Diese finden sich hier und hier.

In Bezug auf das Beschäftigungsausmaß sind Beschäftigungen im UG im wissenschaftlichen Bereich grundsätzlich in Voll- oder Teilzeit vorgesehen. Universitäten haben sowohl bei der Nutzung der erweiterten Befristungsmöglichkeiten als auch der Wahl des Beschäftigungsausmaßes im Rahmen ihrer Personalplanung Autonomie und können daher selbst entscheiden, ob bestimmte Positionen grundsätzlich als Vollzeit- oder Teilzeitstellen ausgeschrieben werden und ob diese befristet oder unbefristet besetzt werden. Die österreichischen Universitäten nutzen diese Autonomie, indem ein großer Anteil der wissenschaftlichen Beschäftigten befristete Arbeitsverträge angeboten bekommt (an der WU rund 80 % der wissenschaftlichen Beschäftigten) und ein hoher Anteil der Beschäftigungen in Teilzeit (an der WU rund 70 % der wissenschaftlichen Beschäftigten) erfolgt. Für den wissenschaftlichen Betriebsrat sind diese prekären Arbeitsverhältnisse, die das UG allerdings zulässt, ein wichtiges und zu thematisierendes Problem.

Karrierewege laut Universitätsgesetz

Bezüglich der Karrierewege beschreibt das UG im § 99 diverse Karrierewege zur Professur. Einen durchgehenden Karriereweg bis zur Professur kennt das UG allerdings nur für ao. Universitätsprofessor*innen (Beamte, VBG), der ein auslaufendes Modell ist, sowie assoziierte Professor*innen (= Postdoc mit Qualifizierungsvereinbarung – QV – laut Kollektivvertrag). Ansonsten beschreibt das UG nur die unterschiedlichen Personalkategorien an Universitäten.

Folgende Berufungsverfahren sind im UG als Wege zu einer Professur nach den §§ 98 und 99 vorgesehen:

  • § 98: Der „normale“ Weg zur Professur. Möglich als unbefristete oder befristete Beschäftigung für länger als drei Jahre.

Daneben gibt es aber auch noch Sonderwege:

  • § 99 Abs 1: Befristete Berufung für maximal fünf Jahre im Rahmen eines abgekürzten Verfahrens.

  • § 99 Abs 3: Einmalige Möglichkeit für Universitäten, universitätszugehörige ao. Universitätsprofessor*innen für maximal sechs Jahre zu Universitätsprofessor*innen zu machen, wobei nach diesen sechs Jahren die Möglichkeit besteht, nach einer Qualifikationsprüfung die Tätigkeit als Universitätsprofessor*in zu entfristen. An der WU wurde diese Möglichkeit im Jahr 2010 genutzt und es wurden elf Stellen ausgeschrieben, von denen allerdings nur eine Position tatsächlich besetzt wurde.

  • § 99 Abs 4: Möglichkeit universitätszugehörige ao. Universitätsprofessor*innen und assoziierte Professor*innen (sowohl QV alt als auch QV neu) unbefristet zu Universitätsprofessor*innen zu machen. Dahinter steht die Idee eines durchgehenden Karrierewegs an einer österreichischen Universität. An der WU wurde § 99 Abs 4 UG im Gegensatz zu den meisten anderen österreichischen Universitäten bisher nicht umgesetzt.

  • § 99 Abs 5 und 6 sieht vor, dass assoziierte Professor*innen mit erfüllter QV neu zu Universitätsprofessor*innen laut UG werden. Dies gilt allerdings nur in organisationsrechtlicher Hinsicht (z.B. bezüglich der Mitgliedschaft in den Gremien der universitären Selbstverwaltung), arbeitsrechtlich bleiben sie assoziierte Professor*innen (siehe Erklärung weiter unten).

Einen durchgängigen Karriereweg gibt es im UG also nur für ao. Universitätsprofessor*innen und assoziierte Professor*innen (sowohl QV alt als auch QV neu). Für alle anderen Personalkategorien sind im UG keine Karrierewege vorgesehen. An der WU ist derzeit nur der Karriereweg für assoziierte Professor*innen mit QV neu möglich.

Einstufungen im Kollektivvertrag

Abgesehen vom UG gibt es im Kollektivvertrag (KV) in Bezug auf Karrierewege eine Art “Parallelwelt“, die nicht immer deckungsgleich – weder in Bezug auf die Bezeichnungen noch die Personalgruppenzugehörigkeit – mit dem UG ist. Der KV ist seit 2009 in Geltung und kennt grundsätzlich folgendePersonalkategorien:

  • A1: Universitätsprofessor*innen nach § 98 und § 99 UG. Allerdings fallen hier nicht die nach § 99 Abs 5 und 6 UG „berufenen“ Universitätsprofessor*innen darunter, da diese weiterhin in A2 verbleiben.

  • A2: Assistenzprofessor*innen und assoziierte Professor*innen. Hier finden sich Postdocs, mit denen eine QV abgeschlossen wurde. Mit Erfüllung der QV sind weitere Vorrückungen im Gehalt vorgesehen, aber kein Wechsel nach A1 (hier weicht der KV wesentlich vom UG ab).

  • B1: Universitätsassistent*innen, Senior Lecturer, Senior Scientist, Projektmitarbeitende

  • B2: Lektor*innen

  • C: studentische Mitarbeitende

Der KV kennt als einzigen Karriereweg die Qualifizierungsvereinbarung. Im Gegensatz zum UG, in dem die Erfüllung der QV (neu) zur organisationsrechtlichen Stellung als Universitätsprofessor*in führt, verbleiben diese Personen im KV in der Einstufung nach A2 und sind daher arbeitsrechtlich weiter als assoziierte Professor*innen anzusehen.

