Welche Wechselwirkungen ergeben sich aus Inflation und Zinsniveau?

08. September 2021

Antwort von Jesus Crespo Cuaresma, Vorstand des Instituts für Makroökonomie

Welche Wechselwirkungen ergeben sich aus Inflation und Zinsniveau?

In den letzten Jahren waren die Inflationsraten in entwickelten Ländern extrem niedrig. Mit dem vorläufigen Ausklang der COVID-19-Pandemie sind die Preise in Europa merklich gestiegen und die Inflationsrate im Euroraum beträgt derzeit 1,9 Prozent (Quelle: Eurostat). Diese Dynamik ist leicht erklärbar: Die Öffnungsschritte der europäischen Volkswirtschaften nach den pandemiebedingten Lockdowns haben gemeinsam mit den fiskalischen Impulsen der Regierungen durch Konjunkturpakete die aggregierte Nachfrage (Konsumnachfrage und Investitionen) signifikant erhöht.

Muss die Europäische Zentralbank reagieren? 

Viele Wirtschaftswissenschaftler*innen und Expert*innen in Zentralbanken halten diese gestiegene Inflation für vorübergehend und sehen keine Notwendigkeit für eine Reaktion der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB hat ein Inflationsziel von 2 Prozent, das symmetrisch ist, d.h. Abweichungen von diesem Ziel nach unten und nach oben soll gegengesteuert werden. Dieses Inflationsziel soll mittelfristig verstanden werden, d.h. das Mandat der EZB sieht keine Zinsreaktion seitens der Währungsbehörde vor, wenn die Inflationsrate nur temporär den Zielwert über- bzw. unterschreitet. Erwartungen über die zukünftige Preisdynamik sind also besonders wichtig für die Implementierung von geldpolitischen Maßnahmen. Da die EZB eine Inflationsrate von unter 2 Prozent für nächstes Jahr prognostiziert, wird eine Zinsreaktion seitens der Zentralbank in den kommenden Monaten nicht erwartet.

Kurzfristige versus langfristige Entwicklungen 

Falls die COVID-19-Pandemie langfristige, strukturelle Effekte auf das Konsumverhalten von Individuen hat, könnte sich die Inflationsdynamik in der Zukunft deutlich ändern und von den prognostizierten Werten abweichen. Eine kontinuierliche und strenge Beobachtung der Preisentwicklung mit Hilfe von ökonometrischen Modellen ist also notwendig, um eine wirksame Reaktion der EZB sicherzustellen, sollte der inflationäre Druck zu hoch werden. Der niedrige Zinssatz ermöglicht in diesem Fall einen breiten Handlungsspielraum für Zinserhöhungen seitens der EZB.

Antwort von Jesus Crespo Cuarema, Vorstand des Instituts für Makroökonomie

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