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COVID-19: Neue Berechnung der Dunkelziffer

07. April 2020

Gastkommentar von Rainer Hirk, Gregor Kastner und Laura Vana

Die Anzahl der tatsächlichen Infektionen mit SARS-CoV-2 liegt laut diversen Studien bei einem Vielfachen der offiziell bestätigten Fälle. Mehrere Studien haben auch in Österreich eine hohe Dunkelziffer bereits nahegelegt. So haben ForscherInnen des Instituts für höhere Studien (IHS) und Simon Sturn vom Department of Sozioökonomie an der WU in unabhängigen Analysen mit Stand 18. März 2020 bereits eine tatsächliche Anzahl von etwa 16.000 bis etwa 55.000 vorhergesagt. Ihre Methoden basieren einerseits auf einer Hochrechnung unter der Annahme einer Verzögerung von 9 Tagen (Zeitraum zwischen Ansteckung und Registrierung) sowie einem Multiplikator von etwa 3 (welcher in anderen Ländern geschätzt wurde) und andererseits auf dem Verlauf der Todesfälle. Beide Studien betonen, dass genauere Prognosen über die tatsächliche Höhe der Dunkelziffer letztlich nur stichprobenartige Tests liefern können.

Daten für neue Annäherung

Aktuelle Daten aus Island ermöglichen nun eine neue, aktualisierte Annäherung an die Dunkelziffer der COVID-19-Infizierten. Denn Island hat hier eine Art Vorreiterrolle übernommen und am 15. März mit Unterstützung des biopharmazeutischen Unternehmens deCODE genetics ein groß angelegtes Testprogramm gestartet, um die tatsächliche Verbreitung des Virus in Island zu erforschen. In unserer Studie versuchen wir die Zahlen aus Island auf Österreich zu übertragen. Mithilfe verschiedenster Szenarien - basierend auf der Anzahl an hospitalisierten Personen, der Anzahl der Personen auf Intensivstationen, der Anzahl an Todesfällen sowie dem Prozentsatz an positiven Testergebnissen - schätzen wir mit frequentistischen wie auch Bayesianischen Methoden die tatsächliche Anzahl der infizierten Personen.

Hohe Unsicherheit

Die zwei zentralen Erkenntnisse unsere Studie sind: a) Die geschätzte Anzahl an Infektionen ist für alle Methoden im Durchschnitt etwa 9 Mal so hoch wie die Anzahl der derzeit bestätigten Fälle. Dies entspricht nach derzeitiger Datengrundlage (Stand 1. April) knapp 100.000 Infizierten in Österreich. b) Die Unsicherheit der statistischen Methoden ist relativ hoch. Je nach eingesetzter Methode reichen die unteren Grenzen der 95%-Schätzintervalle für unseren Multiplikator von etwa 4 bis 7 und die oberen Grenzen von etwa 11 bis 16. Unsere Resultate legen daher in Analogie zu den bisherigen Analysen eine beträchtliche Dunkelziffer nahe und bestätigen die Notwendigkeit einer ausgedehnten Feldstudie um eine genauere Aussage über die tatsächliche Anzahl Infizierter treffen zu können.

Hirk, Rainer; Kastner, Gregor; Vana, Laura(2020). Investigating the dark figure of COVID-19 cases in Austria: Borrowing from the deCODE Genetics study in Iceland. DOI: 10.13140/RG.2.2.18427.05928.

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