NPO-Institut (Verein)

npoInterview mit Werner Kerschbaum

In den Newslettern von npoAustria habe ich in den vergangenen Jahren unter der Rubrik  'Alt, aber gut' Klassiker aus der Managementliteratur vorgestellt.

Nun geht es aber um aktuellere Themen, denn für die vielen Leser:innen des Newsletters von npoAustria ist es natürlich auch interessant, Einblicke in die Arbeits- und Gedankenwelt von Spitzenvertreter:innen des gemeinnützigen Sektors zu bekommen.

Diesmal gibt uns Frau Mag.a Manuela Vollman, die Ehre. Sie ist Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA, einer Social-Profit-Organisation zur Förderung von Arbeit (A), Bildung (B) und Zukunft (Z), die auf gesellschaftlichen Nutzen ausgerichtet ist und das Ziel hat, Win-win-Situationen für alle zu schaffen. Rund 200 Mitarbeiter*innen engagieren sich in vier Bundesländern für die Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt, in der Wirtschaft und in der Bildung.
 
Frau Mag.a Vollmann besuchte von 1980 bis 1982 die Pädagogische Akademie Graz-Eggenberg in Graz, an der sie die Lehramtsprüfung zur Volksschullehrerin ablegte. Von 1982 bis 1988 studierte Vollmann Pädagogik an der Karl-Franzens-Universität Graz und an der Universität Wien mit den Schwerpunkten Schulpädagogik, Erwachsenenbildung und der Fächerkombination Feministische Wissenschaft und Frauenforschung. Sie schloss ihr Studium 1988 mit dem Magister der Philosophie ab.

Nach ihrer Ausbildung 1988 hielt Vollmann Akademikerinnentrainings für den Verein EFEU und war bis 1989 Forschungsbeauftragte des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung im Bereich der Frauenforschung. Von 1989 bis 1991 war Vollmann im Rahmen des Hochschullehrgangs für Politische Bildung für Lehrer als wissenschaftliche Assistentin am Interdisziplinären Institut für Forschung und Fortbildung (IFF) in Wien tätig. 1991 wurde sie mit der inhaltlichen und organisatorischen Konzeption von einem Arbeitsmarktprojekt mit zwölf Unternehmen betraut. Daraus folgte 1992 die Gründung des Non-Profit-Unternehmens ABZ*AUSTRIA; in der Folge übernahm Frau Mag.a Vollmann die Geschäftsführung und den Vorstandsvorsitz des Vereins.

 
Und nun zum Interview:

1. Fragen zum gemeinnützigen Sektor

 
Was war für Sie die wichtigste/wirkungsstärkste Entwicklung der letzten Jahre im gemeinnützigen Sektor?

Positiv hervorzuheben ist, dass der zivilgesellschaftliche Sektor in den letzten Jahren eine gestiegene gesellschaftliche und politische Anerkennung erfahren hat, sowohl seitens staatlicher Institutionen als auch von Seiten der Bürger*innen. Trotz vielfältiger Herausforderungen ist es gelungen, die Sichtbarkeit und Relevanz des gemeinnützigen Engagements aufrechtzuerhalten. Zivilgesellschaftliche Organisationen leisten einen wichtigen Beitrag zum demokratischen Zusammenhalt und wirken als Stabilitätsanker in unserer Gesellschaft.

Auf der anderen Seite beobachten wir eine zunehmende Ökonomisierung des gesamten gesellschaftlichen Gefüges, die auch vor der Zivilgesellschaft nicht Halt macht. Insbesondere im arbeitsmarktpolitischen Bereich geraten gemeinnützige Organisationen zunehmend in Konkurrenz zu profitorientierten Unternehmen. Dieser Wettbewerb verschiebt sich leider immer stärker vom Qualitäts- hin zu einem reinen Preiswettbewerb. Wir scheuen den Wettbewerb grundsätzlich nicht - im Gegenteil: Wettbewerb kann Innovation fördern. Doch wenn ausschließlich die niedrigsten Kosten zählen, gefährdet das langfristig Qualität, Motivation und Wirkung unserer Arbeit. 

Welche Risiken/Chancen sehen Sie für den NPO-Sektor in der Zukunft?

Ein zentrales Risiko liegt in der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Schwerpunktsetzung vieler Staaten – insbesondere in der verstärkten Investition in Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit. Diese Entwicklung birgt die Gefahr einer Umverteilung öffentlicher Mittel zulasten sozialer Infrastrukturen. Sicherheit wird dabei häufig zu eng gedacht: Echte gesellschaftliche Sicherheit umfasst auch soziale Absicherung, Teilhabechancen und Chancengerechtigkeit.

