Eine Gruppe von Menschen sitzt im Kreis und redet miteinander

Tobin Hanspal

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Wie man lernt, Dividenden besser zu verstehen

Viele Anleger*innen glauben, dass Dividenden von Aktien „on top“ zu Kurssteigerungen kommen und geben deshalb die Ausschüttungen direkt aus, anstelle sie zu reinvestieren. So verzichten sie langfristig auf Kapitalerträge. Ein einfaches Informationsexperiment in Kooperation mit einer großen Bank in Deutschland zeigt auf, dass Anleger*innen durch Aufklärung zur Wiederanlage von Dividenden bewegt werden können und so mehr Vermögen bilden. Assistenzprofessor Tobin Hanspal, Department of Finance, Accounting & Statistics und VGSF, untersucht die Anlageentscheidungen und -fehler von Privatinvestor*innen.

Dividenden-Fehlglaube kann Anleger*innen langfristig schaden

"Aus früheren Studien wissen wir, dass Anleger*innen gezielt Dividendeneinkommen einplanen, um damit Anschaffungen zu tätigen", so WU Professor Tobin Hanspal. Privatanleger*innen schenken den Ausschüttungen von Aktien und Fonds häufig große Aufmerksamkeit und gestalten ihre Titelauswahl in Abhängigkeit davon. Dies ist nicht überraschend, bedenkt man, wie viel Raum die Finanzpresse der "Dividendensaison" widmet, die in Deutschland vor allem im Frühjahr stattfindet. Eine gängige Erklärung für die hohe Nachfrage nach Titeln mit hohen Ausschüttungen ist der "Dividenden Fehlglaube", also die Vorstellung, dass die ausgezahlte Dividende den Kurs nicht beeinflusst, sondern „on top“ dazu kommt. Tatsächlich sind Dividenden keine Zugabe, sondern im Mittel sinkt der entsprechende Wertpapierkurs am Ausschüttungstag just um den Betrag der Ausschüttung, so dass die Höhe der Dividende für die Konsumfreude der Anleger*innen eigentlich keine Rolle spielen sollte.

„Das direkte Ausgeben von Dividenden für die Anleger*innen kann langfristig kostspielig werden“, so Hanspal. Dieses Verhalten kommt dem Verkauf von Aktien zum Zweck des Konsums gleich, so dass jene Anleger*innen langfristig weniger renditeträchtiges Kapital anlegen, als bei Wiederanlage. Die Jagd nach Titeln mit mehr Dividenden kann auch zu höheren Maklergebühren, mehr Steuern und zum Kauf überteuerter Aktien führen, wenn die Nachfrage nach Dividenden allgemein hoch ist. Die Ansprache von Anleger*innen, die dem Fehlglauben an Dividenden als Zusatzeinkommen aufsitzen und deren Aufklärung sollte also dabei unterstützen, mehr und mit besserer Performance Vermögen aufzubauen.

Wie konkrete Aufklärung das Anlageverhalten und die Portfolioresultate verbessern können

Um den Anleger*innen zu helfen, diesen Fehlglauben zu vermeiden, haben die Autoren der Studie mit einer großen deutschen Bank getestet, wie sich eine Aufklärungskampagne auswirken würde. Es wurde eine repräsentative Stichprobe von Anleger*innen gezogen, die Aktien dividendenträchtiger deutscher Unternehmen halten. Die Anleger*innen wurden nach dem Zufallsprinzip in eine Aufklärungs- und eine Placebo-Kontrollgruppe eingeteilt. Die erste Gruppe erhielt eine E-Mail, in der die grundlegende Logik beschrieben wurde, dass Dividenden kein Zusatzeinkommen darstellen, sondern den Kurs entsprechend mindern. Die Anleger*innen erhielten auch ein grafisches Beispiel, das den großen Unterschied in der Wertentwicklung des DAX Index mit und ohne Wiederanlage der Dividenden verdeutlichte. Die Placebo-Kontrollgruppe wurde mit identischer Mail zur Teilnahme an der Studie eingeladen, wurde dann aber nur durch eine allgemeine Befragung zu Dividenden geleitet.

Ergebnisse der Studie

Die Aufklärung führte dazu, dass die aufgeklärte Teilnehmer*innengruppe mit einer um 15 Prozentpunkten höheren Wahrscheinlichkeit als die Kontrollgruppe plante, fortan Dividenden zu reinvestieren. Die Forscher*innen hatten im Nachgang zum Experiment Zugang zu den pseudonymisierten Depotdaten der Teilnehmer*innen und konnten feststellen, dass dem Vorhaben auch Taten folgten. Die Wahrscheinlichkeit, die Dividenden neu anzulegen, stieg in der Aufklärungsgruppe um sieben Prozentpunkte gegenüber der Kontrollgruppe an. Dieser Effekt wird vor allem durch diejenigen Anleger*innen bedingt, die gemäß Befragung am meisten dem Dividenden Fehlglauben aufsaßen.

"Unsere Studie zeigt, dass gezielte Aufklärungsmaßnahmen das Anlageverhalten von Privatanleger*innen verbessern können. Der Forschungsstrange der Behavioral Finance hat schon viele Anlagefehler aufzeigen können. Bisher gab es nur wenige Arbeiten, die Wege aufzeigen, wie die Fehler vermieden werden können. Unsere Studie zeigt einen vielversprechenden Weg, nämlich gezielte Finanzbildungsimpulse zum genau richtigen Zeitpunkt“, führt Tobin Hanspal aus. 

Über Tobin Hanspal

Tobin Hanspal

Tobin Hanspal kam Herbst 2019 als Assistenzprofessor an die WU. Davor arbeitete er als Postdoc an der Goethe-Universität Frankfurt, nach Abschluss seines Doktorats an der Copenhagen Business School. Hanspal stammt ursprünglich aus den USA: Er wuchs in Boston auf und arbeitete einige Jahre in New York City. Seit seiner Dissertation arbeitet Hanspal an der Schnittstelle zweier dynamischer Forschungsfelder der Finanzwissenschaft: Behavioral Finance und Household Finance. In seiner Forschung beschäftigt er sich damit, wie Haushalte und Einzelinvestor*innen finanzielle Entscheidungen treffen und wie sich daraus ökonomisch mehr oder weniger optimale Konsequenzen ergeben. Darunter fallen z. B. die Suche nach hohen Dividenden, der Einfluss persönlicher Markterfahrungen auf das Risikoverhalten, die Faszination von Kleinanleger*innen für Kryptowährungen und Zocker-Aktien, Einflussfaktoren für die Einstellungen und Erwartungen von Investor*innen und die Wechselwirkung zwischen den Überzeugungen von Investor*innen und ihren Investitionsentscheidungen. Tobin Hanspals Forschungsergebnisse wurden in führenden wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht, darunter etwa Review of Financial Studies, Journal of Financial Economics, Review of Finance, Journal of Financial and Quantitative Analysis und Review of Economics and Statistics. Seine Leistungen wurden auch mit hochkarätigen Preisen honoriert, etwa dem WU Best Paper Award (2022) und dem Sturm&Drang-Preis (2018) der Goethe-Universität Frankfurt für die beste Nachwuchspublikation.