Hintere Außenansicht des D2 Gebäudes

Das Freiwillige Sozialjahr und das Freiwillige Umweltschutzjahr

Zusammenfassung

Im März 2012 wurde das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Freiwilligengesetz - FreiwG) im Bundesgesetzblatt I Nr. 17/2012 veröffentlicht, mit 1. Juni 2012 ist es in Kraft getreten. Damit wurden die Rahmenbedingungen für formelle freiwillige Tätigkeiten allgemein und die besonderen Formen des freiwilligen Engagements geregelt. Zu den besonderen Formen zählen das Freiwillige Sozialjahr, der Gedenkdienst und der Friedens- und Sozialdienst außerhalb des Zivildienstes im Ausland sowie das Freiwillige Umweltschutzjahr. Diese freiwilligen Jahre beruhen auf zwei Säulen: Zum einen sind sie als Bildungs- und Berufsorientierung konzipiert, zum anderen sind sie eine wichtige Form des gesellschaftlichen Engagements und dienen somit dem Gemeinwohl genauso wie der eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Die Teilnehmenden lernen die Tätigkeiten der jeweiligen Einsatzstelle unmittelbar kennen und können sich bei der Durchführung von unterstützenden Tätigkeiten praktische Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen.

Seit Inkrafttreten des Freiwilligengesetzes 2012 haben bislang (Stand Sommer 2015) rund 1.800 Jugendliche das FSJ und 85 Jugendliche das FUJ absolviert. Im Rahmen der Evaluierung wurden fünf der derzeit sechs[1] beteiligten Trägerorganisationen, die rund 640 Einsatzstellen sowie die TeilnehmerInnen befragt. [1] Das Österreichische Rote Kreuz ist erst 2015 offiziell anerkannter Träger geworden und hatte zum Zeitpunkt der Erhebungen noch keine TeilnehmerInnen.

Wer engagiert sich?

Beim FSJ liegt der Anteil der Mädchen je nach Träger zwischen 67% und 95%, d.h. Mädchen überwiegen hier deutlich. Beim FUJ ist die Geschlechterverteilung hingegen stärker ausgewogen, 54% der Freiwilligen sind weiblich und 46% sind männlich. Der Großteil der TeilnehmerInnen hat einen Maturaabschluss, was sich auch im Alter widerspiegelt. Die Gruppe der 19-Jährigen stellt bei den TeilnehmerInnen die größte Gruppe dar – bei der Befragung der TeilnehmerInnen lag das Alter beim FSJ zwischen 16 und 34 Jahren, beim FUJ zwischen 17 und 29 Jahren. Das Durchschnittsalter lag bei 19 Jahren (FSJ) bzw. 20,5 Jahren (FUJ).

Seit 2013 besteht die Möglichkeit, das FSJ bzw. das FUJ als Zivildienst anrechnen zu lassen, wenn zwölf Monate geleistet werden (statt neun Monate Zivildienst, allerdings bei geringerer Wochenstundenanzahl). Bislang machen noch wenige Jugendliche davon Gebrauch, die Zahlen nehmen jedoch zu. Dies könnte den Anteil der männlichen Teilnehmer in Zukunft erhöhen.

Einen wichtigen Beitrag für die Entscheidung, ein Freiwilliges Jahr zu absolvieren, hat das familiäre Umfeld. 95% der TeilnehmerInnen des FSJ sowie 92% der Teilnehmenden des FUJ gaben an, dass Eltern oder Angehörige die Entscheidung, ein FSJ zu absolvieren unterstützt haben. 89% der TeilnehmerInnen des FSJ und 56% der TeilnehmerInnen des FUJ leben während des Einsatzes bei den Eltern oder Angehörigen. 75% der TeilnehmerInnen des FSJ und 61% der TeilnehmerInnen des FUJ gaben an, während ihres Freiwilligen Jahres, regelmäßige finanzielle Unterstützung durch Eltern oder sonstige Angehörige zu erhalten. Die Eltern weisen außerdem einen deutlich höheren Bildungsgrad als die durchschnittliche Bevölkerung Österreichs auf.

