Co-Founder und Director des WU Legal Tech Center Sophie Martinetz erklärt:

"Legal Tech ist die gebräuchliche Kurzform für Legal Technology. Darunter wird die Unterstützung oder der vollständige Ersatz der menschlichen Rechtsanwendung in digitaler Weise, also unter Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie, verstanden.

Letztlich ist Legal Tech aber ein komplexer Begriff. Legal Tech kann aus dem Blickwinkel verschiedener Disziplinen betrachtet werden und umfasst auch eine weite Bandbreite von technischen Aspekten wie Artificial Intelligence, Big Data, Blockchain, Smart Contracts, Machine Learning, NLP, Chatbots und E-Discovery und TAR Systemen. Damit ist eines der wichtigsten Elemente für das Verständnis von Legal Tech das Bewusstsein für die Vielschichtigkeit der Materie."

Co-Founder und Director des WU Legal Tech Center Univ.-Prof. Dr. Christoph Krönke erläutert:

"Die durch Legal Tech einhergehende Digitalisierung der Rechtsanwendung bringt jedenfalls enorme Chancen.

Einerseits berührt Legal Tech den Arbeitsbereich der Anwaltschaft. Es betrifft dabei das Handeln innerhalb der Kanzleien ebenso wie die externe Kommunikation und Klientenbetreuung sowie die Corporate Welt und deren Rechtsabteilungen. Die technologiegestützten Angebote auf dem privaten Rechtsmarkt haben sich schon heute vielfach als höchst leistungsfähig erwiesen und führten das Potenzial von Legal Tech auch der breiteren Öffentlichkeit vor Augen. Man denke nur an die Entschädigungen nach der europäischen Fluggastrechteverordnung und an die Bündelung von Ansprüchen gegen Automobilhersteller im Diesel-Skandal. Dabei können nicht nur die Qualität, die Effektivität und die Effizienz der Rechtsanwendung verbessert werden, sondern auch Preisvorteile für Verbraucher generiert und der allgemeine Zugang zum Recht durch niedrigschwellige Angebote erheblich ausgeweitet werden.

Ähnliches gilt für das Effektuierungs- und Optimierungspotenzial von Legal Tech im hoheitlichen Bereich. Auch hier werden (und müssen) Arbeitsabläufe und Kommunikation mit der öffentlichen Hand immer stärker digitalisiert (werden). Die Einbindung solcher Systeme ermöglicht eine in beliebiger Breite skalierbare Abarbeitung von Sachverhalten. Das kann insbesondere qualitativ optimierte, in größtmöglichem Maße sachrichtige Entscheidungen im Einzelfall bewirken. Das gerade auch dann, wenn dies auf Basis großer Datenmengen erfolgt."

Die beiden Gründer des WU Legal Tech Center berichten:

"Mit der Einbindung von Computertechnologien in private und hoheitliche Entscheidungsprozesse werden neben Chancen natürlich auch Risiken befördert. Gerade durch Automatisierungen im hoheitlichen Bereich werden dystopischen Vorstellungen geweckt, die mit einer „Verwaltung durch Maschinen“ gemeinhin verbunden werden. Mit diesem Titel schmückte schon H. P. Bull im Jahr 1964 seine Dissertation. Daher schürt das „Unterworfensein“ des Einzelnen unter einen kühl entscheidenden Algorithmen nicht völlig ohne Grund die Angst vor intransparenten Entscheidungen, gegen die sich der Einzelne mitunter nur unter Hinnahme (grund-)­rechts­staatlicher Abstriche zur Wehr setzen kann. Befürchtet werden auch strukturelle Diskriminierungen durch einprogrammierte Typisierungen. Zudem steigt mit zunehmender Komplexität der eingesetzten Systeme das Risiko mangelnder Steuer- und Kontrollierbarkeit durch die Verantwortungsträger.

Im Zentrum des WU Legal Tech Center steht herauszufinden, welchen Einfluss Digitalisierung, Privatisierung und Ökonomisierung auf den Rechtsbereich haben. Dabei sind die Chancen und Risiken von Legal Tech die zwei Seiten der selben Medaille. In Anbetracht der Vielzahl und Heterogenität sowohl der tatsächlichen Phänomene als auch der einschlägigen rechtlichen Maßstäbe lassen sich Für und Wider aber keineswegs eindeutig auflösen. Dagegen können wir hervorheben: Eine technisch und ökonomisch bestmöglich informierte rechtswissenschaftliche Begleitung von Legal Tech ist unverzichtbar - und genau die wird als oberste Zielsetzung des WU LTC verfolgt."