Die Energiegenossenschaft Altenmarkt

06. Oktober 2022

Im Sommer 2021 wurde mit dem Erneuerbare-Ausbau-Gesetz die rechtliche Grundlage für Energiegemeinschaften geschaffen. Die Energiegenossenschaft Altenmarkt wurde im März 2022 gegründet. Jürgen Sonnleitner, Gründungsmitglied und Obmann, gewährt den Leser*innen des „Geno Schafft“ Blogs einen Einblick in die Erfahrungen der jungen Genossenschaft.

Lesezeit: 6 Minuten

Positive Stimmung für Energiegemeinschaften

In erneuerbaren Energiegemeinschaften können sich Privatpersonen, lokale Behörden und auch Klein- und Mittelunternehmen zusammenschließen, um gemeinsam Energie aus erneuerbaren Quellen zu produzieren, zu speichern, selbst zu verbrauchen oder zu verkaufen (BMK, 2019). Seit der Umsetzung des Erneuerbare-Ausbau-Gesetzes im Juli 2021 erfahren Energiegemeinschaften starkes öffentliches Interesse und Zuspruch. Jürgen Sonnleitner von der Energiegenossenschaft Altenmarkt (EGA) beschreibt auch die Stimmung in der Region gegenüber der Energiegemeinschaft positiv: „Die Grundstimmung zeigt sich in positivem Interesse und Neugier. Ein Stück weit sind Energiegemeinschaften aber auch außerhalb der Komfortzone vieler Menschen.“

Gründungsinitiative von erfahrenen Stakeholdern im Energiebereich

In Altenmarkt ist die Initiative für die Energiegemeinschaft aus einer bestehenden Arbeitsgruppe für Energie in der Region entstanden. Die Arbeitsgruppe kam durch ein Projekt der Nachhaltigkeitsstrategie „Agenda-21“ zustande und setzt sich aus verschiedenen Unternehmer*innen aus dem Energiebereich zusammen. Neben den Mitgliedern der Arbeitsgruppe waren die Gemeinde und die regionale Niederlassung der Raiffeisenbank von Beginn an mit an Bord. Mittlerweile reicht der Kreis der Interessent*innen über die ursprüngliche Kerngruppe hinaus, wozu auch die gestiegenen Energiepreise beigetragen haben. „Der Schuh beginnt zu drücken. Das Band der Komfortzone wird schmäler, jetzt, wo wir massiv gestiegene Energiepreise haben“, so das Gründungsmitglied.

„Als Genossenschaft einige Kilometer gehen“

Aktuell müsse die EGA das Tempo drosseln, um erste Erfahrungswerte für den operativen Betrieb zu sammeln: „Derzeit müssen wir bremsen, weil wir erst einmal als Genossenschaft einige Kilometer gehen müssen. Wir wollen in einen Echtbetrieb kommen, der stabil ist.“ Denn bei neuen Mitgliedern müssen Überlegungen zur Produktion und zum Verbrauch innerhalb der Gemeinschaft angestellt werden. So ist es wichtig zu berücksichtigen, ob Mitglieder reine Verbraucher*innen (ohne eigene Erzeugungsanlage) oder Prosumer (als Kofferwort für „Producer“ und „Consumer“, also Mitglieder mit eigener Erzeugungsanlage) sind oder der Genossenschaft womöglich in Zukunft eine Dachfläche für die Errichtung einer PV-Anlage zur Verfügung stellen. Wenn neue Mitglieder hinzukommen, entsteht also nicht nur ein neuer Personenverbund, sondern auch neue Produktions- und Verbrauchsmuster in der Energie. „Wir müssen sicherstellen, dass wir in dem neuen Verbund die nötige Energie zur Verfügung haben“, beschreibt es Jürgen Sonnleitner.

Technik und Wirtschaftlichkeit für den Ausbau erneuerbarer Energieanlagen

Die EGA startet mit PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 300kWp. Mithilfe einer Faustformel kann man sich darunter eine Gesamtfläche der PV-Anlagen von circa 2000m² vorstellen. Für die nähere Zukunft ist die Nutzung unmittelbar verfügbarer Flächen für PV-Anlagen geplant. Für jene, die in Erzeugungsanlagen investieren, berichtet Jürgen Sonnleitner aus seiner Erfahrung in der Energieberatung: „Die gute Nachricht ist, wie rasch sich PV-Anlagen rentieren, in vier oder fünf Jahren. Da kann man sich fragen: Welches andere Finanzprodukt liefert zwanzig Prozent Rendite? Das ist hoch wirtschaftlich.“ Um Overhead-Kosten der Energiegenossenschaft zu decken und die Genossenschaft langfristig wirtschaftlich stabil zu gestalten, sei es aber wichtig, mittelfristig die Kapazitäten zu erweitern. Für die Erweiterung will die EGA in kleinerer Form Windkraftanlagen, Klein-Wasserkraftanlagen sowie Biogasanlagen für die Erzeugung berücksichtigen. Die mögliche zukünftige Erweiterung der Energiegemeinschaft war ausschlaggebend für Wahl der Rechtsform der Genossenschaft.

Etwa zehn bis zwölf Mitglieder der Energiegenossenschaft kommen einmal monatlich zusammen, um aktuelle Themen und die weitere Ausrichtung zu besprechen. Zu besprechen gibt es in der jungen Genossenschaft aktuell viel. Vor allem die Frage, mithilfe welcher technischen Tools die Abrechnung langfristig erfolgen kann, beschäftigt die Genossenschafter*innen zurzeit. Jürgen Sonnleitner spricht hier von einem „Henne-Ei-Problem“: Investiert die Genossenschaft nun in ein Abrechnungstool, müssen weitere Überlegungen zur Rentabilität und langfristigen Ausrichtung der Genossenschaft angestellt werden. Die Genossenschafter*innen der EGA setzen sich damit und in vielen Punkten mit zentralen Fragen auseinander, die wegen der Neuheit des Konzepts auch für andere Energiegemeinschaften unbeantwortet sind. Vorreiter wie die EGA sind wichtig, um die Entstehung und Entwicklung zukünftiger Energiegenossenschaften zu erleichtern.

Interviewpartner: DI Jürgen Sonnleitner, MSc

Portrait Sonnleitner

Der Interviewpartner, DI Jürgen Sonnleitner, MSc, ist Gründungsmitglied, Vorstand und ehemaliger Obmann der Energiegenossenschaft Altenmarkt sowie geschäftsführender Gesellschafter des Pongauer Energie Centers. PEC - Pongauer Energie Center (pec-energie.at)

Autorinnen: Andrea Vogler und Viola Dillinger


Bei Anmerkungen, weiterführenden Informationen oder Anfragen zu einer Zusammenarbeit wenden Sie sich bitte an andrea.vogler@wu.ac.at, gregor.rabong@wu.ac.at oder ricc@wu.ac.at.

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