Eine Person liest eine spanische Tageszeitung

Warum ManagerInnen korrupt werden

03. November 2016

Skandale wie jener um die gefälschten Abgaswerte im Volkswagen Konzern oder auch in vielen anderen Großkonzernen werfen immer wieder die Frage in den Raum, warum Führungskräfte in so enormem Ausmaß verantwortungslos agieren und ganze Unternehmen ins Chaos stürzen. WU-Professor Günter Stahl widmet sich genau dieser Frage in einem großangelegten Forschungsprojekt zum Thema „Responsibility & Leadership“. Mit seinem Team untersucht er jene Faktoren, die Führungskräfte in ihrem Verhalten beeinflussen. Die Ergebnisse zeigen: Nicht nur individuelle Persönlichkeitsmerkmale entscheiden, vielmehr spielen organisationale, gesellschaftliche und kulturelle Variablen eine Rolle.

Das Unternehmertum zeigt sich nicht immer von der seiner besten Seite. Unmoralische Entscheidungen, schlecht bezahlte MitarbeiterInnen, Kündigungswellen, gefälschte Unternehmenszahlen, unterschlagene Steuern – Skandale, die sehr oft die Tageszeitungen füllen. Günter Stahl, Professor of International Management an der WU, untersucht, welche Faktoren das Entscheidungsverhalten von Führungskräften beeinflussen. Das Forschungsprojekt „Responsibility & Leadership“ besteht aus einer Reihe von Studien, die sowohl die „dunkle Seite“ des Führungsverhaltes – weshalb ManagerInnen sich verantwortungslos, korrupt oder destruktiv verhalten – als auch Beispiele verantwortungsvoller Führung und deren motivationale Grundlagen beleuchten. Verantwortungsbewusste Führungskräfte leben heute Werte vor und verankern sie nachhaltig im Unternehmen, um den notwendigen Kulturwandel hin zu post-2015 Sustainable Development Goals zu unterstützen, während unverantwortliche ManagerInnen Unternehmen ins Chaos stürzen, wie der Skandal rund um gefälschte Abgaswerte beim Volkswagen-Konzern verdeutlicht.

Mehr als nur Persönlichkeit

Das Forschungsprojekt „Responsibility & Leadership“ besteht aus einer Reihe von Studien, die sowohl die „dunkle“, als auch die „helle“ Seite von Führungsverhalten analysieren. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass Erklärungsansätze, die überwiegend an der Führungsperson (beispielsweise Persönlichkeitseigenschaften und Werthaltungen) ansetzen, unzureichend sind. „Um die Ursachen von verantwortungsvollem oder verantwortungslosem Führungsverhalten zu verstehen, ist es erforderlich, die komplexen Wechselwirkungen zwischen individuellen, organisationalen und gesellschaftlichen Faktoren zu betrachten.  Beispielsweise zeigt eine Analyse der großen Unternehmensskandale und -zusammenbrüche der letzten zwei Jahrzehnte wie bei Enron, Lehman Brothers oder Volkswagen, dass neben individuellen Merkmalen der beteiligten TopmanagerInnen, zum Beispiel narzisstische Tendenzen, auch Aspekte des Topmanagement-Teams (z.B. fehlende Diversität und Gruppendruck), der Organisation (z.B. Mangel an gelebten Werten) sowie des institutionellen und kulturellen Umfelds (z.B. Shareholder-Value Philosophie) einen maßgeblichen Anteil  hatten“, erklärt Stahl. „Deshalb ist es erforderlich, dass Erklärungsversuche und empirische Untersuchungen auf mehreren Ebenen ansetzen.“

