Personalstrategien für ehrenamtliche und hauptamtlich Beschäftigte in sozialen Nonprofit Organisationen
Projektbeschreibung 1999/2000
1. Fragestellung
Einerseits steigen die Anforderungen, die an NPOs gestellt werden, andererseits sind sie ebenso von staatlichen Einsparungsmaßnahmen betroffen. Sie stehen unter einem immer stärker werdenden Konkurrenzdruck sowohl durch die Konkurrenz zwischen den NPOs als auch zu staatlichen Einrichtungen und privatwirtschaftlichen Unternehmen . Der öffentliche Druck steigt: In der Bevölkerung entstand ein Vertrauensverlust gegenüber NPOs, der im wesentlichen auf die fehlende Transparenz von Mittelaufbringung und –verwendung und auf die problematische Leistungs- und Qualitätsmessung in NPOs zurückführen ist.
In vielen sozialen NPOs stellen Ehrenamtliche einen wesentlichen Anteil der gesamten Arbeitskapazität zur Verfügung. Die Mehrzahl der Organisationen wäre ohne ehrenamtliche MitarbeiterInnen nicht funktionsfähig, ihre Existenz hängt von der Arbeit ihrer Ehrenamtlichen ab. In Österreich wird der fiktive Produktionswert von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen in Nonprofit-Organisationen im Sozialbereich auf mindestens 7,3 Mrd. ÖS geschätzt. Insgesamt hat der Nonprofit-Sektor im Bereich der sozialen Dienste einen Bruttoproduktionswert von über 38,2 Mrd. ÖS. Dieser Wert wird von insgesamt 246.631 bezahlten und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen erarbeitet. Davon arbeiten 94.950 als bezahlte MitarbeiterInnen und 151.681 sind ehrenamtlich beschäftigt. . In Europa sind durchschnittlich mehr als ein Viertel der über 15 Jahre alten Menschen ehrenamtlich tätig, über die Hälfte davon regelmäßig. Ungefähr ein Drittel der Ehrenamtlichen arbeitet jeweils fünf bis zehn Stunden, während ein Viertel 11 bis 20 Stunden für Volunteering einsetzt.
Moderne Managamentmethoden könnten geeignet sein, die zunehmenden Ansprüche an NPOs, die von innen und außen an sie gerichtet werden, zu bewältigen. Dabei ist zu beachten, daß die Charkteristika (sozialer) NPOs die Führung und das Management in solchen Organisationen beeinflussen. Für das Management in Profit-Organisationen wurde erkannt, daß im gezielten Einsatz von Humanressourcen ein wesentlicher Erfolgsbaustein eines Unternehmens liegt, hängt doch der Erfolg einer Unternehmung heute im besonderen Maße von der richtigen Auswahl, Entwicklung und Entlohnung sowie vom Einsatz und Training der menschlichen Ressourcen ab. Die strategische Ausrichtung der Personalarbeit, die Entwicklung und Integration von Konzepten der Personalentwicklung, Motivation, Führung und der Anreizgestaltung zum Zwecke der Erreichung von Commitment bzw. Bindung der MitarbeiterInnen an eine Organisation bilden wichtige Grundlagen. Bislang bestehen lediglich Vermutungen, daß Konzepte der Personalwirtschaft auf NPOs übertragbar sind, wobei dies für hauptamtliche MitarbeiterInnen wenig problematisch eingeschätzt wird. Jedoch bestehen Bedenken in bezug auf die Gefahr des Verlustes der spezifischen Qualität von NPOs, insbesondere von freiwilliger Arbeit. Andererseits zeigen Praxiserfahrungen, daß das ehrenamtliche Potential und dessen spezifische Qualität im Sinne von Engagement und Werthaltung, teils auch von fachlichem Know-How, in NPOs nicht in dem Ausmaß genutzt werden, wie dies möglich wäre. Nicht nur die Fähigkeit, Ehrenamtliche effektiv zu führen wird von der Öffentlichkeit immer mehr gefordert, gleichzeitig ist es im Interesse der Organisationen, den Enthusiasmus und das Commitment ihrer Ehrenamtlicher zu bewahren. Als wesentliche Herausforderung gilt es nun einen angemessenen Rahmen zu finden, der es ermöglicht, die „Ressource Ehrenamt“ wirkungsvoll einzusetzen, ohne jedoch den „Geist der Freiwilligkeit” zu beeinträchtigen. Ein auf die besondere Situation in NPOs ausgerichtetes Personalmanagement würde hierfür eine wesentliche Voraussetzung darstellen.
