Sozioökonomie

Sichtbare Saubermacher*innen: Neue WU Studie zu Vorteilen von Tagreinigung in Büros

27. März 2024

Unsoziale Arbeitszeiten, fehlende Sichtbarkeit, ausbleibende Anerkennung: Reinigungskräfte müssen viele Nachteile in Kauf nehmen, weil ihre Arbeit an die Tagesränder gedrängt wird. Eine Studie der WU Wirtschaftsuniversität Wien zeigt: Eine Umstellung auf Reinigung während der Geschäftszeiten könnte viele dieser Probleme beseitigen.

In Österreichs Büros findet Reinigung meist zu Tagesrandzeiten statt: Beim Reinigungspersonal herrscht also Hochbetrieb, wenn das Büro frühmorgens noch leer oder abends wieder ruhig ist. Für Reinigungskräfte bedeutet das nicht nur, dass ihre Arbeit unsichtbar ist und es kaum zu Sozialkontakten zwischen ihnen und den Büroangestellten kommt. Es bedeutet oft auch geteilte Dienste – die Reiniger*innen müssen also frühmorgens und abends arbeiten, mit einer unbezahlten Pause dazwischen.

„Diese geteilten Dienste sind eng verquickt mit Teilzeitbeschäftigung, die nicht existenzsichernd ist“, erklärt Karin Sardadvar vom WU Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung, „denn die  kurzen Arbeitszeitfenster machen es schwierig, Vollzeit- oder lange Teilzeitstellen zu schaffen. Hinzu kommt: Die freien Stunden zwischen zwei Teildiensten sind nicht wirklich nutzbar für Freizeit oder Familienleben, hat unsere Forschung gezeigt.“Die Soziologin beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit den Arbeitsbedingungen von Reinigungskräften. Vor kurzem hat sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Cornelia Reiter eine neue Arbeit veröffentlicht, die Potenziale und Herausforderungen einer Umstellung auf Tagreinigung analysiert – also der Reinigung von Büros während der normalen Geschäftszeiten: „In Norwegen gab es seit den siebziger Jahren einen weitreichenden Übergang zu Tagreinigung“, sagt Karin Sardadvar. „Wenn dieser Prozess umsichtig gestaltet wird, ergeben sich daraus Vorteile für alle Seiten.“

Foto Karin Sardadvar

Karin Sardadvar forscht als Senior-Postdoc-Wissenschafterin im Rahmen des Elise-Richter-Programms des FWF am Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung der WU. Sie leitet das Projekt SPLITWORK (2018-2023), das die Arbeitszeitform „geteilte Dienste“ in der Reinigungsbranche und der mobilen Pflege und Betreuung untersucht. (Foto: Heribert Corn)

Tagreinigung als Win-Win-Win-Situation

Ein Vorteil liegt auf der Hand: Die geteilten Dienste entfallen, damit halbieren sich die Anfahrtswege und den Reiniger*innen – es sind zumeist Frauen, überwiegend mit Migrationshintergrund – bleibt mehr Zeit für ihr Familien- und Privatleben. Im besten Fall bedeutet Tagreinigung auch, dass Reinigungskräfte nicht mehr alleine und isoliert arbeiten müssen. Dadurch haben sie mehr sozialen Austausch und auch mehr Gelegenheit, am Arbeitsplatz Deutsch zu sprechen.

„Gebäudereinigung ist ein typisches Beispiel für ‚dirty work‘ – also Tätigkeiten, die als unrein gesehen und oft unsichtbar gemacht werden“, sagt Karin Sardadvar von der WU Wien. „Eine höhere Anerkennung von Reinigungsarbeit zu erreichen, heißt auch, sozialen Ungleichheiten sowie Rassismus und Klassismus zu entgegenzutreten.“   

Auch Reinigungsunternehmen würden eine Umstellung auf Tagreinigung überwiegend positiv sehen. Denn bessere Arbeitsbedingungen machen die Personalsuche einfacher, Beschäftigte sind zufriedener, und auch die Organisation vereinfacht sich durch den Entfall von atypischen Arbeitszeiten.

Selbst für Kund*innen-Unternehmen bringt Tagreinigung einige Vorteile: Missverständnisse oder Unklarheiten können im direkten Gespräch beseitigt werden, Reiniger*innen sind in dringenden Fällen rascher verfügbar und auch die Kosten können sinken, indem Energie im Gebäude gespart wird. „Allerdings ist entscheidend, dass der Übergang zu Tagreinigung offen und klar kommuniziert wird“, räumt die Soziologin Karin Sardadvar ein. „Sonst entstehen Missverständnisse darüber, welche Aufgaben die Reinigungskräfte haben und wie die Kommunikation mit ihnen ablaufen sollte.“ Im besten Fall würden Reiniger*innen der Belegschaft zu Beginn mit Namen vorgestellt, damit sie Teil des Teams werden können. „Wird die Tagreinigung nicht entsprechend vorbereitet, kann es leider vorkommen, dass Reinigungskräfte schlecht behandelt oder einfach ignoriert werden. Diese Erfahrung haben wir im Zuge von teilnehmenden Beobachtungen gemacht.“

Ein in Teilen nachvollziehbares Gegenargument sei die Sorge vor Störungen, etwa durch laute Staubsauger. Allerdings gebe es mittlerweile technische Hilfsmittel – von Flüsterstaubsaugern bis zu Sensoren, die erkennen, wann Räume gerade nicht genutzt werden –, mit denen man in Norwegen schon gute Erfahrungen gemacht habe, um diese Probleme zu umgehen.

Eine Frage des Bewusstseins

„Die größte Hürde für eine Umstellung zu Tagreinigung ist wohl das fehlende Bewusstsein, dass Reinigungskräfte unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen leiden und dass es Alternativen zur Reinigung zu Randzeiten gibt“, erklärt Karin Sardadvar. Als Chance sieht sie das Thema Corporate Social Responsibility: Schließlich sei auch der Umgang mit Reinigungskräften ein Teil der sozialen Nachhaltigkeit, die sich immer mehr Unternehmen auf die Fahnen heften.

Und auch die öffentliche Hand könnte den Umgang zu Tagreinigung beschleunigen, schließt die Soziologin: „Gerade in Behörden wäre es wichtig, Akzente zu setzen und mit gutem Beispiel voranzugehen – etwa indem man Ausschreibungen für Gebäudereinigung entsprechend gestaltet.“

Detaillierte Ergebnisse der Studie und weitere Informationen

Sardadvar, K., & Reiter, C. (2024). Von den Tagesrändern zu den Geschäftszeiten: Potenziale und Herausforderungen einer Umstellung auf Tagreinigung. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft. Vorzeitige Online-Publikation. 
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