Außenansicht des D3 Gebäudes

Wirkung der Wiener Mindestsicherung auf Bezieher*innen

Evelyn Dawid und Karin Heitzmann (2022)

Für die zielsichere Gestaltung von Sozialleistungen und die alltägliche Arbeit der auszahlenden und (die Bezieher*innen) betreuenden Institutionen – zB die Auftraggeberin der Studie – ist es wichtig, die konkrete Wirkung der Leistungen zu kennen. Bettet man die Sozialleistung Wiener Mindestsicherung (WMS) mit den Methoden der qualitativen Sozialforschung in die Lebensgeschichten der Beziehenden ein, zeigt sich praxisnah und detailreich, was gut funktioniert und wo es Handlungsbedarf gibt.
 

Eine Studie im Auftrag der Stadt Wien (Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht).

Die Studie zum Download:
Die Studie zum Download:

Key Findings
  • Mit bestürzender Klarheit spielt häusliche Gewalt gegen Frauen und vor allem Kinder eine prägende Rolle im Leben vieler Bezieher*innen.

  • Kinder aus Flüchtlingsfamilien in der Schule professionell zu unterstützen, ist essentiell, um einen späteren WMS-Bezug zu verhindern.

  • Die Aufweichung der Arbeitnehmerrechte (zB durch Leiharbeit) treibt Menschen, die diese Entwicklungen am eigenen Leib erfahren, geradezu in die WMS.

  • Die WMS sichert die Existenz von Menschen, die andernfalls nicht genug zum Leben hätten. WMS- Bezieher*innen leben jedoch in Armut und müssen mit ihren knappen Mitteln ständig "jonglieren".

  • Der Weg aus der WMS ist oft lang und von Rückschlägen durchzogen. Eine langfristige, individuelle, ganzheitliche und professionelle Betreuung hebt die Chancen.

Projektbeschreibung

Um die Wirkung der WMS auf Bezieher*innen festzumachen, wurden Informationen aus drei unterschiedlichen Perspektiven gesammelt, indem (1) Interviews mit Expert*innen aus der Sozialwirtschaft (zB aus Beratungsstellen), (2) Sozialarbeiterinnen und Referent*innen aus den Sozialzentren der MA 40 und (3) schließlich den Bezieher*innen selbst geführt wurden. So sind für die Auswertung aus insgesamt 34 Interviews mehr als 760 Seiten Information zusammengekommen.

Den Schwerpunkt bilden die Analysen der Lebensgeschichten der 18 Bezieher*innen, darunter 3 Asylberechtigte und 2 Menschen mit schwerer Behinderung: beides Gruppen, für die die WMS eine garantierte Leistung ist. Die restlichen 13 Personen haben einen häufig langen Weg hinter sich, der sie in das letzte soziale Netz der Stadt Wien geführt hat, aber auch während des WMS-Bezugs nachwirkt und so dazu beiträgt, dass viele Befragte über lange Zeit hinweg von der WMS abhängig bleiben. Wir konnten fünf unterschiedliche Wege in die WMS identifizieren:

Psychische Probleme stellen sich bei vielen Bezieher*innen früh ein und begleiten sie ein Leben lang.
Psychische Gesundheit ist eine Voraussetzung für eine nachhaltige Armutsbekämpfung. Die Interviews legen allerdings nahe, dass psychosoziale Problemlagen weder in den Sozialzentren noch beim AMS ausreichend berücksichtigt werden. Dort scheint es mehr um eine schnelle Qualifikation und (und damit oft kurzfristige) Arbeitsmarktintegration  zu gehen als um das Herstellen einer langfristig wirksamen Beschäftigungs- oder Qualifizierungsfähigkeit. Hier gibt es eindeutig Handlungsbedarf.

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