Wenn Programme in den Bereichen Bildung, sozialer Zusammenhalt oder Inklusion gekürzt oder ganz gestrichen werden, stehen viele zivilgesellschaftliche Organisationen vor der Herausforderung, ihre Aufgaben nicht mehr in gewohnter Qualität oder Reichweite erfüllen zu können. Auch wichtige Themen wie die Bekämpfung des Gender Pay Gap oder Gender Pension Gap geraten damit unter Druck, obwohl sie zentrale Indikatoren für eine gerechte und zukunftsfähige Gesellschaft sind (Referenz: https://www.profil.at/meinung/krisenpolitik-mit-nebenwirkungen/403043958).

Gleichzeitig sehe ich aber auch wichtige Chancen: Die Zusammenarbeit zwischen Politik und Zivilgesellschaft hat in den letzten Jahren an Substanz gewonnen – und das Potenzial für echte, wirkungsorientierte Kooperationen ist groß. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind häufig Ursprung technischer und sozialer Innovationen, gerade weil sie nah an den Menschen arbeiten und flexibel auf neue Bedarfe reagieren können. Darüber hinaus trägt die zunehmende Gleichstellungsorientierung in vielen Bereichen zu einer gerechteren, inklusiveren Gesellschaft bei - und hier hat der gemeinnützige Sektor eine zentrale Rolle als Gestalter und Treiber von Veränderung.

 
Wenn Sie für einen Tag alle Möglichkeiten hätten - zum Beispiel als verantwortliche Ministerin oder Bundeskanzlerin - welche Maßnahmen würden Sie jedenfalls umsetzen?

Ich würde gezielt in Bildung investieren - und zwar in allen Bereichen und auf allen Ebenen. Konkret bedeutet das:

  • Quantitativer und qualitativer Ausbau der Elementarpädagogik: Frühkindliche Bildung ist entscheidend für Chancengleichheit und den langfristigen Bildungserfolg. Deshalb würde ich mehr pädagogisches Personal ausbilden, besser bezahlen und die Betreuungsschlüssel verbessern. Gleichzeitig würde ich die Inhalte stärken, etwa durch spielerische Sprachförderung, kreative Entwicklung und soziales Lernen.

  • Gezielte Mittel für Gesamtschulen bis zum Pflichtschulabschluss: Schulen sollen nicht mehr durch ihre Struktur selektieren, sondern stärkenorientiert fördern. Deshalb würde ich Gesamtschulen mit ausreichend finanziellen und personellen Ressourcen ausstatten...für individuelle Förderung, Ganztagsangebote und moderne Infrastruktur.

  • Förderung sozialer Innovationen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik: Die Arbeitswelt braucht kreative, inklusive und nachhaltige Lösungen.

  • Stärkung technischer und sozialer Innovation: Technologischer Fortschritt darf nicht Selbstzweck sein. Ich würde Innovation ganzheitlich denken, also auch soziale Fragen einbeziehen, etwa wie Technik unser Zusammenleben verändert oder wer Zugang dazu hat.

  • Technologische Bildung und Reflexionskompetenz fördern: Bildung zur Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz muss nicht nur technisches Know-how vermitteln, sondern auch ethische und gesellschaftliche Fragen aufwerfen. Ziel ist eine reflektierte Gesellschaft, die nicht nur mit Technik umgehen kann, sondern auch kritisch mit ihr denkt.

 
 
 

2. Fragen zur eigenen Organisation

 
Was ist Ihrer Organisation in der jüngeren Vergangenheit besonders gut gelungen?

Unsere Organisation hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie auch unter schwierigen Rahmenbedingungen innovationsfähig, flexibel und zugleich gesellschaftlich wirksam agieren kann. Gerade in herausfordernden Zeiten – sei es durch Krisen, strukturelle Umbrüche oder sich wandelnde Anforderungen – gelingt es uns, am Puls der Zeit zu bleiben und zukunftsweisende Angebote zu entwickeln.

Ein Beispiel dafür ist die Würdigung im Rahmen des Staatspreises für Erwachsenenbildung 2017: In der Laudatio wurde nicht nur unser konkretes Projekt gelobt, sondern auch die Haltung, mit der wir Bildungsarbeit gestalten – engagiert, innovativ und gesellschaftlich relevant. Solche Auszeichnungen sind für uns keine Endpunkte, sondern Bestätigungen dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Besonders stolz sind wir darauf, wie ABZ*AUSTRIA immer wieder Impulse setzt, etwa in der Verbindung von Bildung, Arbeitsmarktintegration und Gleichstellung. Unser Ansatz ist es, nicht nur auf bestehende Entwicklungen zu reagieren, sondern aktiv mitzugestalten – mit einem klaren Blick auf soziale Gerechtigkeit, technologische Veränderungen und die Bedürfnisse der Menschen, insbesondere Frauen.

