Außenansicht des D3 Gebäudes

Kulturmetropole Wien: ein prekärer Arbeitsort für Künstlerinnen und Künstler?

Evelyn Dawid und Karin Heitzmann (2023)

Eine Studie finanziert durch den Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die Wirtschaftsuniversität Wien.

Die Studie zum Download:
Die Studie zum Download:

Projekthintergrund

Wenige Monate nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie in Österreich protestierten die Künstlerinnen und Künstler in Österreich lautstark. Der erste Lockdown im Frühjahr 2020 hatte vielen von ihnen jede Verdienstmöglichkeit genommen und geradezu brutal vor Augen geführt, wie niedrig ihr Einkommen und wie schlecht ihre soziale Absicherung ist – und zwar immer. Es wurde vielen bewusst, dass sie nahe an oder in materieller Armut leben und dass der Sozialstaat für sie – als in aller Regel freischaffende Ein-Personen-Unternehmer·innen – in Krisen oder Notfällen keine Unterstützung vorsieht. Sie benötigten ein speziell für sie entwickeltes finanzielles Auffangnetz aus öffentlichen Geldern, um die lange Zeit der Pandemie, die sie zudem besonders hart traf, zu überstehen – ein Netz, das sie im Endeffekt sehr gut aufgefangen hat.

In der Corona-Zeit mit ihren vielen Unsicherheiten stand Armut verstärkt im Blickpunkt: Würde die Pandemie die Armut verschlimmern und in die Mittelschicht bringen? Wie kommen Menschen, die ein sehr niedriges Einkommen beziehen, mit solch einer Ausnahmesituation zurecht? In diese Fragestellungen hatten sich die Künstlerinnen und Künstler mit ihrem heftigen Protest geradezu hereinreklamiert – und wurden deshalb plötzlich auch in Studien der Armutsforschung berücksichtigt. So zum Beispiel in zwei qualitativen Erhebungen über den Zusammenhang von Armut und Corona-Krise, die vom Sozialministerium beauftragt und von der Armutskonferenz durchgeführt wurden. Sie lieferten
uns die Idee zum Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse hier vorgestellt werden. Es gab schon vor der Pandemie aussagekräftige Statistiken über die Arbeits- und Lebenssituation von Künstler·innen in Österreich, und die quantitative Datenlage ist seither noch deutlich besser geworden. Doch statistische Daten bleiben immer bis zu einem gewissen Grad abstrakt. So hatten sich ja sogar die Künstler·innen selbst, bevor ihnen die Pandemie die Augen geöffnet hat, sehr oft nicht in den Zahlen der Erhebungen wiedergefunden.

Qualitative Studien hingegen bilden den Alltag und die Berufspraxis bis ins kleinste Detail ab. Sie kommen nahe und gehen nahe: den Betroffenen und dem Publikum, das oft nicht weiß und sich gar nicht vorstellen kann, unter welchen Bedingungen und zu welchen Gagen die Menschen arbeiten, die sie gerade auf der Bühne oder im Orchestergraben sehen und hören. Die Zuschauer·innen auf den teuren Plätzen sind sich in aller Regel wohl nicht dessen bewusst, dass sie für ihre Karte mehr ausgegeben haben, als zB die Musiker·innen eines auf Alte Musik spezialisierten Orchesters als Abendgage brutto (!) nach Hause mitnehmen. Diese Wissenslücke möchte unsere Studie schließen, indem sie mehr Klarheit und damit Bewusstsein darüber schafft, was es ganz konkret bedeutet, in der Kulturmetropole Wien entweder am Theater oder im Musikbereich zu arbeiten: im fixen Engagement oder freischaffend, am Beginn, in der Mitte oder am Ende der Karriere, an großen, mittleren oder kleinen Bühnen, im Orchester oder in Kammermusikformationen, in Klassik, Jazz, Pop, Volksmusik oder Klezmer, in der Oper als Regisseur·in, Solist·in oder im Chor, in der Freien Theater- oder Tanzszene …

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