Welche Faktoren erhöhen die Spendenwahrscheinlichkeit?

01. Dezember 2021

Baris Pascal Güntürkün, Assistenzprofessor am Department für Marketing

Welche Faktoren erhöhen die Spendenwahrscheinlichkeit?

Das ist eine spannende Frage, mit der sich Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen bereits seit Jahrhunderten beschäftigen. Obwohl wir mit dem Wort Spende oft zuerst eine monetäre Zuwendung verbinden, kann eine Spende auch andere Formen annehmen.

Neben den 6,5 Millionen Menschen, die in Österreich im vergangenen Jahr ungefähr 750 Millionen € gespendet haben, haben sich 3,5 Millionen Menschen freiwillig für einen gemeinnützigen Zweck engagiert (Fundraising Verband Austria 2020), ca. 215.000 Menschen haben ihr Blut gespendet (Österreichisches Rotes Kreuz) und 250-300 Menschen haben sogar ein Stück von ihrer Leber oder eine Niere gespendet (IRODaT 2021). Hinzu kommen noch unzählige Tonnen an Sachspenden. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass bereits die Art der Spende, bzw. die damit verbundenen Kosten für die Spender*innen, einen großen Einfluss auf die Spendenwahrscheinlichkeit hat.

Individuelle Faktoren: Moralvorstellungen, Warm Glow und soziale Anerkennung

Um zu verstehen, warum Menschen spenden, müssen wir auf der Ebene des einzelnen Individuums beginnen. Hier sind insbesondere unsere familiär und gesellschaftlich geprägten Moralvorstellungen zentrale Faktoren, die bestimmen, wie wichtig und wie selbstverständlich es für uns ist, dass wir Notleidenden helfen und uns für das Gemeinwohl einsetzen. Ganz und gar selbstlos spenden Menschen jedoch meist nicht, da eine Spende immer auch einen positiven Effekt für den*die Spender*in hat. Sei es in der Form eines sogenannten warm glow, also eines wohligen Gefühls durch die eigene gute Tat, oder soziale Anerkennung von relevanten Mitmenschen. Es sind also sowohl intrinsische (z.B. persönliche Moralvorstellung) als auch extrinsische Motive (z.B. soziale Anerkennung), die uns zum Spenden bewegen.

Emotionalisierende Themen: Hunger, Obdachlosigkeit und Kinder

Was uns noch zum Spenden bewegt sind Themen, die uns besonders am Herzen liegen. Global gesehen sind dies Hunger und Obdachlosigkeit (13%), für Kinder und Jugendliche (12%) oder Gesundheitsversorgung für Notleidende (12%) (Global Trends in Giving Report 2020). Auch in Österreich gehen die meisten Spenden an Organisationen, die sich für diese Themen einsetzen, wobei in jüngster Zeit das Interesse an Tier- und Umweltschutz sowie Wissenschaftsförderung zugenommen hat (Fundraising Verband Austria 2020).

Hilfsorganisationen: Vertrauen durch Wirksamkeit und Transparenz

Für Hilfsorganisationen ist es wichtig, Vertrauen zu schaffen, dass die Spenden sinnvoll, wirksam und kosteneffizient eingesetzt werden. Gute Hilfsarbeit bei möglichst geringen Overheadkosten (Personal, Betriebskosten, etc.) zu realisieren, ist die eine Hälfte des Erfolgs. Die andere ist, dies auch gegenüber Spender*innen sichtbar und greifbar zu machen.

Identified Victim Effect

Menschen empfinden ihre Spende als wirksamer, wenn Hilfsorganisationen transparent darüber informieren, wie eine Spende eingesetzt werden soll. Dem Identified Victim Effect zufolge reagieren Spender*innen hier allerdings stärker auf die Darstellung von Einzelschicksalen als Zahlen zum Ausmaß des Leids. Das wecken von Mitleid und Emotionen ist entsprechend auch ein relevanter Faktor in der Spendenwerbung. Darüber hinaus steigt die wahrgenommene Wirksamkeit einer Spende und damit die Spendenwahrscheinlichkeit, wenn man Spender*innen durch sogenanntes Earmarking selbst auswählen lässt, für welches konkrete Projekt ihre Spende verwendet werden soll.

Wenig Information über die Tatsächliche Verwendung der Spende

Interessanterweise sind Hilfsorganisationen meist nur vor dem Eingang der Spende transparent, während über die tatsächliche Verwendung (mit Ausnahme von Patenschaften) meist nicht mehr so konkret informiert wird. Dies ist insofern erstaunlich, als dass globale Umfragen zeigen, dass 54-69% der weltweiten Spender*innen regelmäßiger spenden würden, wenn sie auch nach Eingang ihrer Spende mehr darüber erfahren würden, wie ihre konkrete Spende wirkt (Global Trends in Giving Report 2018). Eine seltene Ausnahme ist hier die Blutspendezentrale des Österreichischen Roten Kreuzes für Wien, NÖ und Burgenland, die seit 2016 erfolgreich Blutspender*innen darüber informiert, wann und in welchem Krankenhaus ihre konkrete Blutkonserve eingesetzt wurde.

Wie kann die Politik die Spendenwahrscheinlichkeit beeinflussen?

Auch die Politik kann durch geeignete Instrumente die Spendenwahrscheinlichkeit der Bevölkerung erhöhen. Hier sind zum einen ökonomische Anreizsysteme ein wirksames Instrument. In Österreich hat sich beispielsweise das Spendenvolumen seit der Einführung der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden im Jahr 2009 mehr als verdoppelt (Fundraising Verband Austria 2020).

opt-in versus opt-out Standard

Andererseits gibt es auch subtilere regulative Ansätze, bei denen die Menschen zu einem prosozialen Verhalten hin gestupst (Englisch: nudging) werden sollen. Dass ein kleiner nudge einen großen Effekt haben kann, zeigt sich im Vergleich der registrierten Organspenderzahlen zwischen Deutschland und Österreich. In Österreich sind 99,5% der Bevölkerung als postmortale Organspender registriert. In Deutschland sind es nur ca. 36%, obwohl Deutschland in den vergangenen Jahren viel mehr für Werbung ausgegeben hat. Der Grund für diesen deutlichen Unterschied ist eine unterschiedliche Standardeinstellung bei der Eintragung ins Organspende Register. Während in Deutschland ein opt-in Standard gilt, bei dem die Menschen standardmäßig keine Organspender*innen sind, bis sie sich aktiv registrieren, baut Österreich auf einen opt-out Standard, bei dem alle Menschen standardmäßig als registrierte Organspender*innen eingetragen sind, bis sie sich aktiv von der Liste streichen lassen. Durch die Vorauswahl eines prosozialeren Standards gibt es in Österreich dadurch signifikant mehr postmortale Organspenden.

Baris Pascal Güntürkün, Assistenzprofessor am Department für Marketing

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