Hintere Außenansicht des D2 Gebäudes

Unternehmensbefragung in Oberösterreich zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt

Das Land Oberösterreich hat sich das Ziel gesetzt, vermehrt Menschen mit Behinderungen, insbesondere jene, die derzeit in Werkstätten beschäftigt sind, im Sinne der Inklusion in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Ein inklusiver Arbeitsmarkt sorgt nicht nur für mehr Chancengleichheit, sondern hebt auch wirtschaftliche Potenziale. Für die Umsetzung dieses Ziels ist die Entwicklung von begleitenden Maßnahmen wichtig, von denen Menschen mit Behinderung sowie heimische Unternehmen gleichermaßen profitieren können. 

Die Ergebnisse der Unternehmensbefragung in Oberösterreich zur aktuellen Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderungen sowie die Sichtweise der Unternehmen auf das Thema der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung sollen als Stütze bei der Entwicklung von Maßnahmen dienen.

Im Rahmen der Studie, der ein quantitatives Forschungsdesign zugrunde liegt, wurde eine Onlineerhebung unter knapp 600 Standorten von Kooperationsunternehmen, an denen bereits Menschen mit Beeinträchtigungen integrativ beschäftigt sind, sowie an über 170 oberösterreichischen Standorten von KMUs und Großunternehmen, durchgeführt.

Bei der Erhebung lag der Fokus auf nachfolgende drei Fragestellungen:

  • Welche Handlungen und Maßnahmen wurden bzw. werden seitens der Unternehmen gesetzt, um die Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigungen zu fördern?

  • Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen bei der Einstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen aktuell?  

  • Welche externen Unterstützungsmaßnahmen sehen Unternehmen als wesentlich an, um (vermehrt) Menschen mit Beeinträchtigung einzustellen?

Insgesamt flossen 111 Fragebögen in die finale Auswertung ein. Dabei handelt es sich vor allem um Unternehmen aus den Branchen „Herstellung von Waren“, „Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung“ sowie „Gesundheit und Soziales“. Mehr als die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen sind gemäß ihrer Beschäftigtenanzahl am Standort Kleinunternehmen und knapp drei Viertel der Standorte sind in einer ländlichen Region angesiedelt.

In den erfassten Unternehmen waren zum Zeitpunkt der Erhebung etwas mehr als 1.600 Personen mit Beeinträchtigung beschäftigt. Knapp ein Drittel dieser war im Rahmen der „Integrativen Beschäftigung“ bzw. der gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassung in den Unternehmen tätig. Ein weiteres Drittel gehörte dem Personenkreis der begünstigten Behinderten an. Die restlichen Personen waren im Rahmen der beruflichen Qualifizierung oder Arbeitsassistenz tätig bzw. wurden keiner dieser Gruppen zugeordnet.

Wie sich in den Auswertungen gezeigt hat, wurden an den Unternehmensstandorten bereits einige Maßnahmen umgesetzt, die die Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigungen positiv beeinflussen können. Diese betrafen vor allem die Möglichkeit der individuellen Gestaltung des direkten Arbeitsplatzes sowie die barrierefreie Gestaltung der zentralen Unternehmensgebäude. Darüber hinaus gab es in einem Großteil der Unternehmen auch die Möglichkeit der flexiblen Arbeitsplatzgestaltung.  

Grafik zur Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Behinderung in OÖ (im Text beschrieben)

Gleichzeitig ist aus den Ergebnissen erkennbar, dass trotz dieses Commitments die Unternehmen ein aktives Anwerben von Menschen mit Beeinträchtigungen bzw. die Umsetzung von dahingehenden förderlichen Maßnahmen nicht verfolgen. Sie verzichten beispielsweise in Stellenausschreibungen auf die bewusste an Menschen mit Beeinträchtigungen gestellte Aufforderung sich zu bewerben oder auf die Veröffentlichung von Stellenausschreibungen auf speziellen Jobbörsen für Menschen mit Beeinträchtigungen.