  
Welche Themen/Schwerpunkte werden in nächster Zukunft in Ihrer Organisation eine besonders hohe Priorität genießen?

  • Digitale Teilhabe für Frauen stärken: Wir fördern gezielt digitale Grundkompetenzen bei Frauen – mit dem Ziel, ihnen einen sicheren Zugang zu neuen Berufsfeldern und digitalen Entwicklungen zu ermöglichen. Digitalisierung muss inklusiv gestaltet sein, um bestehende Ungleichheiten nicht zu verschärfen.

  • Pflege geschlechtergerecht gestalten: Pflegearbeit – ob in Familien oder im Beruf – ist zentral für unsere Gesellschaft, aber nach wie vor zwischen den Geschlechtern ungleich verteilt und oft unterbewertet. Wir setzen uns für faire Rahmenbedingungen, bessere Entlohnung und geschlechtergerechte Verteilung von Pflegeverantwortung ein.

  • Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und Abbau von Ungleichheiten: Ein offener Arbeitsmarkt für Geflüchtete ist nicht nur humanitär geboten, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Wir arbeiten an fairen Integrationschancen – mit Fokus auf Frauen – und an konkreten Maßnahmen zur Schließung des Gender Pay Gaps und Pension Gaps.

  • Chancengleichheit in der ökologischen Transformation: Zukunftsbranchen wie die Kreislaufwirtschaft bieten neue Möglichkeiten – wir setzen uns dafür ein, dass Frauen von diesen Entwicklungen aktiv profitieren (Green Jobs). Dafür braucht es gezielte Qualifizierungsmaßnahmen und eine gendersensible Innovations- und Arbeitsmarktpolitik.

Wie würden Sie die Schlüsselkompetenzen/Alleinstellungsmerkmale Ihrer Organisation definieren?

Unsere Organisation ist das größte Frauenunternehmen auf EU-Ebene, mit einem klaren, seit der Gründung unveränderten Ziel: Gleichstellung in Arbeit, Bildung und Wirtschaft. Diese konsequente Mission bildet das Fundament all unserer Aktivitäten – strategisch, operativ und gesellschaftspolitisch.

Was uns besonders auszeichnet:

  • Klare Ausrichtung und politische Unabhängigkeit: Wir arbeiten überparteilich und unabhängig. Und genau das verschafft uns Glaubwürdigkeit und Handlungsspielraum. Unsere Positionierung ist klar: Wir stehen für strukturelle Gleichstellung und machen sie zum Leitprinzip unserer Programme, Kooperationen und strategischen Allianzen.

  • Frauen in Führungsrollen – auch intern gelebt: Unsere Organisation wird nicht nur inhaltlich von Gleichstellung getragen – sie ist auch strukturell verankert: Frauen in Führungspositionen sind bei uns selbstverständlich. Damit leben wir, was wir nach außen vertreten, und sind Vorbild für eine neue Führungskultur.

  • Interdisziplinärer Zugang und starke Partnerschaften: Wir arbeiten an der Schnittstelle von Bildung, Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Sozialpolitik – und tun das in enger Kooperation mit Partner:innen aus Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Diese interdisziplinäre Herangehensweise macht unsere Lösungen wirksam, anschlussfähig und nachhaltig.

Unsere Stärke liegt in der Verbindung von Vision, Praxisnähe und Strukturveränderung, das macht uns zu einem unverzichtbaren Akteur in der Gleichstellungsarbeit, national wie international.
 
Was sind die zentralen Werte in Ihrer Organisation?

Unsere Organisation basiert auf klaren, gelebten Werten, die alle unsere Aktivitäten leiten, intern wie extern. Diese Werte sind nicht abstrakt, sondern in der täglichen Arbeit spürbar und strukturell verankert. Sie sind über viele Jahre gewachsen

Im Zentrum steht für uns die Überzeugung: Gleichstellung ist kein Randthema – sie ist ein wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und demokratiepolitischer Kernwert.

Unsere Mission lautet daher: Mehr ökonomische Gleichstellung von Frauen.

