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2015 - Restitution to the community of heirs of Leopold Singer

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Am 1. Oktober 2015 wurden im Rahmen einer kleinen Feier in der ehemaligen Berndorf Bibliothek Wirtschaftssprachen (damals im Gebäude D2 untergebracht) 696 Bücher an Herrn Amir Singer, den Vertreter der Erbengemeinschaft nach Dr. Leopold Singer, zurückgegeben. Die Restitution erfolgte gemeinsam mit der Parlamentsbibliothek, die ebenfalls ein Buch an Leopold Singers Urenkel übergab.

Leopold Singer kam am 31. Juli 1869 in Wien als Sohn des jüdischen Kaufmanns Wilhelm Singer zur Welt. Er studierte zunächst an der k. k. Technischen Hochschule (heute TU Wien) Technische Chemie und wechselte dann an das Eidgenössische Polytechnikum (heute ETH Zürich). 1892 promovierte er an der Universität Zürich mit einer Arbeit zum Thema „Beiträge zur Theorie der Petroleumbildung. Im Anschluss daran arbeitete er in der Raffinerie seines Vaters Wilhelm in Orșova im heutigen Rumänien. In der Folge war er in verschiedenen Ländern in leitender Position bei Erdölraffinerien tätig. Ab 1909 war er darüber hinaus ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift „Petroleum“. Dass er sich nicht nur theoretisch mit seinem Fachgebiet auseinandersetzte, sondern sich auch der praktischen Weiterentwicklung intensiv gewidmet hat, wird nicht zuletzt durch dutzende Patente belegt, die er im Laufe der Jahre erworben hat.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich (März 1938) war auch Dr. Singer auf Grund seiner jüdischen Abstammung gezwungen, bei der neu eingerichteten Vermögensverkehrsstelle eine Vermögensanmeldung abzugeben. In dieser Erklärung erwähnt er ausdrücklich seine Bücher (u.a. von „technischen Werken“). Im März 1939 konnten Leopold Singer und seine Frau Jenny nach Großbritannien emigrieren. Er starb in London am 10. Juni 1942 in seinem 73. Lebensjahr.

Da jeder einzelne Band handschriftlich signiert bzw. gestempelt ist, konnte Dr. Leopold Singer eindeutig als ursprünglicher Besitzer identifiziert werden. Thematisch liegt der Schwerpunkt der aufgefundenen Bücher auf dem Gebiet der Erdölindustrie. Darüber hinaus finden sich einige Reise- und Sprachführer sowie Sachbücher über Kunst und Philosophie und Werke der Weltliteratur.

Der Weg dieser Bücher in die Bibliothek der heutigen Wirtschaftsuniversität Wien lässt sich nicht nachvollziehen. Obwohl jeder einzelne Titel penibel im Inventarbuch verzeichnet wurde, findet sich bei keinem der diesbezüglichen Einträge ein Hinweis auf die Art der Erwerbung. Auffällig ist jedoch die zeitliche Nähe des Beginns der Einarbeitung der Bücher in den Bestand der Hochschulbibliothek im Mai 1942 zum Ankauf von 104 Bücherkisten aus dem Dorotheum im März 1942 sowie von 87 Kisten Bücher aus den Beständen der Vugesta (Verwaltungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo) im April 1942. Das renommierte Auktionshaus Dorotheum, vor allem aber die Vugesta spielten eine zentrale Rolle bei der Verwertung jüdischer Besitztümer in Österreich.

Über Vermittlung des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus wurde im Juli 2014 Kontakt mit Herrn Amir Singer aufgenommen mit dem Angebot einer Restitution der Bücher. Seit 4. Oktober 2017 ist ein Teil der Privatbibliothek seines Urgroßvaters als Ergebnis der Provenienzforschung der WU Wien in der Dauerausstellung des Technischen Museums Wien zu Erdöl und Erdgas sichtbar.

Hier finden Sie einen Dokumentarfilm zu der Restitutionsfeier.

In einem Artikel der New York Times wurde 2019 auf die Restitution und die Einbindung von Singers Bibliothek in die Ausstellung des Technischen Museums Wien hingewiesen.

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