Hintere Außenansicht des D2 Gebäudes

Episodische Bürger:innenschaft, Reputation und Stereotype

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Dieses Projekt wird vom Wissenschaftsfonds (FWF), Projektnummer P36098-G, gefördert und setzt an der Schnittstelle von zwei Trends an. Zum einen haben sich in den letzten drei Jahrzehnten die Veränderungen im Management des öffentlichen Sektors auf die Einführung effizienterer und effektiverer öffentlicher Dienstleistungen ausgerichtet. Eine der grundlegenden Konsequenzen ist, dass die Organisation der öffentlichen Dienste zunehmend durch Netzwerke separater Agenturen statt durch große monolithische Bürokratien strukturiert wurde. Ein höheres Maß an Abgrenzung und Unabhängigkeit der Behörden wird daher als Lösung zur Gewährleistung größerer Effizienz und Effektivität angesehen. Diese stärkere Abgrenzung und organisatorische Unabhängigkeit der Behörden hat zur Folge, dass diese Organisationen, die öffentliche Dienstleistungen erbringen, stärker als eigenständige Einheiten erkennbar sind. Dies hat dazu geführt, dass sie bei den Bürger:innen und anderen Organisationen, die öffentliche Dienstleistungen erbringen, sowie bei politischen Entscheidungsträgern und Unternehmen einen eigenen Ruf erworben haben.

Zum anderen hat sich der Lebensstil in den modernen Gesellschaften wesentlich zu einer reflektierten Lebensweise entwickelt, bei der der/die Einzelne ständig mit einer Fülle von Wahlmöglichkeiten konfrontiert wird. So können wir als Kunde:innen beispielsweise ständig zwischen verschiedenen Versionen ähnlicher Produkte und Dienstleistungen wählen, die unseren persönlichen Bedürfnissen und Vorlieben am besten entsprechen. Als Arbeitnehmer:in hat die Flexibilität bei der Berufswahl innerhalb und über die Grenzen von Unternehmen hinweg zugenommen, mit mehr internationaler Mobilität, angepassten Work-Life-Balance-Programmen und Möglichkeiten für lebenslanges Lernen. Und, was für den Kontext dieses Projekts am wichtigsten ist, als Bürger:in wurde eine größere Bandbreite an Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung geschaffen. Infolgedessen gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, sich sozial einzubringen und seine Überzeugungen zu zeigen, vom Slacktivismus in den sozialen Medien über projektbasiertes Engagement in einmaligen Kampagnen bis hin zur direkten Beteiligung an der Entscheidungsfindung und an der Koproduktion öffentlicher Dienstleistungen.

Die Kombination dieser beiden Trends hat dazu geführt, dass die Interaktionen zwischen Bürger:innen und öffentlichen Einrichtungen unbeständiger oder "episodisch" sind. Das bedeutet, dass die moderne Beziehung zwischen Bürger:innen und Bürokratie als eine Abfolge vieler Entscheidungen betrachtet werden kann, die entweder von einer öffentlichen Einrichtung oder einem:r Bürger:in initiiert und/oder durch eine externe kontextuelle Veränderung ausgelöst werden. Ein episodisches Entscheidungsereignis kann somit als eine Situation aus einer Reihe von mehreren Ereignissen definiert werden, in der ein:e Bürger:in eine Wahl gegenüber einer bestimmten öffentlichen Organisation treffen muss, wobei diese Wahl dazu dienen soll, die Erfüllung der Bedürfnisse und Präferenzen der Bürgerin oder des Bürgers zu verbessern.

Vor diesem Hintergrund erforschen wir in diesem Projekt, wie die Reputation von öffentlichen Organisationen sowie Stereotypen über die in diesen Organisationen arbeitenden Menschen eine Rolle in episodischen Interaktionen zwischen Bürger:innen und öffentlichen Organisationen spielen. In unseren konkreten Arbeitspaketen verfolgen wir einen gemischten Methodenansatz und zielen darauf ab, Erkenntnisse zu gewinnen, die sowohl für die wissenschaftliche Debatte als auch für die Formulierung praktischer Empfehlungen für politische Entscheidungsträger und Manager des öffentlichen Sektors relevant sind.
 

Projektpublikationen

  • Dinhof, K., & Willems, J. 2023, The odd woman out: An (in)congruity analysis of gender stereotyping in gender-dominant public sector professions. Public Administration Review. DOI: 10.1111/puar.13703
    An audio summary - PMG recording is available for this study here.

  • Dinhof, K., Sheeling, N., Bertram, I., Bouwman, R., de Boer, N., Szydlowski, G., Willems, J. & Tummers, L. 2023. The threat of appearing lazy, inefficient, and slow? Stereotype threat in the public sector, Public Management Review, DOI: 10.1080/14719037.2023.2229326
    An audio summary - PMG recording is available for this study here.
      



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Frühere Studien, die zur Ausarbeitung des Projektantrags führten

  • Döring, M., & Willems, J. 2021. Processing Stereotypes: Professionalism confirmed or disconfirmed by sector affiliation? International Public Management Journal.  DOI: 10.1080/10967494.2021.1971125

  • Willems, J. (2020). Public servant stereotypes: It is not (at) all about being lazy, greedy, and corrupt. Public Administration, 98(4), 807-823. DOI: 10.1111/padm.12686

  • Willems, J. (2020). Citizens’ attitudes towards the public sector, public servants, and politicians – Development and validation of practical survey scales. OSF Preprints. DOI: 10.31219/osf.io/rnjua

  • Willems, J., Faulk, L., & Boenigk, S. (2021). Reputation shocks and recovery in public-serving organizations: The moderating effect of mission valence. Journal of Public Administration Research and Theory. 31(2), 311-327.  DOI: 10.1093/jopart/muaa041

  • Willems, J., & Ingerfurth, S. (2018). The quality perception gap between employees and patients in hospitals. Health Care Management Review. 43(2): 157-167. DOI: 10.1097/HMR.0000000000000137

  • Willems, J., Waldner, C. J., & Ronquillo, J. C. (2019). Reputation star society: Are star ratings consulted as substitute or complementary information? Decision Support Systems, 124(113080). DOI:  10.1016/j.dss.2019.113080

  • Willems, J., Waldner, C. J., & Vogel, D. (2019). Reputation spillover effects from grant-providing institutions. Nonprofit & Management Leadership, 30(1), 9–30. DOI: 10.1002/nml.21357
     

Open Access

Daten aus den Arbeitspaketen dieses Projekts sowie Daten aus verwandten Projekten finden Sie hier.