NPO-Institut (Verein)

Systemtheorie und die Praxisrelevanz von systemischen Fragen

Systemische Fragen

Geschätzte Leserinnen und Leser, 

wie im vorausgegangenen Newsletter angekündigt will ich in dieser Ausgabe unter der Rubrik "Alt aber gut " einen Ausflug in die Systemtheorie machen und auf die Praxisrelevanz von systemischen Fragen hinweisen.

Vorab ein paar kursorische Bemerkungen zur Systemtheorie und ihrer Anwendung im Managementbereich.

Systemisches Management verstehe ich als Steuerungsaufgabe von komplexen und dynamischen Systemen. Heinz von Foerster spricht in diesem Zusammenhang von „nicht trivialen Maschinen/Systemen“, wie zum Beispiel Unternehmen, Organisationen und Menschen, die sich durch Autonomie und Eigengesetzlichkeit auszeichnen.

Steuerungsversuche dieser in sich  „geschlossen“ Systeme unterliegen keiner vorhersehbaren Input – Output Logik, d.h. ähnliche oder gleichartige Interventionen in diese sich selbst herstellenden Systeme (Autopoiesis) können zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Zentrale Bedeutung im systemischen Verständnis von Organisationen hat der Kommunikationsbegriff im Sinne von „Kommunikation ist das, was ankommt beziehungsweise anschlussfähig ist“.
 
Systemische Fragen können hilfreich sein beim Management von Komplexität. Sie können Zusammenhänge aufdecken, Denkblockaden lösen, unterschiedliche Perspektiven aufzeigen und überraschende Lösungen generieren helfen.

 
Nachstehend einige Beispiele für systemische Fragen, die ich im Rahmen meiner Managementtätigkeit als Coach, Mentor, Vorgesetzter und Projektleiter hilfreich erlebt habe.

1) Zirkuläre Fragen

Solche Fragestellungen helfen den eigenen Standpunkt zu verlassen, neue Perspektiven einzunehmen und sich in die Lage eines Anderen zu versetzen

  • was würde ein guter Freund, die Großmutter oder die Mitarbeiterin am Empfang darüber denken beziehungsweise dazu sagen oder ihnen raten?

  • wie würden Kolleginnen aus anderen Bereichen der Organisation die Situation beschreiben?

  • worüber reden jene Mitarbeiterrinnen, die die Organisation verlassen wollen – und was sagen jene, die schon lange dabei sind über die, die jetzt gehen?

  • wer in der Organisation beurteilt das zu Diskussion stehende Problem gänzlich anders?

2) Skalierungsfragen

Mit diesen Fragen lässt sich sowohl die Komplexität einer Situation temporär reduzieren als auch die empfundene Grösse eines Problems relativieren und der Sachverhalt verdeutlichen.

  • wie groß ist das gegenständliche Problem auf einer Skala von eins (gering) bis zehn (riesig)?

  • wie geht es Ihnen persönlich auf einer Skala von eins (sehr schlecht) bis zehn (bestens)

  • welche konkrete Maßnahme würde sie auf dieser Skala deutlich nach oben bringen?

3) Lösungsorientierte Fragen

Diese Fragen können helfen die Aufmerksamkeit auf mögliche Lösungen und dafür vorhandene Ressourcen zu lenken und Dinge zu fokussieren, die funktionieren.

  • was ist in der gegenständlichen Situation besonders hilfreich und was weniger?

  • was ist für den Erfolg besonders wichtig?

  • woran merken Sie, dass sie auf dem richtigen Weg sind?

  • woran würden sie merken, dass es das Problem nicht mehr gibt? 

  • worauf ist das Team besonders stolz?

  • was liegt Ihnen persönlich besonders am Herzen?

4) Hypothetische Fragen/Wunderfragen

Hypothetische Fragestellungen können dabei helfen bestimmte Szenarien gedanklich durchzuspielen, imitierende Faktoren auszuschalten und kreative Energie freizusetzen

  • welche Veränderung würde den größten Widerstand in der Organisation auslösen?

  • was würden Sie tun, wenn sie keine Angst vor dem Scheitern hätten?

  • wie würden Sie die Situation anhand einer Metapher beschreiben und wie schaut diese Metapher aus, wenn das Vorhaben erfolgreich ist (woran erkennen Sie, dass das Problem gelöst ist)?

  • nehmen Sie an sie hätten unbegrenztes Budget, was würden Sie machen?

  • nehmen Sie an die Märchenfee würde Ihnen drei Wünsche erfüllen – welche wären das?

5) Paradoxe Fragen

Paradoxe Fragen zielen darauf ab, die Situation zunächst gedanklich zu verschlimmern und dadurch Lösungen zu generieren

  • was ist das Gute im Schlechten?

  • wie ließe sich das Problem verstärken beziehungsweise das Projekt zum Scheitern bringen?

  • was funktioniert auf keinen Fall?

Literaturliste

Rolf Dobelli, Wer bin ich? (Indiskrete Fragen); Diogenes Verlag, Zürich

Frank Boos/Gerald Mitterer, Einführung in das systemische Management; Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2014

Fritz.B.Simon, Einführung in die systemische Organisationstheorie, Carl-Auer Verlag, Heidelberg, 2007