Eine Gruppe von Menschen sitzt im Kreis und redet miteinander

Katharina Pabel

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Pandemie und Rechtsstaat

Die Covid-19-Pandemie brachte auch in Österreich Grundrechtsbeschränkungen mit sich. Die verschiedenen Lockdowns führten dazu, dass das öffentliche Leben in vielen Bereichen zum Erliegen kam und auch die private Lebensführung eingeschränkt wurde. Das Grundrecht der Freizügigkeit, das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Erwerbsfreiheit, das Recht auf Bildung, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, Kunstfreiheit: Es gibt kaum ein Grundrecht, das nicht durch die verschiedenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie eingeschränkt wurde. Professorin Katharina Pabel vom WU Institut für Europarecht und Internationales Recht beschäftigt sich mit diesem Thema und hat die Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofs näher analysiert.

„Ob alle diese Maßnahmen die Grundrechte in verhältnismäßiger Weise eingeschränkt haben, erscheint in der Rückschau fraglich. Viele der entsprechenden Verordnungen und Gesetze wurden vom Verfassungsgerichtshof auf ihre Verfassungskonformität überprüft, einige auch für verfassungswidrig erklärt“, so Pabel. 

Grundrechte nachhaltig beschädigt?

Nach dem offiziellen Ende der Pandemie können die einzelnen Beschränkungen noch einmal auf den Prüfstand der Grundrechte gestellt werden. Wie hat der Rechtsstaat die Pandemie und ihre Herausforderungen bewältigt? Haben die Grundrechte nachhaltig Schaden genommen? Im Mittelpunkt der Untersuchung steht eine Analyse der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu den verschiedenen Gesetzen und Verordnungen, die zur Bewältigung der Gesundheitskrise und alle mit ihr zusammenhängenden Folgen erlassen wurden. Wie effektiv war diese Grundrechtsprüfung? Konnte die verfassungsgerichtliche Kontrolle trotz der sich schnell ändernden Rechtslage greifen? Wie hat der Verfassungsgerichtshof auf die besonderen Herausforderungen des staatlichen Handelns in der Pandemie, vor allem die Eilbedürftigkeit und die erheblichen Unsicherheiten über den Verlauf der Pandemie und die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen, Rücksicht genommen? Welche Anti-Corona-Maßnahmen haben Grundrechte nicht nur eingeschränkt, sondern diese auch verletzt? „Gerade die Auswirkungen der Anti-Covid 19-Maßnahmen auf besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen, wie Kinder und Jugendliche, ältere Menschen sowie Kranke und Pflegebedürftige, haben möglicherweise unverhältnismäßige Belastungen mit sich gebracht“, stellt Katharina Pabel fest.

Die Rechtsprechungsanalyse bildet die Grundlage für die Bewertung der generelleren Frage, wie sich der österreichische Rechtsstaat, der effektiven Grundrechtsschutz gewährleisten soll, in der Pandemie bewährt hat – auch im Vergleich zu anderen Staaten in Europa. Diese Fragestellungen dienen nicht nur der Aufarbeitung der Vergangenheit. Ihre Klärung soll die Resilienz des Rechtsstaates für zukünftige Gesundheits- aber auch andere Krisen stärken.

Über Katharina Pabel

Katharina Pabel

Katharina Pabel promovierte 2001 an der Universität Bonn und habilitierte sich 2009 an der Wirtschaftsuniversität Wien. Im Anschluss daran war die gebürtige Deutsche u.a. an den Universitäten Bonn, Graz und der WU tätig, ehe sie 2010 eine Professur für Öffentliches Recht an der JKU Linz antrat. Dort war sie von 2011 bis 2015 Vorständin des Instituts für Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre sowie von 2015 bis 2019 Dekanin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Sie war außerdem u.a. Mitglied des Beratenden Ausschusses des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen, ist Vorsitzende des Expertenrats Integration und ad hoc-Richterin des EGMR. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind u.a. der nationale, europäische und internationale Menschenrechtsschutz, Justizgrundrechte und Verfahrensrecht.