Volkswirt/in: Der Blick aufs große Ganze
Wir leben in einer turbulenten Zeit, „Wirtschaftskrise“, „Schulden“, „Triple-A-Rating“ und der „mögliche Untergang des Euro“ sind medial omnipräsent.
Die Macht und Dynamik der wirtschaftlichen Zusammenhänge ist deutlich spürbar und die Vernetzung in unserer globalisierten Welt ist kaum mehr zu übersehen. Doch wie kann man wirtschaftliche Entwicklungen prognostizieren? Welche Ereignisse lassen auf welches zukünftige Geschehen schließen? Und vor allem: Wie kann man Situationen beeinflussen und welche Maßnahmen führen zu welcher Wirkung? Fragen, die üblicherweise Absolvent/inn/en der Volkswirtschaft beschäftigen.
Das Studium
Ziel des Studiums der Volkswirtschaft ist es, sich für anspruchsvolle volkswirtschaftliche Tätigkeiten in Wirtschaft, Politik und Forschung zu qualifizieren. Es soll die Fähigkeit zur selbstständigen Analyse ökonomischer Probleme vermitteln und das Verständnis für komplexe ökonomische Zusammenhänge schärfen. Absolvent/inn/en sollen in der Lage sein, als kompetente Ansprechpartner/innen überall dort aufzutreten, wo entsprechende Expertise in Politik und Wirtschaft benötigt wird. „Volkswirte und Volkswirtinnen sind auf dem Arbeitsmarkt vor allem dann stark nachgefragt, wenn sie das Wissen über ökonomische Theorien und die technische Fähigkeit, ökonometrische Modelle zu rechnen, verbinden können mit einem guten Verständnis für wirtschafts- und sozialpolitische Zusammenhänge sowie der Fähigkeit, ihr theoretisches Wissen auf konkrete praktische Problemstellungen zu übertragen“, so Konrad Pesendorfer, selbst Absolvent der Volkswirtschaft und nun fachstatistischer Generaldirektor der Statistik Austria. An der WU ist es heuer noch möglich, das Studium der Volkswirtschaft in der ursprünglichen Diplomstruktur zu beenden. Seit Bologna gibt es außerdem die Möglichkeit, in der Bachelorausbildung den Studienzweig Volkswirtschaft und Sozioökonomie zu belegen bzw. aufbauend das Masterstudium Volkswirtschaft zu wählen. Im Wintersemester 2011/12 haben noch 82 Diplom- und bereits 175 Masterstudierende Volkswirtschaft studiert. Zwölf Prozent aller Absolvent/inn/en im Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wählten den Studienzweig Volkswirtschaft und Sozioökonomie. Ein kleiner, aber feiner Kreis von Interessierten, die sich für die Analyse komplexer ökonomischer Inhalte begeistern und den Arbeitsmarkt mit ihrem Fachwissen bereichern.
Spezialist/inn/en für den Arbeitsmarkt
Volkswirtschaftliches Expert/inn/enwissen wird in vielen Zusammenhängen nachgefragt – vor allem wenn es um die Analyse, Erklärung und Prognose ökonomischer Prozesse geht. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um wissenschaftliche Positionen, den öffentlichen Bereich oder die Privatwirtschaft handelt. „Im Privatsektor sind es vor allem die Finanzindustrie und große Konzerne, die ihre Investitionsentscheidungen zu einem guten Teil auf der Basis makroökonomischer Einschätzungen treffen. Im öffentlichen Sektor ist volkswirtschaftliche Expertise in den vielfältigen Bereichen der Wirtschaftspolitik und in der Wirtschaftsforschung gefragt“, so Pesendorfer. Und auch Ursula Hückel, Personalistin bei der Wirtschaftskammer Österreich, bekräftigt: „Typische Berufsfelder des Volkswirts oder der Volkswirtin gibt es in Interessenvertretungen, Universitäten, Bildungsanstalten oder politischen Funktionen.“
Dabei arbeiten Volkswirte und Volkswirtinnen vor allem wissenschaftsnahe. Cécile Undreiner vom Department für Volkswirtschaft an der WU erklärt: „Volkswirtschaftsabsolvent/inn/en der WU weisen höhere Kenntnisse in quantitativen Methoden auf. Eine typische spätere Aufgabe ist zum Beispiel die Aufbereitung von Länderanalysen oder Risikoabschätzungen.“ Auch bei der Statistik Austria gibt es eine eigene Direktion, die sich mit volkswirtschaftlichen Fragen auseinandersetzt – dort werden unter anderem das Bruttoinlandsprodukt, Inflationsraten oder Quoten des öffentlichen Defizits und Schuldenstands berechnet.
Über den Tellerrand schauen
Die Stärke der Volkswirte und Volkswirtinnen liegt offensichtlich zum einen in ihrem klaren analytischen Denken und zum anderen in ihrer ganzheitlichen Betrachtung von Entwicklungen. Dies bekräftigt auch Konrad Pesendorfer: „Ein Vorteil von Volkswirt/inn/en ist es sicherlich, dass sich ihr Blick immer auch auf Gesamtzusammenhänge richten muss – das hilft, einzelne Phänomene besser in einen Kontext stellen und damit umfassender begreifen zu können.“ Und auch Ursula Hückel zufolge besitzen Volkswirte und Volkswirtinnen die Kompetenz, wirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen und Schlüsse daraus zu ziehen.
Das Studium bildet also wirtschaftliche Spezialist/inn/en aus, für die der breite Arbeitsmarkt aber nicht immer das primäre Ziel ist. Vielmehr liegt die Motivation oftmals in der Beschäftigung mit gesellschaftlich relevanten und ganzheitlichen Fragestellungen. Milena Jeleva, die das Bachelorstudium Volkswirtschaft und Sozioökonomie belegt hat, erklärt ihre Wahl: „Ich wusste, dass ich in meinem Beruf etwas leisten möchte, aber nicht nur für mich selbst oder für ein Unternehmen. In diesem Sinn bietet für mich das VWL-Studium etwas anderes.“
Die Redewendung „den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“ trifft auf Absolvent/inn/en der Volkswirtschaft also in keinem Fall zu. Im Gegenteil: Die Ausbildung lenkt den Blick vom Detail auf das große Ganze. Sei es in der Privatwirtschaft, in der Wissenschaft oder im öffentlichen Bereich – Zusammenhänge und Wirkungen sollte man zu keiner Zeit aus den Augen verlieren. Schon gar nicht dann, wenn es turbulenter werden könnte …