Angesichts von Kostendruck durch den Rückgang staatlicher Zuschüsse, zunehmenden Qualitätserwartungen der NutzerInnen der Angebote von NPOs, und wachsendem Wettbewerb zwischen NPOs und gewinnorientierten Organisationen, der Veränderung der Ehrenamtlichkeitsprofile ihrer Rollen und Funktion durch demographischen Wandel, geänderte Motivstrukturen für Ehrenamtlichkeit, zunehmenden Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Volunteers stellt sich die Frage, ob soziale NPOs ihr Management von ehrenamtlicher Arbeit - auch im Zusammenspiel mit der Arbeit hauptamtlich Beschäftigter - überprüfen und gegebenenfalls neu akzentuieren müßten.
Entsprechend dieser Problembereiche ist die Zielsetzung dieses Forschungsprojektes, erstens Personalstrategien sozialer NPOs gegenüber ehrenamtlich und hauptamtlich Beschäftigten zu erheben und unter dem Aspekt der Qualitätswirksamkeit und der Kostenwirtschaftlichkeit zu analysieren. Zweitens werden auf Basis der Ergebnisse Hinweise zur Entwicklung von NPO-adäquaten Personalstrategien mitsamt ihrer instrumentellen Ausgestaltung zum effizienten Einsatz von ehrenamtlich und hauptamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erarbeitet.
Im Rahmen der angestrebten Strategieanalyse und der Strategieentwicklung stellt sich insbesondere ein Forschungsbedarf bezüglich:
• der Personalstruktur, insbesonders der Entscheidung über den Einsatzes von Haupt- und Ehrenamtlichen
• der Methoden der Personalrekrutierung, welche die Bereiche Personalbedarfsfestellung, Personalbeschaffung und –auswahl umfaßt
• der Methoden der Personalentwicklung hinsichtlich der Gestaltung von Personaleinführung, Weiterbildung und Supervision
• der Arbeitsorganisation unter besonderer Berücksichtigung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Beschäftigtengruppen
• der Möglichkeiten der Anreizgestaltung
• der Führung verschiedener Beschäftigtengruppen, Kontrolle sowie Information und Kommunikation
• adäquater Qualitätskriterien und deren Evaluation und
• der Personalkosten pro Leistungseinheit, die für die verschiedenen Beschäftigtengruppen im Vergleich auftreten
2. Abgrenzung des Forschungsgegenstandes
Im Bereich der NPO-Forschung herrscht noch keine Einheitlichkeit über den zugrundeliegenden NPO-Begriff, besteht doch (im deutschen Forschungsraum) der Begriff „NPO” erst seit relativ kurzer Zeit. Letztlich ist es wesentlich, daß eine NPO-Definition geeignet ist, mittels eines Merkmalskatalogs zu entscheiden, ob eine reale Organisation als NPO anzusehen ist oder nicht. Anhand folgender Merkmale können NPOs beschrieben werden :
• NPOs sind durch ein Mindestmaß an formaler Organisation gekennzeichnet, das sich in einem Mindestmaß an formalisierten Entscheidungsstrukturen oder Verantwortlichkeiten, in einer juristischen Registrierung etc. äußert.
• Die Organisationen können private aber auch öffentliche Organisationen sein. Die Grenzen zwischen „privaten” und „öffentlichen” Organisationen sind in Europa sehr fließend und es existieren zahlreiche Mischformen.
• NPOs dürfen keine Gewinne bzw. Überschüsse an Eigentümer oder Mitglieder ausschütten. NPOs ist es aber nicht verwehrt, Gewinne zu erwirtschaften; diese müssen in der Organisation verbleiben und für den Organisationszweck - die „Mission” verwendet werden.
• NPOs weisen ein Minimum an Selbstverwaltung auf. Die wichtigsten Entscheidungen können (zumindest formal) innerhalb der Organisation gefällt werden.
• NPOs sind stets durch ein Mindestmaß an Freiwilligkeit gekennzeichnet. Dieses Kriterium ist dann erfüllt, wenn in NPOs ehrenamtliche Arbeit geleistet wird, was sich nicht nur auf ausführende Tätigkeiten, sondern auch auf Leitungsfunktionen (durch „Funktionäre”) beziehen kann.
Grundsätzlich kann ehrenamtliche Arbeit in einem weiteren Sinn verstanden werden und umschließt dann auch verschiedene informelle Formen z. B. die Nachbarschaftshilfe. Für unsere Zwecke wird einer engeren Definition gefolgt. Als ehrenamtliche Tätigkeit beziehen wir uns demnach auf jene Arbeit, die
• ohne monetäre Gegenleistung (die über getätigte Aufwendungen hinausgeht),
• für Dritte, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben ,bzw. für die Gesellschaft und
• im Rahmen einer institutionellen Einbindung (also nicht Formen der Nachbarschaftshilfe)
erbracht wird.
