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Nachruf Helmut Loukota

Helmut Loukota (1940 bis 2025)

Loukota

Helmut begann 1962 – unmittelbar nach seiner Promotion zum Doktor der Rechtswissenschaften an der Universität Wien – seinen Dienst in der Finanzverwaltung. Zunächst war er in der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland tätig, seit 1966 im Bundesministerium für Finanzen. Er verstärkte dort die für zwischenstaatliches Steuerrecht zuständige Abteilung, deren Leitung er dann 1988 übernahm.

Helmut war in vielfacher Hinsicht Pionier: Die meisten von Österreich abgeschlossenen DBA wurden unter seiner Ägide verhandelt. Er trug erheblich zur Aus- und Weiterbildung von Generationen von Betriebsprüfern auf dem Gebiet des Internationalen Steuerrechts bei. Ein Geniestreich waren die von ihm erfundenen Express- Antwort-System-Rechtsauskünfte (EAS) des BMF: Mit dem Angebot, binnen weniger Wochen oder manchmal sogar Tage Rechtsfragen des DBA-Rechts zu beantworten, motivierte er Praktiker im In- und Ausland, ihm aktuelle Probleme vorzulegen. Auf diese Weise erlangte er frühzeitig auch darüber Kenntnis, welche Vorschriften des DBA- und des Außensteuerrechts von Unternehmen und deren Beratern gerade auf ihre Vorteilhaftigkeit ausgelotet wurden. Es konnte daher in seinem Fall keine Rede davon sein, dass er fern der Praxis im Ministerium sitzen und keine Ahnung davon haben würde, was in der Welt draußen vorgehe. Tausende solcher Auskünfte hat er in ungezählten Stunden in Nächten und an Wochenenden praktisch im Alleingang erstellt und dann auch veröffentlicht. Nicht nur die Praxis der Finanzämter hat Helmut damit wesentlich beeinflusst.

Seine Schaffenskraft war enorm: In seinen Beiträgen in Büchern und Fachzeitschriften hat er Rechtsauffassungen geprägt, genauso aber auch zum Widerspruch animiert. Auch ich habe zu denen gehört, die häufig auf seine Aufsätze reagiert haben, und oft hat er dann wiederum repliziert. Dieser Austausch hat dazu beigetragen, dass alle Beteiligten ihre Argumente schärfen konnten. Die vielfältigen fachlichen Kontroversen, die zahlreiche Steuerexperten außerhalb, aber auch innerhalb der Verwaltung mit Helmut ausgetragen haben, sind ein Hauptgrund dafür, warum das Fachschrifttum auf dem Gebiet des Internationalen Steuerrechts in Österreich so hohes Niveau hat. Es gibt kaum eine international diskutierte DBA-Rechtsfrage, zu der unsere ausländischen Kollegen nicht in den österreichischen Zeitschriften – und hier vor allem in der SWI – Beiträge finden. Viele davon stammen von Helmut oder gehen auf Diskussionen mit ihm zurück.

Die Bekanntheit Helmuts in der weltweiten steuerlichen Community ist unübertroffen. Dazu haben nicht bloß die zahlreichen DBA- und Verständigungsverhandlungen mit seinen Counterparts in den Finanzministerien fast aller Staaten beigetragen.

Bis zum heutigen Tag wird man bei internationalen Konferenzen als Österreicher auf ihn angesprochen und gebeten, von alten Freunden Grüße zu bestellen. Jahrzehntelang war er Vizevorsitzender der für das Musterabkommen besonders wichtigen Working Party 1 der OECD. Besondere Verdienste hat er sich als Leiter jener OECD-Arbeitsgruppe erworben, die in mehrjähriger Arbeit 1999 den „Partnership-Report“ fertiggestellt hat. Dieses OECD-Dokument spricht viele Grundsatzfragen des DBA-Rechts an. Naturgemäß haben die dort vertretenen höchst innovativen Thesen nicht nur Zustimmung erfahren. Es wäre aber nicht Helmut gewesen, wenn er nicht auf Kritik wiederum sofort reagiert und selbst zur Feder gegriffen hätte. Auf diese Weise hat er erheblich zur Vertiefung der Fachdiskussion beigetragen.  Helmuts Herz hat Zeit seines Lebens für die Finanzverwaltung geschlagen. Noch lange über seinen eigentlichen Pensionierungszeitpunkt hinaus ist er als Konsulent des BMF tätig gewesen. Schon während seiner aktiven Zeit hat er auch Lehraufgaben vor allem an der WU Wien, aber auch an anderen Universitäten und Fachhochschulen übernommen. In den letzten beiden Jahrzehnten fand er am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU Wien eine weitere Heimat. Viele Jahre war der Honorarprofessor als Senior Scientist tätig und stand uns Professoren sowie allen Mitarbeitern jederzeit für Fachdiskussionen zur Verfügung. Wir kannten einander und waren gut aufeinander eingespielt: Wenn Helmut einen Satz mit dem Wort „selbstverständlich“ einleitete, wusste jeder von uns, dass nun ein Argument kommt, dass uns alles andere als selbstverständlich erscheinen wird.

Legendär waren die simulierten DBA-Verhandlungen, die von ihm gecoachte WU-Studierende per Video mit Studierendenteams in Brasilien und Holland durchspielten. Er nahm diese Aufgabe so ernst wie wirkliche DBA-Verhandlungen. Einmal berichtete er mir, dass er die „Verhandlungen“ abbrechen musste, weil er das von den Studierenden erzielte Ergebnis „aus österreichischer Sicht“ nicht für vertretbar erachtet hat.

Wir baten Helmut oft, gemeinsam mit uns Professoren an Seminaren mit Mitarbeitern und fortgeschrittenen Studierenden im kleineren Kreis mitzuwirken. Ganz bewusst diskutierten wir dort Themen, zu denen seine und unsere Auffassungen oft meilenweit auseinander lagen. Wir wollten und konnten dadurch aber dem wissenschaftlichen Nachwuchs zeigen, dass man fachlich (fast) bis aufs Messer streiten, gleichzeitig aber auf persönlicher Ebene besten freundschaftlichen Umgang pflegen kann.

Helmut, nicht nur ich werde die vielen Diskussionen mit dir vermissen. Es hat so viel Freude bereitet, die Thesen im persönlichen Gespräch oder im Fachschrifttum zuzuspitzen und manchmal auch etwas zu polemisieren. Wir werden dich nicht vergessen: Dein fachliches Werk, das du in mehr als sechs Jahrzehnten geschaffen hast, ist so groß, dass wir daraus noch lange schöpfen werden können. Genauso werden wir uns dankbar an die vielen fachlich wie menschlich bereichernden Begegnungen mit dir zurückerinnern und davon zehren.