Der Wunsch, sich sozial bzw. im Umwelt-, Naturschutz- und Nachhaltigkeitsbereich zu engagieren sowie Berufsorientierung und Persönlichkeitsentwicklung waren die wichtigsten Motive der Jugendlichen, sich für ein Freiwilliges Jahr zu entscheiden. Ein sehr hoher Anteil, nämlich 82% der FSJ TeilnehmerInnen sowie 93% der FUJ TeilnehmerInnen, engagierte sich bereits vor dem Freiwilligen Jahr ehrenamtlich. Das FSJ absolvieren vor allem Jugendliche, die beabsichtigen danach eine Ausbildung oder einen Beruf im Sozialbereich zu beginnen. Nur 7% möchten danach nicht im Sozialbereich bleiben. Beim FUJ liegt der Anteil jener, die nicht im Umweltbereich bleiben möchten, mit 11% etwas höher.

Erfahrungen und Zufriedenheit der TeilnehmerInnen mit dem Freiwilligen Jahr

In Bezug auf die Zufriedenheit mit dem Freiwilligen Sozial-/Umweltschutzjahr ließen sich viele positive, aber auch manch kritische Eindrücke der TeilnehmerInnen erheben. 94% der FSJ- sowie 90% der FUJ-Jugendlichen gaben an, mit dem Freiwilligen Jahr sehr zufrieden bzw. zufrieden zu sein. Dies verdeutlichte sich auch bei den offenen Fragen: Persönlichkeitsstärkung und Erfahrungsgewinn sowie eine gute Grundlage für weitere Ausbildungen zählten zu den zahlreichen Aspekten, die sich die Freiwilligen mitnehmen konnten. Kritisch genannt wurden beispielsweise die geringe Aufwandsentschädigung, das Gefühl ausgenutzt zu werden oder nicht erfüllte Erwartungen. Die wöchentlichen Einsatzstunden übersteigen laut Auskunft der Teilnehmenden zu 36% (FSJ) bzw. 16% (FUJ) das gesetzlich festgelegte Stundenausmaß von 34 Stunden. Hier bleibt die Frage offen, ob die TeilnehmerInnen in manchen Fällen freiwillig zusätzliche Stunden in der Woche tätigten, da die Zufriedenheit trotz dieses Umstandens sehr hoch ausfiel. 20% der FSJ TeilnehmerInnen und 12% der FUJ-TeilnehmerInnen finden, dass sie (eher) zu häufig für Hilfsdienste eingesetzt werden, gleichzeitig finden 80% (FSJ) bzw. 52% (FUJ) der TeilnehmerInnen ihre Tätigkeiten in der Einsatzstelle interessant und abwechslungsreich. Im Rahmen der Evaluierung wurde deutlich, dass die Jugendlichen im Rahmen ihres Einsatzes teilweise sehr stark gefordert, manchmal auch überfordert sind: schwierige Situationen mit KlientInnen wurden diesbezüglich sowohl seitens der Einsatzstellen als auch der Jugendlichen genannt. Umso wichtiger ist die pädagogische Betreuung und Begleitung, die einerseits in Form von Kursen, die meist von den Trägerorganisationen angeboten werden sowie durch die fachliche Anleitung in den Einsatzstellen erfolgt und ein wichtiger Bestandteil des Freiwilligen Jahres ist. Die Freiwilligen des FUJ waren zu 88% (sehr) zufrieden, beim FSJ ist die Zufriendenheit mit 74% etwas geringer. Generell herrscht große Zufriedenheit mit dem Klima in den Einsatzstellen: die Möglichkeit zum Nachfragen und die Hilfsbereitschaft der KollegInnen wurden besonders gut bewertet und auch in den offenen Fragen häufig erwähnt.

Erfahrungen und Zufriedenheit der Einsatzstellen mit dem Freiwilligen Jahr

Für die Einsatzstellen bedeuten die Freiwilligen eine personelle Unterstützung. Der „frische Wind“, den Jugendliche in die Organisation einbringen, wurde in den Interviews mit den Trägerorganisationen sowie in den offenen Fragen der Einsatzstellen-Befragung oft als Nutzen genannt. Die Freiwilligen ermöglichen es den Einsatzstellen, zusätzliche Leistungen für ihre KlientInnen anzubieten.

Kritisch angemerkt wurde, dass die Freiwilligen zum Teil nur sehr begrenzt einsetzbar sind, der hohe Betreuungs- und Administrationsaufwand und die hohen Kosten, die für manche Einsatzstellen schwer aufzubringen sind. Auch die Träger merkten an, dass sie mehr Anfragen von Freiwilligen als Einsatzplätze haben, weil die Kosten für viele Organisationen zu hoch sind.

