Genossenschaften der Zukunft: Nachhaltigkeit, Technologie und sozialer Wandel

06. Juli 2023

Genossenschaften haben im Laufe der Geschichte bewiesen, dass sie eine robuste und anpassungsfähige Organisationsform sind, die auf Werten wie Gemeinschaft, Solidarität und Partizipation basiert. Angesichts der sich rasant verändernden Welt und der zunehmenden Herausforderungen in den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und soziale Gerechtigkeit werfen wir einen Blick auf die vielversprechenden Zukunftsaussichten für Genossenschaften.

Lesezeit: 7 Minuten

1. Nachhaltigkeit und Umweltschutz:

Eine der wichtigsten Rollen, die Genossenschaften in der Zukunft spielen können, liegt im Bereich der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes. Genossenschaften könnten hier an der Förderung von erneuerbaren Energien, nachhaltiger Landwirtschaft, umweltfreundlichem Konsum und Kreislaufwirtschaft entscheidend mitwirken. Energiegenossenschaften könnten dabei als Vehikel dienen, um die dezentrale Energieerzeugung und -verteilung voranzutreiben, während landwirtschaftliche Genossenschaften innovative Praktiken zur Erhaltung der Bodengesundheit und zur Reduzierung von Umweltauswirkungen entwickeln könnten.

In Österreich gibt es mittlerweile bereits mehrere Genossenschaften, die als Beispiele für sogenannte "Energiegemeinschaften" herangezogen werden können: Energiegenossenschaften existieren mittlerweile beispielsweise in den Regionen rund um Altenmarkt, Pinkafeld und dem Wienerwald. Sie ermöglichen es den Bürger*innen in lokale erneuerbare Energieprojekte zu investieren, die von Solaranlagen bis hin zu Biomassekraftwerken reichen. Solche Initiativen tragen nicht nur zur Energieunabhängigkeit und zur Reduzierung von CO2-Emissionen bei, sondern fördern auch das Bewusstsein für erneuerbare Energien und den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen in der Gemeinschaft.

Für interessierte Leser*innen dürfen wir hier auf den Blogbeitrag vom 06. Oktober 2022 zum Thema „Energiegenossenschaften am Beispiel der Energiegenossenschaft Altenmarkt“ verweisen, der zudem auch überblicksmäßig in die rechtlichen Neuerungen im Bereich der österreichischen Energiewirtschaft eingeht.

2. Technologischer Fortschritt und Digitalisierung:

Die fortschreitende Digitalisierung bietet Genossenschaften die Möglichkeit, ihre Effizienz zu steigern, neue Märkte zu erschließen und innovative Dienstleistungen anzubieten. Plattformgenossenschaften können als ethische Alternative zu großen Tech-Plattformen entstehen, bei denen die Mitglieder die Kontrolle über Daten und Entscheidungsprozesse behalten. Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz und Blockchain-Technologie könnte die Transparenz und Sicherheit in den internen Abläufen von Genossenschaften erhöhen.

Ein bemerkenswertes Beispiel für das Potential der Genossenschaften in Verbindung mit der Digitalisierung und zunehmenden Technologisierung ist die "Fairbnb"-Initiative, eine genossenschaftliche Alternative zu großen Sharing-Economy-Plattformen. Diese Genossenschaft setzt sich für eine ethische Alternative zu herkömmlichen Buchungsplattformen ein, indem sie eine Plattform für Unterkünfte schafft, bei der die Kontrolle und Entscheidungsgewalt wieder in den Händen der Mitglieder liegt. Inspiriert von den Genossenschaftsprinzipien der Solidarität und Gleichheit, ermöglicht "Fairbnb" den Gastgebern, lokale Kulturen zu fördern, faire Preise zu setzen und die Einkünfte gerechter zu verteilen. Damit schafft die Initiative nicht nur eine nachhaltige Einkommensquelle für die Anbieter, sondern trägt auch zur Vermeidung von Überlastung in touristischen Hotspots bei und unterstützt sozial verantwortlichen Tourismus. Die "Fairbnb"-Genossenschaft steht somit für eine innovative Herangehensweise an die Sharing Economy, bei der der Mensch und die Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen.

Für interessierte Leser*innen dürfen wir hier auf den Blogbeitrag vom 06.08.2022 zum Thema „Genossenschaften und digitale Plattformen“ verweisen.

