Wie wird sich die Situation am Arbeitsmarkt coronabedingt langfristig entwickeln?

08. Februar 2021

Antwort von Thomas Grandner, Leiter des Instituts für Arbeitsmarktheorie und -politik.

Jürgen J.: Wie wird sich die Situation am Arbeitsmarkt coronabedingt langfristig entwickeln?

Aussagen über konkrete langfristige Auswirkungen sind sehr spekulativ. Trotzdem ein kurzer Versuch:

Mögliche Auswirkungen können in zwei Kategorien getrennt werden:

1. Änderungen in der Produktion

Hier ist vor allem die Digitalisierung zu erwähnen. Das sind keine neuen Phänomene, jedoch könnte die Digitalisierung, durch die Erfahrungen in der Corona Krise, in einigen Bereichen beschleunigt werden. Hier sind vor allem „Dienstleistungen“ (auch innerhalb von Produktionsbetrieben) betroffen, weniger die Produktion selbst. Neue Technologien der (digitalen) Kommunikation wurden in dieser Phase erprobt und haben sich rasch auch in Betrieben verbreitet, die diesen Bereich bisher noch nicht investiert hatten. Das bedeutet, es ist auch langfristig mit einem erhöhten Bedarf an Fachkräften im Bereich der digitalen Infrastruktur, aber auch in Bereichen wie Schulungen und ähnlichem, zu rechnen.

Home-Office ist nun in vielen Bereichen erprobt worden. Positive und auch negative Erfahrungen, die in dieser Krise damit gemacht wurden, werden in zukünftigen Arbeitsformen einfließen. Auch hier ist darauf zu verweisen, dass es diese Entwicklungen nicht erst seit der Corona Krise gibt, es jedoch zu rascheren Umsetzung kommen wird.

2. Änderung in der Güternachfrage

Die Corona Krise kann auch Änderungen in den Konsumwünschen auslösen, die sich dann auf den Arbeitsmarkt auswirken. Die Tourismus-Branche ist aktuell sehr stark von der Krise betroffen. Viele Betriebe werden im Laufe dieser Krise noch in Schwierigkeiten geraten. Die Betroffenheit ist sehr unterschiedlich, je nachdem wo und was in diesen Betrieben angeboten wird. Das könnte auch zu einer langfristigen Änderung der Strukturen in dieser Branche führen, womit unter Umständen auch langfristig die Preisverhältnisse in diesem Bereich geändert werden, was dann wieder zu veränderter Nachfrage führen könnte. Zum Beispiel könnte sich das Freizeitverhalten langfristig ändern, wobei ich das für weniger wahrscheinlich halte, falls die Pandemie tatsächlich ganz überwunden wird. Konferenztourismus und Geschäftsreisen könnten schwächer werden (hier gilt ähnliches wie bei der Digitalisierung). Das bedeutet, die Arbeitsmarktentwicklungen im Tourismusbereich, kurzfristig eine der am stärksten betroffenen Branchen, ist auch langfristig sehr schwer einzuschätzen und könnte unter Umständen negativ betroffen sein.

In diesen Abschnitt fällt auch der Bereich der Gesundheits- und Betreuungsberufe. Auch hier gibt es schon seit längerer Zeit eine erhöhte Nachfrage nach Arbeitskräften. Durch die Corona Krise ist in diesem Bereich der Bedarf an ganz unterschiedlich qualifizierten Fachkräften deutlich geworden. Diese Qualifizierungen benötigen Zeit und können nicht kurzfristig zur Verfügung gestellt werden. Daher benötigt man einen gewissen Bestand (nicht nur an Personal). Diese erhöhte Nachfrage sollte mittelfristig zu einem Lohnanstieg in diesem Bereich führen, wodurch auch mit einer Erhöhung des Angebots zu rechnen ist. Daher schätze ich die Entwicklung hier positiv ein.

Arbeitsmarktpolitik

Die Krise hat sicher auch Auswirkungen auf die Arbeitsmarktpolitik. Krisen sind immer Zeiten, in denen staatlichen Institutionen mehr Verantwortung zugeschoben wird und oft (zumindest kurzfristig) höhere Lösungskompetenz als privaten Institutionen zugetraut wird. Als Beispiel ist die Kurzarbeit zu sehen. Innerhalb von 12 Jahren ist dieses Instrument nun zum zweiten Mal flächendeckend (mit Erfolg) eingesetzt worden. Die Erfahrungen damit werden noch längere Zeit die Meinungen über Politikmaßnahmen bestimmen.  

Antwort von Thomas Grandner, Leiter des Instituts für Arbeitsmarkttheorie und -politik

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