Damit Klimaschutz funktioniert, muss sich der Staat ändern
Daniel Hausknost untersucht, welche Rolle staatliche Strukturen im Kampf gegen die Klimakrise spielen.
Ob in Dubai, Baku oder 2025 in Brasilien: Auf den COP-Klimakonferenzen ringen Staaten jedes Jahr um wirksame Strategien gegen den Klimawandel. Doch aktuelle Berichte machen deutlich, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, um die von den Staaten selbst gesetzten Ziele zu erreichen. Eine neue Studie unter Beteiligung von Daniel Hausknost, WU-Forscher am Institut für Gesellschaftswandel und Nachhaltigkeit zeigt auf, warum das so ist: Westliche Staaten sind in ihren Strukturen stark auf Wirtschaftswachstum ausgerichtet – und genau das steht effektivem Klimaschutz im Weg.
Die Folgen der Klimakrise werden immer spürbarer, daher haben viele westliche Regierungen seit dem Pariser Klimaabkommen im Jahr 2015 ehrgeizige Klimaziele beschlossen. Die EU möchte bis 2050 klimaneutral werden, Österreich sogar schon bis 2040. Durch den Umstieg auf erneuerbare Energien soll die Wirtschaft dekarbonisiert, also die CO2-Emissionen gesenkt werden, während die Wirtschaft weiterhin wächst. Jüngste Berichte des Weltklimarats (IPCC) und des UN-Umweltprogramms verdeutlichen, dass die globalen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels nicht tiefgreifend, schnell und ehrgeizig genug sind, um die selbstgesteckten Ziele der Staaten zu erreichen. Laut Hausknost liegt dies daran, dass die Strategie des „grünen Wachstums“ an ihre Grenzen stößt.

Staaten sind abhängig von expandierender Wirtschaft
Wirtschaftswachstum spielt in westlichen Staaten eine zentrale Rolle: Über Einnahmen aus Steuern kann der Staat Sozialleistungen oder Infrastruktur finanzieren. Denn die Legitimität von Staat und Regierungen basiert darauf, dass sie für Wohlstand und Sicherheit sorgen und die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern. Unter anderem mit wirtschaftlicher Macht wahren Staaten ihre Unabhängigkeit. Und um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, müssen Staaten gute Bedingungen für Wirtschaftswachstum schaffen. „Zur Ausübung dieser Funktionen sind westliche Staaten auf stetiges Wirtschaftswachstum und hohe Steuereinnahmen angewiesen“, erklärt Hausknost. Wirtschaftliche Entwicklung basiert jedoch weiterhin stark auf fossilen Ressourcen, beispielsweise in der Industrie, im Transport- oder im Agrarsektor. „Im Übergang zu einer post-fossilen Gesellschaft untergräbt der Staat daher seine eigenen Existenzbedingungen. Er kann Klimaschutz bislang gar nicht ernsthaft priorisieren.“
Strukturelle Hindernisse für Dekarbonisierung
Wirksamer Klimaschutz erfordert Eingriffe, die zentrale Einnahmequellen des Staates und etablierte Wirtschaftsbereiche betreffen. So reduziert die Mobilitätswende Umsatz und Arbeitsplätze im traditionellen Automobilsektor. Mit dem Rückbau profitabler fossiler Industrien verringert der Staat aber gleichzeitig seine eigenen Einnahmen aus Unternehmens- und Einkommenssteuern und schränkt damit seine Handlungsfähigkeit ein. Gleichzeitig spüren Bürger*innen die Folgen von Klimaschutzmaßnahmen direkt – zum Beispiel durch steigende Preise an der Tankstelle infolge von CO₂-Steuern. Der Staat wird durch Klimaschutzmaßnahmen sichtbarer und als Verursacher von Belastungen wahrgenommen. „Das schwächt die Unterstützung für das Projekt Dekarbonisierung und führt zu den klimapolitischen Rückschritten, wie wir sie in vielen westlichen Ländern gerade erleben. Die klimaskeptische Rechte wird stärker, Ziele und Maßnahmen für Klimaschutz werden verwässert oder sogar abgebaut“, erklärt Hausknost.
Effektive Klimapolitik braucht neue politische Strukturen
Bisher fokussieren Klimaschutzmaßnahmen meist auf den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien. Doch dies genügt laut der neuen Studie innerhalb gegebener Strukturen nicht. Effektive Klimapolitik erfordert, den Ressourcen- und Energieverbrauch insgesamt drastisch zu reduzieren. Dafür wäre jedoch ein Umbau zu einem „Transformationsstaat“ notwendig, der nicht im bisherigen Ausmaß von Steuereinnahmen aus der fossilen Industrie und von stetigem Wirtschaftswachstum abhängig ist und der Klimaschutz zu einem vorrangigen Staatsziel erklärt. Die strukturellen Bedingungen eines solchen Transformationsstaats müssen erst erforscht werden.