Die Aktivitäten von NPOs sind in einem breiten Spektrum von Tätigkeitsfeldern zu beobachten. Sie werden vor allem in Dienstleistungsbranchen, aber auch im Kultur- und Erholungsbereich, im Bildungs- und Erziehungswesen sowie im Gesundheits- und Katastrophenwesen aktiv. Schon aufgrund der historischen Entwicklung ist das Sozialwesen - vor allem die sozialen Dienste für Alte, Behinderte und Randgruppen sowie die übrigen Arbeitsfelder der sozialen Arbeit - eines der wichtigsten Aufgabengebiete von NPOs.
Als zum sozialen Bereich zählend werden in diesem Projekt jene NPOs abgegrenzt, die soziale Dienstleistungen für „die Befriedigung von Bedürfnissen im Bereich der Betreuung, Pflege, Beratung, Erziehung oder Ausbildung” anbieten mit Ausnahme von Einrichtungen zur Kinderbetreuung, außerschulischen Jugendarbeit und Einrichtungen zum Katastrophenschutz. Wir folgen damit jener Abgrenzung, die zur empirischen Feststellung des volkswirtschaftlichen Volumens des sozialen Sektors in Österreich zugrunde gelegt wurde.
3. Methodischer Zugang
3.1 Theoretischer Bezugsrahmen
Als Personalstrategie wird vielfach ein Handlungsprogramm verstanden, mit dem Akteure im Rahmen der Personalfunktion versuchen, ihre Ziele zu erreichen (Elsik 1992). In Anlehnung an Mintzberg ist zu unterscheiden zwischen einer durch die AkteurInnen geplanten und entsprechend der Planung auch realisierten Personalstrategie (intendierte Personalstrategie) und einem Strategiebegriff, in dem die planerischen Elemente mit dem Phänomen der Emergenz verknüpft werden. Völlig unabhängig oder teilweise unabhängig von der Planung der AkteurInnen „geschehen” bestimmte Phänomene einfach, ohne daß genau gesagt werden kann, warum. Eine derartige Personalstrategie ist in Form von bestimmten Mustern zu beobachten, die sich regelmäßig einstellen.
In dem vorliegenden Projekt wird schwerpunktmäßig die Akteursperspektive der Personalverantwortlichen (LeiterIn, Personalbeauftragte) aufgenommen werden, an die sich die Fragebogenerhebung richtet. In den Fallstudien inklusive Workshops wird diese Perspektive gleichfalls verfolgt, zusätzlich soll jedoch für die Erhebung auch die Strategie als Muster zugrunde gelegt werden, indem die Wahrnehmung der Personalstrategie durch dritte Personen als BeobachterInnen in der NPO erfaßt wird.
3.2 Methodischer Zugriff
Das Projekt basiert auf folgenden methodischen Bausteinen:
• Einer qualitativen Analyse von ca. 10 - 15 ausführlichen Einzelfallstudien zu Personalstrategien unter besonderer Berücksichtigung von Qualitätsleistung und Personalkosten. In Form von Workshops werden den VertreterInnen der Fallstudienorganisationen und anderen ExpertInnen die Ergebnisse zurückgespielt und zur Diskussion gestellt.
• Weiters erfolgt die Durchführung einer Sekundäranalyse vorliegender internationaler Untersuchungen, die Daten über Personalstrategien in sozialen NPOs und Profitorganisationen in anderen europäischen Ländern sowie den USA enthalten.
4. Erwartete Relevanz der Ergebnisse und Projektverwertung
Mit dem Projekt wollen wir fundierte Erkenntnisse über aktuelle Schwerpunkte des Personalmanagements in sozialen NPOs in Österreich gewinnen. Daraus ergeben sich insbesondere vertiefte Einsichten in die Bedeutung und die faktische Nutzung ehrenamtlicher Arbeit in diesen Organisationen und in die Möglichkeiten von Verbesserungen. Zugleich soll ein Beitrag zur Frage der Übertragbarkeit der für Profit-Unternehmen entwickelten Lehre des Personalmanagements auf NPOs geleistet werden.
Hiervon erwarten wir eine weitere Ausdifferenzierung der Personalwirtschaftslehre als betriebswirtschaftliche Teildisziplin. Ein praktischer Nutzen sollte sich für Zwecke der Aus- und Fortbildung von ManagerInnen in sozialen Organisationen und für die Förderung der Qualität der Leistungen sowie der Verbesserung der Kostensituation dieser Organisationen ergeben.