Grafik zur Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Behinderung in OÖ (im Text beschrieben)

Trotz der bereits umgesetzten Maßnahmen und dem Willen, hier weitere Schritte zu setzen, sehen die Unternehmen bei der Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigungen größere sowie kleinere Herausforderungen. Dies betrifft vor allem den zeitlichen und personellen Aufwand, der im Rahmen der Arbeitsplatzbegleitung von Personen mit einer intellektuellen und/oder psychischen Beeinträchtigung entstehen könnte. Zudem steht für viele Unternehmen der Tätigkeitsbereich des Unternehmens, der nur einen eingeschränkten Einsatz von Menschen mit intellektueller und/oder psychischer Beeinträchtigung zulassen würde, dem Fehlen qualifizierter Bewerber:innen gegenüber.

Ein tieferer Blick in die Daten zeigt jedoch, dass Standorte, die einen Großteil der förderlichen Maßnahmen zur Einstellung von Menschen mit Beeinträchtigung weitestgehend bzw. in ersten Schritten umgesetzt haben, die Einflussfaktoren, wie beispielsweise den zeitlichen und personellen Aufwand bei der Arbeitsplatzbegleitung oder die anfallenden Kosten bei der bedarfsgerechten Arbeitsplatzgestaltung, als weniger herausfordernd einschätzen. Auch die verbreitete Sorge, Personen mit Beeinträchtigung hätten eine geringere Produktivitätsleistung, sehen sie als eine geringere Herausforderung. Zudem fürchten sie auch weniger die Einstellung der Mitarbeiter:innen oder Kund:innen gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen und sehen diesen Faktor ebenso als weniger herausfordernd bei der Einstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen.

Die im Rahmen der Befragung vorgestellten Unterstützungsmöglichkeiten für Unternehmen, um mehr Menschen mit Behinderungen einzustellen und zu beschäftigen, wie z.B. die Organisation von Vernetzungstreffen zwischen Unternehmen, die Vorstellung von Good-Practice-Beispielen, mehr Informationen über Kosten und Erleichterungen beim Zugang zu Förderungen, wurden von der Mehrheit der befragten Unternehmen als hilfreich bewertet. Lediglich die vorgeschlagene Maßnahme, Unternehmen mehr in die Pflicht zu nehmen, mit entsprechenden Strafmaßnahmen bei Nichteinstellung, wurde als kontraproduktiv beurteilt.  

Zusammenfassend lässt sich gemäß den Befragungsdaten festhalten, dass der Weg zur (vermehrten) Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen für Unternehmen nicht immer einfach ist. Gleichzeitig werden seitens der Unternehmen die Herausforderungen in diesem Zusammenhang auch nicht als zu groß eingeschätzt. Demnach lohnt es sich in Zeiten des Fachkräftemangels und der zunehmenden gesellschaftlichen Verantwortung für Unternehmen, sich für die Inklusion von Menschen mit Behinderung einzusetzen.

Studie zu Beschäftigung von Menschen mit Behinderung
Studie zu Beschäftigung von Menschen mit Behinderung
Kontakt
Mag.rer.soc.oec. Selma Sprajcer

Selma Sprajcer

Senior Researcherin
Aufgaben: Themen im Bereich Menschen mit Behinderung und Barrierefreiheit, Freiwilligenarbeit, Zivilgesellschaft, wissenschaftliche Begleitung von Projekten
Mag.Dr.rer.soc.oec. Christian Grünhaus

Christian Grünhaus

(ehm. Schober) Wissenschaftlicher Leiter, Senior Researcher
Aufgaben: Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Evaluation, SROI-Analysen, Finanzierung, Spendenverhalten, Arbeitszufriedenheit und Motivation, Altenpflege und –betreuung, Menschen mit Behinderung bzw. Barrierefreiheit
Bich Diem Thy Nguyen, B.A.

Bich Diem Thy Nguyen

Junior Researcherin
Aufgaben: Arbeitsmarktintegration, Inklusion, Kinder und Jugendliche