NPO-Institut (Verein)

npoInterview mit Werner Kerschbaum

In den Newslettern von npoAustria habe ich in den vergangenen Jahren unter der Rubrik  'Alt, aber gut' Klassiker aus der Managementliteratur vorgestellt.

Nun geht es aber um aktuellere Themen, denn für die vielen Leser:innen des Newsletters von npoAustria ist es natürlich auch interessant, Einblicke in die Arbeits- und Gedankenwelt von Spitzenvertreter:innen des gemeinnützigen Sektors zu bekommen.

Stefan Wallner

© Elisabeth Mandl

Diesmal gibt uns Stefan Wallner, die Ehre. Er ist Geschäftsführer des BÜNDNIS FÜR GEMEINNÜTZIGKEIT, der Interessenvertretung des gemeinnützigen Sektors und der Freiwilligenorganisationen. 

Stefan Wallner schloss Studien der Politikwissenschaft und der Geschichte an der Universität Wien ab. Dazu studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Graz.

Er engagierte sich schon früh für die Allgemeinheit und war 1992/93 Generalsekretär der Katholischen Hochschuljugend sowie 1995 bis 1998 wissenschaftlicher Projektmitarbeiter im Themenbereich Sozialpolitik bei der Julius-Raab-Stiftung.

Nach dem Zivildienst 1996/97 bei der Caritas blieb er dort und war als Sozialexperte tätig. Von 1999 bis 2009 war er Generalsekretär der Caritas Österreich.

Am 4. Dezember 2009 wurde Wallner im Erweiterten Bundesvorstand der Grünen zu deren Bundesgeschäftsführer gewählt und blieb dies bis 2016. Von 2017 bis Februar 2020 leitete er den Bereich Brand Management and Company Transformation der Erste Group. Danach war er zu Beginn der Coronapandemie von März 2020 bis Mai 2020 Generalsekretär im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Mit Juni 2020 übernahm er die Funktion des Kabinettschefs im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. Von Juni bis Dezember 2022 koordinierte Stefan Wallner die Ukraine-Hilfe für Nachbar in Not und kehrte damit zu seinen Wurzeln im NGO-Bereich zurück.

Seit Anfang 2023 ist er für das Bündnis für Gemeinnützigkeit tätig.

 
Und nun zum Interview:

1. Fragen zum gemeinnützigen Sektor

 
Was war für Sie die wichtigste/wirkungsstärkste Entwicklung der letzten Jahre im gemeinnützigen Sektor?

Wichtige Fundamente, auf denen die Arbeit und der Aufstieg der gemeinnützigen Organisationen aufgebaut wurde, erodieren oder werden angegriffen (liberale Demokratie, gesellschaftlicher Zusammenhalt, unabhängiger Journalismus). Wir müssen uns selbst stärker um die Fundamente unserer Existenz und Arbeit kümmern, wenn wir wirksam bleiben wollen. 
 

Welche Risiken/Chancen sehen Sie für den NPO-Sektor in der Zukunft?

Chancen: Die Chance ist, dass es vielleicht seit unserer Gründung (es gab ja immer einen starken Gründungsimpuls) nie mehr so wichtig war, dass es uns gibt und wir wirksam sind, wie gerade jetzt.

Risiken: Das Risiko ist die auf Binnendifferenzierung ausgerichtete Selbstbezüglichkeit; sie führt direkte in die Irrelevanz.
 
Wenn Sie für einen Tag alle Möglichkeiten hätten - zum Beispiel als verantwortlicher Minister oder Bundeskanzler - welche Maßnahmen würden Sie jedenfalls umsetzen?

Die Macht mit 'Checks and Balances' nachhaltig rechtlich so verteilen, dass sie in Zukunft möglichst wenig mißbrauchbar ist.
 
 
 

2. Fragen zur eigenen Organisation

 
Was ist Ihrer Organisation in der jüngeren Vergangenheit besonders gut gelungen?

Das Gemeinnützigkeitspaket mit der Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit auf alle gemeinnützigen Organisationen.
  
Welche drei Themen/Schwerpunkte werden in nächster Zukunft in Ihrer Organisation eine besonders hohe Priorität genießen?

  • Nachhaltige Finanzierung des gemeinnützigen Sektors und der Freiwilligenorganisationen.

  • Starke Interessenvertretung und Stärkung der einzelnen Mitgliedsdachverbände des Bündnisses gegenüber der kommenden Regierung.

  • Stärkung und Absicherung des unabhängigen Journalismus. 

Wie würden Sie die Schlüsselkompetenzen/Alleinstellungsmerkmale Ihrer Organisation definieren?

Breite des gesamten Sektors in einer Interessenvertretung ist europaweit einmalig und erhöht Wirksamkeit und stärkt Austausch und Lernen voneinander. 
 
Was sind die zentralen Werte in Ihrer Organisation?

Gemeinwohlorientierung; der Einsatz für ein gutes Leben, eine intakte Umwelt sowie Klima- und Naturschutz, um die Lebensgrundlagen für alle Menschen in Österreich und darüber hinaus, sowie für künftige Generationen zu erhalten und zu verbessern; das Bekenntnis zu einer lebendigen, partizipativen Demokratie; das Eintreten für eine Gesellschaft, in der Inklusion, Teilhabe am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben, Antidiskriminierung, Minderheitenschutz sowie Geschlechtergerechtigkeit gelebte Realität sind; die Achtung der Menschenwürde und der Einsatz für die gleichen, unveräußerlichen Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle. (Charta des Bündnis für Gemeinnützigkeit) 
 

Wenn jemand Fremder zum ersten Mal in Ihre Organisation kommt, was würde ihm besonders auffallen?

Vielfalt und Breite des gesamten Sektors. 
 
 
 

3. Fragen zur Person/Steckbrief

 
Von wem haben Sie am meisten gelernt?

Von Menschen, die in ihrer Klarheit, Furchtlosigkeit und Menschenliebe Vorbild waren und die an mich geglaubt haben.

Welches Buch oder welchen Film empfehlen Sie den Leser:innen des npoAustria Newsletter?

Anne Applebaum: Autocracy. Inc., Doubleday, 2024 (ISBN-13: 978-0385549936) bzw. Die Achse der Autokraten, Siedler Verlag, 2024 (ISBN-13: 978-3827501769)
 
Was regt Sie besonders auf?

Wenn nix weitergeht.
 
Womit können andere Menschen Ihnen eine Freude bereiten?

Mit einer Schitour oder guter Musik.
 
Wenn Sie nur noch kurze Zeit zum Leben hätten, was möchten Sie jedenfalls noch erledigen?

Ganz ehrlich – viel Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen.
 

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen geben, die ihr Berufsleben gerade starten?

Riskier dich selbst immer wieder. Lernen und wachsen können wir nur durch Fehler und Veränderung - von uns selbst.