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Öffentlichkeit

Digitaler Hass: Wenn Online-Communities toxisch werden

23. September 2025

Studie untersucht „Brutalisierung“ in digitalen Gemeinschaften

Online-Communities, welche zum Austausch über Interessen, Trends oder Produkte gedacht sind, können sich von offenen Diskussionsräumen zu feindseligen und toxischen Umgebungen entwickeln. In der Soziologie spricht man vom Phänomen der „Brutalisierung“. Ein internationales Forschungsteam um Marius Lüdicke (WU Wien), Kristine De Valck (HEC Paris) und Olivier Sibai (University of London) ist der Frage nachgegangen, weshalb manche digitalen Gemeinschaften in Beschimpfungen, Anfeindungen oder strukturelle Gewalt abgleiten.

Ergebnisse

Kurzzeitige Ausbrüche verbaler Aggression in Form von Beleidigungen, Belästigungen, Flaming bzw. Trolling sind in Online-Communities weit verbreitet. Unklar war aber bislang, weshalb sich solche Verhaltensweisen teils verfestigen und ganze Gemeinschaften dauerhaft brutalisieren. Zur Beantwortung dieser Frage analysierte das Forschungsteam die über 18 Jahre lang laufende Interaktion einer Online-Community der elektronischen Tanzmusik. Die Ergebnisse zeigen, dass Unterschiede im Ausmaß von Gewalt und Feindseligkeit in Konsum-Communities nicht zufällig sind, sondern mit spezifischen Tendenzen zusammenhängen:

  • Sadistische Unterhaltung: Aggression wird zum Unterhaltungsinstrument und tritt besonders in hedonistisch orientierten Communities auf, welche auf Spaß und Nervenkitzel ausgerichtet sind (z. B. Gaming- oder Musikforen auf Discord, Reddit oder Twitch).

  • Clan-Kriege: Systematisch ausgetragene Gruppenfehden, welche sich vor allem in homogenen Communities mit starkem Gemeinschaftsbewusstsein und klaren Normen entwickeln. Neue, abweichende Praktiken werden dort häufig mit Abwertung oder Feindseligkeit beantwortet (z. B. in Koch- oder Open-Source-Communities).

  • Selbstjustiz: Gemeinschaftlich legitimierte Bestrafungsrituale entstehen typischerweise in großen, leicht zugänglichen und schwer moderierbaren Communities, welche von Konsument*innen selbst betrieben werden.

Die Studien-Autor*innen betonen jedoch, dass eine Brutalisierung auch in vermeintlich weniger gefährdeten Umfeldern auftreten kann, etwa in Eltern-Foren – anstelle von gegenseitiger Unterstützung entwickeln diese oft eine „Ausgrenzungs-Kultur“. Die Studie leistet einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Theorien über Gewalt in Konsumgemeinschaften und eröffnet zugleich neue Perspektiven für das Verständnis von Dynamiken in sozialen Netzwerken.

Link zur Studie und weitere Informationen
Autor*innen:
  • Prof. Marius K. Lüdicke, Marketing in a Global Economy, WU Wien

  • Dr. Olivier Sibai, Lecturer in Marketing, Birkbeck, University of London

  • Prof. Kristine De Valck, Professor of Marketing, HEC Paris

Pressekontakt:

Mag. Christina Maria Bachmaier
Wissenschaftskommunikation
Tel: +43-1-313-36-4973
E-Mail: christina.bachmaier@wu.ac.at

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