Denn wirtschaftliche Unabhängigkeit ist eine zentrale Voraussetzung für echte Teilhabe und Selbstbestimmung. Um dieses Ziel zu erreichen, setzen wir auf drei zentrale Prinzipien:

  • Vernetzung: Wir bringen Akteur:innen aus unterschiedlichsten Sektoren zusammen, aus Wirtschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Unsere Stärke liegt im Dialog auf Augenhöhe und in der Fähigkeit, gemeinsame Ziele trotz unterschiedlicher Perspektiven zu formulieren und umzusetzen.

  • Kooperation: Wir arbeiten lösungsorientiert und partnerschaftlich – sowohl auf betrieblicher Ebene als auch in politischen, institutionellen und zivilgesellschaftlichen Kontexten. Denn Gleichstellung gelingt nur im Zusammenspiel vieler.

  • Missionarbeit mit Haltung: Unsere Arbeit ist sinnorientiert, fundiert und strategisch. Wir verbinden fachliche Tiefe mit gesellschaftlicher Verantwortung und schaffen dadurch Räume für nachhaltige Veränderung. Der Gleichstellungsrat (www.gleichstellungsrat.at) ist ein sichtbarer Ausdruck dieser Haltung: ein Forum für Austausch, Strategie und gemeinsame Wirkung.

Gleichstellung ist für uns kein Projekt – sie ist ein Prozess, der Kompetenz, Ausdauer und vor allem gemeinsame Werte braucht.

Wenn jemand Fremder zum ersten Mal in Ihre Organisation kommt, was würde ihm besonders auffallen?

Was Besucher:innen sofort auffällt: Die Präsenz von Frauen auf allen Ebenen.

Egal ob in der Geschäftsführung, im Projektmanagement, in der Beratung oder in der Verwaltung...Frauen prägen unsere Organisation sichtbar und spürbar. Führung ist bei uns weiblich, vielfältig und nahbar.

Diese gelebte Gleichstellung ist kein Zufall, sondern Ausdruck unserer Haltung: Wir stehen für echte Chancengleichheit - nicht nur nach außen, sondern auch intern. Dabei verbinden wir Fachkompetenz mit gesellschaftlichem Engagement und zeigen, dass Gleichstellung nicht nur ein Ziel, sondern gelebte Realität sein kann.

 
 
 

3. Fragen zur Person/Steckbrief

 
Von wem haben Sie am meisten gelernt?

Ich habe von sehr unterschiedlichen Menschen in meinem Leben viel gelernt – und jeder dieser Lernprozesse hat mich auf seine Weise geprägt.

Von meiner Mutter habe ich früh mitbekommen, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen, dranzubleiben. Sie hat mir gezeigt, dass Haltung und Durchhaltevermögen zentrale Ressourcen sind, besonders für Frauen.

Von meinen Kolleginnen habe ich gelernt, wie wertvoll gegenseitige Unterstützung, Solidarität und kollektive Intelligenz sind. Die Arbeit im Team, das gemeinsame Ringen um Lösungen, das Lernen voneinander – all das hat mich beruflich wie persönlich weitergebracht.

An der Universität hatte ich einen männlichen Mentor, der mir intellektuell viel zugetraut und mich zugleich gefordert hat. Er hat mir gezeigt, wie wichtig kritisches Denken, Präzision und Offenheit gegenüber neuen Perspektiven sind – unabhängig von Geschlecht oder Position.

Und nicht zuletzt: Meine Töchter lehren mich täglich, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Sie stellen Fragen, die ich mir selbst nicht mehr gestellt hätte, und fordern mich heraus, dran zu bleiben... an einer Zukunft, die gerechter, mutiger und vielfältiger sein soll.


Welches Buch oder welchen Film empfehlen Sie den Leser:innen des npoAustria Newsletter?

Buch: Doris Lessing - Das goldene Notizbuch (1962)
Film: Der Teufel trägt Prada (2006)

 
Was regt Sie besonders auf?

Ungerechtigkeit & Unprofessionalität 
 
Womit können andere Menschen Ihnen eine Freude bereiten?

Blumen, wunderbare & gute Gespräche 
 
Wenn Sie nur noch kurze Zeit zum Leben hätten, was möchten Sie jedenfalls noch erledigen?

Von den wichtigsten Menschen verabschieden und vor allem mit den Töchtern gut in die Zukunft schauen.

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen geben, die ihr Berufsleben gerade starten?

Sei mutig, mach das was du machen willst, denke quer und lass dich nicht in ein Modell drücken. 

Was ist Ihr persönliches Lebensmotto bzw. Ihr Leitspruch?

Mit beiden Beinen auf der Erde und mit dem Kopf im Himmel ;)