Eine Gruppe von Menschen sitzt im Kreis und redet miteinander

Christoph Feichter

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Christoph Feichter WU Vienna…

Übers Ziel hinaus: Warum Chefs oft unrealistische Ziele setzen – und wie demotivierend das sein kann

Wer aufgrund hoher Leistung befördert wurde, neigt dazu, Mitarbeiter*innen sehr ambitionierte Ziele vorzugeben – und sie dadurch zu demotivieren. Das zeigt eine Studie der WU. Studienautor Christoph Feichter, Assoziierter Professor am WU Institut für Unternehmensführung, empfiehlt frischgebackenen Führungskräften: Demut zeigen und die eigenen Erfahrungen nicht überbewerten.

Zu den wichtigsten Aufgaben von Führungskräften gehört es, mit ihren Mitarbeiter*innen Ziele zu vereinbaren. Gut gesetzte Ziele erhöhen die Motivation, erleichtern die Planung und fördern die Koordination im Unternehmen. Doch werden die Ziele zu hoch oder zu niedrig angesetzt, tritt genau das Gegenteil ein: Die Motivation sinkt – und mit ihr das Vertrauen in die Führungskraft. „Diese Gefahr besteht oft bei Führungskräften, die wegen hoher Performance befördert wurden“, erklärt Christoph Feichter, Professor am Institut für Unternehmensführung der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). „Sie verlangen von ihren Mitarbeiter*innen bei den gleichen Aufgaben eine ebenso hohe Performance. Doch in den meisten Fällen ist das kontraproduktiv.“

Zu dieser Erkenntnis kam Christoph Feichter mit Hilfe einer Reihe von Experimenten. Im ersten gab er Teilnehmer*innen einfache Aufgaben, für deren Lösung sie einen kleinen Geldbetrag erhielten. Anschließend wurde ein Teil der Proband*innen zu Führungskräften befördert: Sie mussten den anderen Ziele vorgeben und erhielten Geld, wenn diese Ziele erreicht wurden. Dabei zeigte sich: Proband*innen, die bei einer Aufgabe brilliert hatten, setzten bei der gleichen Aufgabe höhere Ziele – auch wenn sie über die durchschnittliche Leistung der anderen Proband*innen informiert wurden.

Vorsicht: Bias!

„Wir Menschen neigen dazu, unsere eigenen Erfahrungen überzubewerten“, erklärt Christoph Feichter von der WU, „diesen Effekt könnte man ‚Experience Bias‘ nennen.“ Das Problem dabei: Erfolg hängt von vielen Faktoren ab – nicht zuletzt vom Zufall. Um das zu zeigen, ließ sich Christoph Feichter für das zweite Experiment einen Clou einfallen: Manche Proband*innen bekamen zufällig besonders einfache oder schwierige Aufgaben. In ihrer Rolle als Führungskraft setzten sie im Anschluss unrealistisch niedrige oder hohe Ziele, woraufhin sich die anderen Proband*innen weniger motiviert fühlten und schneller aufgaben.

Das Gegenmittel: Je deutlicher man Führungskräften bewusst macht, dass sie nicht von sich auf andere schließen können, desto geringer ist der Effekt ausgeprägt. Genau das tat Christoph Feichter beim zweiten Experiment: Er informierte einen Teil der Proband*innen darüber, dass ihre Aufgaben im Vergleich besonders leicht gewesen seien – woraufhin sie realistischere Ziele setzten. Dies funktioniert aber nur dann, wenn es keine Interpretationsspielräume gibt und eindeutig klar wird, wie außergewöhnlich die eigenen Erfahrungen waren. „Das zeigt, wie wichtig es ist, als Führungskraft Demut zu zeigen das eigene Denken zu hinterfragen“, so Studienautor Christoph Feichter.

In der Praxis seien es vor allem viel zu hoch gesteckte Ziele, die sich durch diesen Experience Bias erklären lassen. Und das besonders in Branchen, in denen hohe Leistungsanforderungen herrschen und Führungskräfte sich im Unternehmen nach oben arbeiten – etwa im Finanzwesen, im Consulting oder bei Anwaltskanzleien. Solche Unternehmen sollten besonderes Augenmerk auf die Zielformulierung legen: „Spezielle Trainings und Entwicklungsprogramme sind hier eine Möglichkeit. In manchen Firmen müssen Führungskräfte ihre Ziele auch zuerst mit Führungskräften anderer Teams abstimmen. Ziele können auch von zentralen Stellen festgelegt werden, oder Firmen setzen auf relative Leistungsvergleiche, anstatt absolute Ziele für einzelne Mitarbeiter*Innen zu setzen.“

Detaillierte Ergebnisse der Studie und weitere Informationen

Feichter C, 2022. The effect of supervisors’ prior task performance on employees’ targets. The Accounting Review January 2023; 98 (1): 191–214. https://doi.org/10.2308/TAR-2019-0454

Über den Forscher

Christoph Feichter

Christoph Feichter ist Assoziierter Professor am WU Institut für Unternehmensführung. Er beschäftigt sich mit empirischer Verhaltensforschung im Controlling, sein Forschungsinteresse gilt dabei vor allem der Verhaltenssteuerung, dem Setzen von Zielen und der Leistungsevaluierung.

Christoph Feichter erhielt seinen PhD an der Universität Maastricht (Niederlande), wo er auch als Assistenzprofessor wirkte, und hat mehrere Auslandsaufenthalte an weltweit führenden Universitäten absolviert, darunter die University of Texas in Austin (USA), University of Illinois at Urbana-Champagne (USA) und die University of Waterloo (Kanada).