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Lehrplanentwurf „Geographie und wirtschaftliche Bildung": Expert*innen-Kritik, WU fordert eigenes Schulfach

13. September 2022

Studien zur Wirtschaftskompetenz Österreichs Jugendlicher zeichnen regelmäßig ein düsteres Bild. Laut YEP Jugendbericht fühlt sich die Hälfte der befragten Jugendlichen nicht genügend auf die finanzielle Zukunft vorbereitet. Dabei haben Kinder und Jugendliche durchaus Interesse an wirtschaftlichen Themen, die in der Schule oft nicht ausreichend behandelt werden. Die Lehrpläne für allgemeinbildende Schulen sehen Wirtschaftsbildung nicht als eigenes Schulfach vor, sondern als Teil des Geographie-Unterrichts. Auch der jüngste, in Begutachtung befindliche, Entwurf zum neuen Lehrplan für „Geographie und wirtschaftliche Bildung“ verspricht kaum Verbesserungen.

Der Wirtschaftsuniversität Wien ist die Förderung von Wirtschafts- und Finanzbildung ein besonderes Anliegen, daher engagiert sie sich in diesem Bereich seit Jahren mit unterschiedlichen Initiativen, wie dem kostenlosen Programm WU4Juniors, dem Changemaker Programm, dem Moneywise Programm oder dem Finanzbildungspreis KARDEA. All diese Initiativen können das Manko an Wirtschaftsbildung in Österreich aber nicht kompensieren. Vielmehr bräuchte es eine umfassende Reform, vor allem die schulische Vermittlung betreffend. Dazu fordert die Rektorin der Wirtschaftsuniversität Wien Edeltraud Hanappi-Egger seit jeher ein eigenes Schulfach. Dies wäre eine sehr gute Voraussetzung für ausreichend Unterrichtszeit und im Hinblick auf die Anforderungen des Fachs wirtschaftsdidaktisch fundiert ausgebildete Lehrer*innen.

Lehrplanentwurf lässt wichtige Themen zur Gänze aus

„Das Verstehen wirtschaftlicher Zusammenhänge ist für Menschen jeden Alters essentiell. Die wirtschaftliche Wissensvermittlung im Unterricht ist in Österreich – positiv formuliert – sehr ausbaufähig. Auch der jüngste Entwurf für den zukünftigen Lehrplan enthält viel zu wenig Wirtschaftswissen, blendet zentrale Konzepte sogar vollkommen aus. Das bedauert die Wirtschaftsuniversität Wien sehr, denn hier wurde erneut eine große Chance vertan“, resümiert WU-Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger.

Resümee von Expert*innen: gravierend mangelhaft

In einer gemeinsamen Stellungnahme zum Entwurf des neuen Lehrplans kommen die führenden Wirtschaftspädagog*innen der Universitäten Graz, Innsbruck, Linz sowie der Wirtschaftsuniversität Wien ebenfalls zu keinem guten Fazit: „Wirtschaftliche Bildung sollte im Lehrplanentwurf für Geographie und wirtschaftliche Bildung systematisch, breit und auf der Höhe sowohl des wirtschaftswissenschaftlichen als auch des wirtschaftsdidaktischen Erkenntnisstandes verankert sein. In seinen wirtschaftsbezogenen Teilen ist der Lehrplanentwurf fachlich jedoch erstaunlich substanzlos. Wichtige ökonomische Kompetenzen und Inhalte werden nur am Rande berücksichtigt oder fehlen gänzlich. Insbesondere werden den Schüler*innen anspruchsvolle Urteilsleistungen abverlangt, ohne dass die dafür nötigen ökonomischen Sachkenntnisse vermittelt werden. Die einzelnen wirtschaftlichen Rollen werden ungleichgewichtig adressiert, die unternehmerische Entscheidungsperspektive ist deutlich unterrepräsentiert. Auf in der Wirtschaftsdidaktik etablierte Kompetenzstrukturmodelle wird nicht zurückgegriffen.“

Auch das Department für Volkswirtschaft der WU hat eine Stellungnahme verfasst und resümiert, dass der vorliegende Lehrplanentwurf als Grundlage für dieses Unterrichtsfach denkbar ungeeignet ist, „da er aufgrund fehlender Inhalte aus ‚wirtschaftlicher Bildung‘ die Hälfte seines Gegenstands vernachlässigt“.

Stellungnahme österreichischer Wirtschaftspädagog*innen
Stellungnahme österreichischer Wirtschaftspädagog*innen
Stellungnahme WU-Department Volkswirtschaft
Stellungnahme WU-Department Volkswirtschaft
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