3. Soziale Gerechtigkeit und Inklusion:

Genossenschaften haben schon immer dazu beigetragen, soziale Ungleichheit zu verringern. In der Zukunft könnten sie eine noch wichtigere Rolle bei der Schaffung von Chancen für benachteiligte Gruppen spielen. Bildungs- und Trainingsgenossenschaften könnten Fähigkeiten und Wissen vermitteln, um Menschen auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu machen. Zudem könnten Genossenschaften eine Plattform bieten, um marginalisierten Gemeinschaften eine Stimme zu geben und ihre Bedürfnisse zu adressieren.

Die österreichischen Wohnbaugenossenschaften sind seit Jahrzehnten eine treibende Kraft in Bereichen der Inklusion und der sozialen Gerechtigkeit, indem sie sich aktiv für bezahlbaren Wohnraum und lebenswerte Gemeinschaften einsetzen. Sie bringen unterschiedliche Wohnformen und Einkommensgruppen in ihren Siedlungen zusammen und sorgen für Austausch zwischen Einkommens- und Bildungsschichten. Dies fördert das Miteinander, den Austausch und die gegenseitige Unterstützung der Bewohner*innen.

Für interessierte Leser*innen dürfen wir hier auf den Blogbeitrag vom 06. Mai 2019 zum Thema „Wohnbaugenossenschaften“ verweisen.


Im In- und Ausland ist zudem der Beitrag von Genossenschaften zur Emanzipation von Frauen hervorzuheben. Für interessierte Leser*innen dürfen wir hier auf den Blogbeitrag vom 06. Mai 2019 zum Thema „Frauen und Genossenschaften" verweisen.

4. Globale Vernetzung und Solidarität:

Die Welt wird zunehmend vernetzter, und Genossenschaften könnten von dieser Globalisierung profitieren. Internationale Genossenschaftsnetzwerke könnten den Austausch bewährter Praktiken, Ressourcen und Unterstützung ermöglichen. Genossenschaften könnten grenzüberschreitende Partnerschaften eingehen, um globale Herausforderungen wie Armutsbekämpfung, Gesundheitsversorgung und Bildung anzugehen.

Ein konkretes Beispiel ist die "International Cooperative Alliance" (ICA), die genossenschaftliche Organisationen aus der ganzen Welt vereint und den Austausch von bewährten Praktiken und Wissen fördert. Zudem werden von diesem Zusammenschluss an Genossenschaften jährlich verschiedene Tagungen veranstaltet, um die Genossenschaftswissenschaft zu vernetzen und zu fördern. In der Vergangenheit haben die Kolleg*innen Andrea Vogler (2023 in Leuven mit dem Beitrag: „Emerging actor roles in the diffusion of renewable energy communities: the case of Austria”) und Gregor Rabong (2019 in Montreal mit dem Beitag „Rural versus Urban - A Comparison of the Perception of Credit Cooperatives Operating in Different Environments") an internationalen ICA Tagungen teilgenommen.

5. Neue Genossenschaftsmodelle:

Die Genossenschaft bietet überall dort, wo Menschen gemeinsam etwas anpacken möchten, eine etablierte und dennoch flexible Organisationsgrundlage. In vielerlei Hinsicht bietet sie fruchtbaren Boden auch für neue (Geschäfts-)Ideen, die auf spezifische Bedürfnisse der Gesellschaft zugeschnitten sind und im Rahmen dieser Rechtsform umgesetzt werden können. Als Beispiele können Beschäftigungsgenossenschaften, solidarische Landwirtschaften, „Mitmachsupermärkte“, Senior*innengenossenschaften oder Schüler*innengenossenschaften genannt werden.

Indem sie die Prinzipien der Zusammenarbeit, Teilhabe und Solidarität in den Mittelpunkt stellen, können Genossenschaften zur Stärkung von Gemeinschaften und zur Schaffung einer nachhaltigeren und gerechteren Zukunft dienen - in einer Zeit, in der wir uns mit vielen komplexen Problem auseinandersetzen müssen.

Autor: Gregor Rabong

Bei Anmerkungen, weiterführenden Informationen oder Anfragen zu einer Zusammenarbeit wenden Sie sich bitte an gregor.rabong@wu.ac.at oder ricc@wu.ac.at.

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