Einflussvariablen auf drei Ebenen

Auf der individuellen Ebene untersuchten Stahl und sein Team in experimentellen Studien, wie sich die Empathie einer Führungskraft gegenüber verschiedenen Stakeholder-Gruppen auf ihr Verhalten in Bezug auf diese auswirkt. Hier zeigte sich, dass Führungskräfte sich jenen Gruppen gegenüber auch verantwortungsvoller verhielten, mit denen sie sich mehr identifizierten und denen gegenüber sie mehr Empathie empfanden - wie etwa bei Gruppen, die einen ähnlichen kulturellen Hintergrund aufwiesen. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass psychologische oder kulturelle Distanz gegenüber Gruppen (z.B. Personen mit Migrationshintergrund) mit verminderter Empathiefähigkeit einhergeht, was sich wiederum auf die Tendenz, sich verantwortungsvoll oder verantwortungslos gegenüber diesen Gruppen zu verhalten, auswirkt. Auf dem Organisationslevel widmen sich der WU-Professor und sein Team der Frage, wie sich die Team-Zusammensetzung auf die Entscheidungen und Handlungen der Führungskraft auswirkt. Dabei zeigte sich, dass jene Teams mit hoher Diversität – mit Menschen unterschiedlichen Geschlechts, Ausbildungshintergrund sowie unterschiedlicher Nationalität – flexibler auf die Anforderungen von diversen Stakeholdern eingehen und deren Bedürfnisse in ihren Entscheidungen berücksichtigen – und somit auch stärke Corporate Social Performance für das gesamte Unternehmen generieren. Auf der institutionellen Ebene wurde untersucht, wie sich die rechtlichen, institutionellen und kulturellen Rahmenbedingungen (z.B. Shareholdervalue-Orientierung) auf die Beziehung und das Verantwortungsbewusstsein zwischen Unternehmen und Stakeholdern auswirken. So zeigt sich etwa, dass in Ländern mit einer ausgeprägten Shareholdervalue-Philosophie (z.B. USA) nur sehr beschränkt auf die Bedürfnisse von anderen Stakeholdergruppen Rücksicht genommen wird und dagegen in Ländern mit einer stärkeren Stakeholder-Orientierung (z.B. Deutschland) eine sehr viel größere Bandbreite an Kriterien bei Unternehmensentscheidungen berücksichtigt werden.

Erfolgsfaktoren verantwortungsvoller Führung

Deutlich wurde in allen Studien, dass die Persönlichkeitsmerkmale einer Führungskraft nicht ausreichen, um ethisch unkorrektes Verhalten zu erklären. Viel mehr spielen Faktoren wie die Zusammensetzung des Topmanagement-Teams, Unternehmenskultur, Anreizsystem sowie gesellschaftliche, politische und kulturelle Rahmenbedingen eine tragende Rolle. Dies trifft sogar auf Extremfälle zu, wie etwa den Volkswagenskandal oder Unternehmenszusammenbrüche wie Enron, Arthur Anderson oder Lehman Brothers. „ Unsere Untersuchungen weisen darauf hin, dass neben Merkmalen der handelnden Akteure – etwa ausgeprägte narzisstische Tendenzen auf Seiten der Topmanager und eine Abschottung gegenüber Kritik – eine Vielzahl von weiteren Faktoren eine Rolle spielten, einschließlich ein Mangel an gelebten Werten im Unternehmen, eine ausgeprägte hierarchische Unternehmenskultur und eine konsequente Ausrichtung an einer Shareholdervalue-Philosophie. Hier liegen auch mögliche Ansatzpunkte für verantwortungsvolles Führungshandeln“, so Stahl, „ Beispielweise kann ein CEO, der Werte wie Integrität, soziale Verantwortung, und Sustainability vorlebt, sowie ein diverses Topmanagement Team, das die Bedürfnisse einer Vielzahl von Stakeholdergruppen kennt und bei strategischen Entscheidungen berücksichtigt, den notwendigen Kulturwandel nachhaltig im Unternehmen verankern und eine konsequente Ausrichtung an den post-2015 Sustainable Development Goals unterstützen“

Veranstaltungstipp: Am 15. November 2016 hält WU-Professor Günter Stahl auch im Rahmen der neuen Veranstaltungsserie WU matters.WU talks. die Wiener Vorlesung zum Thema „Von Strategen, Philanthropen und Psychopathen: Warum gute Manager korrupt werden.“

WU matters. WU talks.
Wiener Vorlesung & WU Best Paper Award


Wann: Dienstag, 15. November 2016 um 18:00 Uhr
Wo: Campus WU, Library & Learning Center, Festsaal 1
<link universitaet news-und-events events detail wiener-vorlesung-von-strategen-philanthropen-und-psychopathen-warum-gute-manager-korrupt-werden>Zur Website  

Pressekontakt:
Mag. Anna Maria Schwendinger
Presse-Referentin
Tel: + 43-1-31336-5478
E-Mail: anna.schwendinger@wu.ac.at

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