5. Aktueller Fortschrittsstand und weitere Planung
Gegenwärtig erfolgt eine theoretische Fassung der Zusammenhänge zwischen der Ausgestaltung von Personalstrategien in NPOs und der Qualität sowie der Kosteneffizienz der Arbeit von ehrenamtlichen und hauptamtlichen MitarbeiterInnen und die Durchführung erster Organisationsfallstudien.
Parallel dazu werden qualitative Fallanalysen in ca. 10 bis 15 soziale NPOs durchgeführt. Die Auswahl der Fälle erfolgt je zur Hälfte aus Großorganisationen und kleinen NPOs und innerhalb dieser Rahmenbedingung nach dem Kriterium der größtmöglichen Unterschiede. Dieses Vorgehen basiert auf dem theoretical sampling.
Im Mittelpunkt der dritten Phase wird die Konkretisierung von möglichen Ausprägungen von Personalstrategien in NPOs und die Entwicklung von Lösungen für prognostizierbare und/oder bereits eingetretene Probleme in Bezug auf Qualität und Kosten. Auch Aspekte des gleichzeitigen Einsatzes ehrenamtlich und hauptamtlich Tätiger sind zu analysieren.
Nach eine Verknüpfung der qualitativen Ergebnissen aus den einzelnen NPO werden Workshops mit den untersuchten Einzelfallanalyse-NPOs und deren ehren- und hauptamtlich Beschäftigten zur Generierung und Reflexion von Gestaltungsmaßnahmen für das Personalmanagement von ehren- und hauptamtlichen Beschäftigten in NPOs durchgeführt. Die Verfassung des Abschlußberichtes und der Publikationen soll mit Ende September 2000 abgeschlossen sein.
6. Verknüpfung zum Forschungsprogramm des FS
Vorliegendes Forschungsprojekt schließt an die Zielsetzungen des Forschungschwerpunktes an:
• NPOs werden nicht nur aus personalwirtschaftlicher Sicht betrachtet, sondern auch Kosten und Effizienz mit berücksichtigt. Somit ist eine Anknüpfungspunkt an die Allgemeine BWL gegeben. Darüber hinaus suchen wir die tragenden Werte von NPOs und ihren Niederschlag in deren Arbeit und Personalmanagement zu erfassen.
• Da das Projekt an vorangegangene Studien aus dem Forprofit-Bereich (Cranfield) anschließt, wird es möglich sein einen Vergleich zwischen Strategien des Personalmanagements in Forprofit- und Nonprofit-Organisationen zu ziehen. Die Ergebnisse sollen die NPOs dabei unterstützen, durch effizienten Einsatz ihrer haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen weiterhin ihr Leistungsangebot aufrechtzuerhalten bzw. konkurrenzfähig zu bleiben.
• Im Zusammenhang mit der zunehmenden Professionalisierung und Konzentration auf Effizienzsteigerung im Nonprofit-Sektor ist ein Punkt des Projektes, erste Hinweise auf die Übertragbarkeit von (Personal)Managementinstrumenten des Forprofit- auf den Nonprofit-Bereich zu liefern, wobei besonders auf die Spezifika von Ehrenamtlichkeit und die der einzelnen NPO zugrunde liegenden Werte eingegangen werden soll.
• Weiters wird beabsichtigt, die Ergebnisse des Projektes mit denen der Studie „Quantitative Dimensionen des Nonprofit-Sektors in Österreich“ und der geplanten Studie „Die Rolle von ehrenamtlicher Arbeit und Spenden im österreichischen Wohlfahrtsstaat“ zu verknüpfen und so dem interdisziplinären Anspruch des FS gerecht zu entsprechen. Um die Gegenüberstellung von Kosten und Beitrag Ehrenamtlicher auf Mikroebene aussagekräftig zu machen und die Bedeutung des Ehrenamtes hervorzuheben, könnte im Rahmen des FS auch der Zusammenhang zur Makroebene hergestellt werden.
7. Kontaktadressen
Univ. Prof. Dr. Dudo von Eckardstein
Institut für Management und Wirtschaftspädagogik
Abteilung für Personalmanagement
Althanstraße 51
A-1090 Wien
e-mail: Dudo.Eckardstein@wu.ac.at
Tel: 313 36/4301
Mag. Marie Theres Raberger
e-mail: Marie-Theres.Raberger@wu.ac.at
Tel: 313 36/4304
Dr. Helene Mayerhofer
e-mail: Helene Mayerhofer@wu.ac.at
Sprechstunde: 10 – 12
Tel: 313 36/4308