In Summe schätzen die Einsastzstellen ihre Erfahrungen mit den Jugendlichen überwiegend positiv ein. 60% der Einsatzstellen des FSJ bewerten ihre Erfahrungen als sehr positiv, 35% als positiv.

Wer profitiert vom FSJ & FUJ?

Die Evaluation vermittelte einen guten Eindruck über die Wirkungen, die für verschiedene Stakholdergruppen entstehen, wie die nachstehende Tabelle noch einmal im Überblick zusammenfasst.

Tabelle: Zusammenfassung der genannten Wirkungen des FSJ & FUJ für beteiligte Stakeholder-Gruppen

Jugendliche, die das FSJ bzw. das FUJ absolvieren, stehen meist am Übergang zwischen Schule, weiterführender Ausbildung und Beruf. Das Freiwillige Jahr ist oft auch ein Zwischenschritt am Weg in die Unabhängigkeit vom elterlichen Haushalt. In vielen Rückmeldungen der befragten Stakeholder werden die Bedeutung dieser Phase und der Beitrag, den das FUJ und das FSJ dabei leisten betont.

[…] meine Tochter hat selbst so ein […] Jahr gemacht. Ich habe wirklich an ihr ganz nahe gesehen, was das für ein Schub für sie war. Sie (Anm. die Jugendlichen) kommen raus aus dieser „Schulblase“ und plötzlich tauchen sie in eine Arbeitswelt ein, mit ganz anderen Regeln und Umgangsformen […]. Sie hat da wirklich einen riesen Schub nach vorne gemacht in ihrer Orientierung […].

(Berufs-) Orientierung, Steigerung des Selbsbewusstseins, Horizonterweiterung waren Schlagworte, die in Bezug auf den Nutzen für die Freiwilligen oft genannt wurden. Wichtige Motivation für die Entscheidung für ein FSJ bzw. FUJ sind auch die verbesserten Chancen bei der Aufnahme für entsprechende Ausbildungen in den jeweiligen Bereichen und die Möglichkeiten, das FSJ bzw. das FUJ im Rahmen dieser Ausbildungen anrechnen zu lassen. Der überwiegende Teil der TeilnehmerInnen möchte danach im jeweiligen Berufsfeld bleiben.

Die Einsatzstellen profitiern von der personellen Unterstützung, die häufig den KlientInnen der Organisationen zugute kommt. Geschätzt wird auch der „frische Wind“ und die jugendlichen Perspektiven, die die TeilnehmerInnen in den Arbeitsalltag einbringen. Gerade ältere KlientInnen schätzen die Aufmerksamkeit, die sie von den Jugendlichen erhalten, bei Kindern/Jugendlichen haben die Freiwilligen häufig eine wichtige Vermittlungsfunktion. Freiwillige sind aber auch in vielen anderen Aufgabenbereichen tätig (Flüchtlingsbetreuung, Menschen mit Beeinträchtigung etc.). 

Von den Freiwilligen Jahren profitieren aber auch die jeweiligen Berufsbranchen. Die Jugendlichen können die Bereiche kennenlernen und ausprobieren, ob sie für den Bereich geeignet sind. Es wird Begeisterung für die Berufe geweckt und damit einem Fachkräftemangel entgegengewirkt.

Die Jugendlichen und die beteiligten UnterstützerInnen leisten damit auch einen wesentlichen Beitrag für das Gemeinwohl. Sie werden für Sozial- bzw. Umweltthemen sensiblisiert und sind wichtige MuliplikatorInnen für diese Themen. Dies trägt auch zur Solidarität in der Gesellschaft bei. In manchen Fällen trägt das Freiwillige Jahr dazu bei, dass Jugendliche mit schwieriger Vergangenheit einen Rückhalt auf dem Weg zurück in die Ausbildung bzw. in den Beruf finden.

Kontakt

Kontakt
Mag.rer.soc.oec. Eva More-Hollerweger

Eva More-Hollerweger

Senior-Researcherin, Obfrau des NPO-Instituts (Verein)
Aufgaben: NPOs, Zivilgesellschaft, Freiwilligenarbeit, Evaluationen und strategisches Management.