Karrierewege an der WU

Kommen wir nun zur Situation an der WU. Karrierewege werden grundsätzlich im Personalentwicklungsplan der WU(Letztstand 28.6.2018, update 18.6.2019) ausgewiesen. Dieser weist sowohl die soeben im KV beschriebenen QV-Stellen als auch Senior Lecturer Post Doc Stellen als explizite Tenure-Track Stellen aus. Ein weiterer Weg zu einer Tenure-Track Stelle an der WU führt über das Instrument der Entwicklungsvereinbarung (EV). Zusätzlich werden im Personalentwicklungsplan Universitätsprofessor*innen, assoziierte Professor*innen und Senior Scientists als grundsätzlich unbefristete Stellen dargestellt.

Bei der Ausgestaltung des Karrierewegs QV sieht die WU außerdem einige Besonderheiten vor, die sich nicht aus den gesetzlichen Vorgaben ableiten:

  • Die WU verlangt für eine QV neu zwingend Auslandserfahrung von einem Jahr.

  • An der WU gelten unterschiedliche Voraussetzungen für QV alt und QV neu.

  • Die WU überzahlt QV neu gegenüber QV alt bzw. KV.

  • Die WU kennt ein eigenes Full-Prof-Modell für QV neu (Details dazu haben wir bereits in einem früheren Beitrag behandelt, dieser findet sich hier)

Im Rahmen des „Karriereweges“ Entwicklungsvereinbarung ist eine Entfristung des Vertrags vorgesehen, wenn die EV erfüllt wird (das ist v.a. bei Abschluss der Habilitation gegeben). Nach Erfüllung der EV bleibt man weiterhin in der KV-Personalkategorie B1 eingestuft und es ist eine Erhöhung der Lehrleistung vorgesehen (von 4 auf 6 SWS), was zum Anspruch auf eine Lehrzulage führt. Darüber hinaus wird noch eine geringe Überzahlung gewährt. Man darf daher die Frage stellen, ob es sich bei der EV tatsächlich um einen wirklichen Karriereweg handelt, da sich an der arbeits- und dienstrechtlichen Stellung trotz Erfüllung der EV nichts Grundsätzliches ändert

Welche Wege (EV oder QV) am eigenen Department möglich sind, ergibt sich aus der WU-Policy QV/EV sowie aus dem Personalentwicklungsplan. Eine Entscheidung pro EV oder QV liegt an der WU also in der Autonomie der Departments. Das gilt auch für die Anwendung des Full-Prof-Modells.

Evaluierung der Karrierewege und Zusammenfassung

Über die Auswahlverfahren nach § 99 Abs 4, 5 und 6 UG wurde vor kurzem eine Evaluierung fertiggestellt, die im Auftrag des Wissenschaftsministeriums durchgeführt wurde. Die wesentlichen Ergebnisse und Empfehlungen dieser Studie sind:

  • Eine Umsetzung des § 99 Abs 4 UG wird für alle österreichischen Universitäten empfohlen, wobei bereits jetzt 18 der 22 Universitäten diesen Karriereweg implementiert haben. Die WU ist eine der wenigen Universitäten, die dies bisher nicht umgesetzt haben.

  • Es entspricht nicht den internationalen Standards, dass QV-Anbote standardisiert erst nach 2 Jahren gemacht werden (wie etwa an der WU). Diese späten Anbote bedeuten, dass nicht von Anfang an eine Tenure-Track-Stelle besteht und die konkreten Kriterien der Tenure-Track Stelle nicht von Vertragsbeginn an bekannt sind. Dies reduziert die Attraktivität dieser zentralen Karrierestellen. Die Uni Wien bietet bspw. gleich bei Abschluss des Arbeitsvertrags eine QV an.

  • Die fehlende Ressourcenausstattung dieser Stellen (an der WU liegt diese in der Autonomie der Departments) entspricht nicht internationalen Standards.

  • Die mangelnde Gleichstellung der Professor*innen nach § 99 Abs 4 und 5 UG mit anderen Universitätsprofessor*innen im Alltag (z.B. bei Führungsverantwortung) wird kritisiert.

Viele dieser Punkte hat auch der wissenschaftliche Betriebsrat in der Vergangenheit bereits aufgegriffen. Wir halten diese Punkte für wichtige Denkansätze, um die Attraktivität der im UG vorgesehenen Karrieremodelle zu erhöhen und so die verfügbaren Tenure-Track Stellen in Zukunft mit ausgezeichneten Kandidat*innen besetzen und in weiterer Folge auch an der WU halten zu können.

Darüber hinaus wird in dieser Studie aber auch die systemische Herausforderung erwähnt, dass für eine große Gruppe von systemerhaltenden Universitätsbeschäftigten (Senior Lecturer, Senior Scientists, etc.) derzeit im UG keine Entwicklungsmöglichkeiten vorgesehen sind. Auch für diese Gruppe müssen die Rahmenbedingungen nachhaltig verbessert werden. Ähnliche Forderungen stellt auch das Netzwerk Unterbau (NUWISS), die eine grundlegende Reform des UG fordern (Details dazu finden sich hier in einem unserer früheren Beiträge).

Da im Arbeitsprogramm des neuen Rektorats u.a. die Weiterentwicklung und – so weit möglich – die Vereinheitlichung wissenschaftlicher Karrieremodelle als Ziel genannt wird, hoffen wir als Vertreter*innen des wissenschaftlichen Personals auf baldige konkrete Umsetzungsideen, die auch die in diesem Beitrag angeführten Problemfelder wissenschaftlicher Karrieren an der WU adressieren.

27.11.2023

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