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125 Jahre WU: Sprachunterricht an der k. k. Exportakademie (1898 – 1919)

15. März 2023

Unter den sechs Fächergruppen, die an der k. k. Exportakademie als Vorgängerinstitution der WU angeboten wurden, waren von Anfang an die als am wichtigsten angesehenen Handelssprachen Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch und Serbokroatisch. Obwohl die Exportakademie bis zu ihrer Umwandlung in eine Hochschule im Jahr 1919 „nur“ als höhere Fachlehranstalt galt, wurden bereits für die Aufnahmeprüfung umfangreiche Fachkenntnisse vorausgesetzt. Absolventen einer Handelsakademie mussten sowohl in Französisch als auch in Englisch Übersetzungen aus einem „commerciellen Gebiet“ und Handelskorrespondenz in verschiedenen Bereichen verfassen können. Abiturienten einer Mittelschule hingegen wurden nur in Französisch, aber ebenfalls inklusive Handelskorrespondenz geprüft.

Das ursprünglich als Vorbereitungskurs konzipierte erste Studienjahr wurde ab 1902/03 in eine „Allgemeine Abteilung“ umgewandelt, die weiterhin auf den Übertritt in den Akademielehrgang vorbereitete, aber auch eine in sich geschlossene allgemeine kaufmännische Bildung vermittelte. In der Allgemeinen Abteilung wurde Französisch mit sieben und Englisch mit sechs Wochenstunden unterrichtet und konzentrierte sich auf schriftliche und mündliche Sprachbeherrschung sowie Handelskorrespondenz.

An der zweijährigen Akademie sah das Curriculum drei Fremdsprachen verpflichtend und auch als Diplomprüfungsfächer vor. „Französische Sprache und Correspondenz“ sowie „Englische Sprache und Correspondenz“ wurden in je zwei Kursen zu vier bzw. drei Wochenstunden unterrichtet, im zweiten Studienjahr vier Wochenstunden. Als dritte Sprache standen im zweiten Studienjahr mit sechs Wochenstunden Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch und Serbokroatisch zur Auswahl.

Die Lehrinhalte in Französisch und Englisch bestanden aus Grammatik, Lektüre, Übungen aus der Handelskorrespondenz, aber auch Konversation, was – wie das Vorlesungsverzeichnis vermerkt – die Fremdsprache immer mehr zur Unterrichtssprache machte.  Der Unterricht in der dritten Sprache beschränkte sich hingegen auf Elementargrammatik und Einführung in die „commerzielle Terminologie“.

Eine Handvoll Professoren, darunter Achille Decker und Charles Glauser (Französisch), Josef A. Donner (Englisch) und Josef Priebsch (Italienisch/Spanisch), bestritt das Lehrangebot. Josef Priebsch, immerhin ein Schüler des Romanisten Hugo Schuchardt, veröffentlichte 1919 neben Lehrbüchern eine landeskundliche Arbeit über Südamerika. Die Besprechung solcher kulturspezifischen Aspekte war ein zentrales Element im Lehrplan, das vor allem in die Konversationsübungen integriert wurde: „Diese Übungsstunden geben aber auch dem einzelnen Hörer Gelegenheit, Vorträge und Referate in der betreffenden Fremdsprache zu erstatten, und ermöglichen dem Leiter der Konversationskurse, die Sitten und Gebräuche, Verhältnisse und Gewohnheiten in den verschiedenen Sprachgebieten eingehender zu erörtern.“

Die Konversationskurse wurden ab 1903 angeboten und von Ludwig Kolisch geleitet. In kleinen Gruppen von sechs bis acht (!) Teilnehmern übten sich vor allem die Hörer der Akademie im Sprechen, „um den praktischen Erfolg der Ausbildung in den Welthandelssprachen zu erhöhen“. Dieser Zugang ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Fremdsprachenunterricht bis weit ins 20. Jahrhundert auf das Sprechen wenig Wert gelegt hat. Die Akademie setzte sich aber nicht nur zum Ziel, Studierende in der Fachsprache auszubilden, sondern auch die Allgemeinbildung mithilfe von „Wissenschaft und Literatur, Tageszeitungen und Fachjournale(n), sowie wirtschaftliche(n) Berichte(n) in den betreffenden Sprachen“ zu erweitern.

Interessant ist die Einbindung der fremdsprachlichen Korrespondenz in Geschäftsfälle des „Mustercomptoir“, auch Übungskontor genannt, also in etwa das, was wir heute an Handelsakademien als Übungsfirmen vorfinden. Die Exportakademie veröffentlichte dafür eigene Lehrbücher, die die Geschäftsfälle der einzelnen Firmen mit Standorten an den wichtigsten internationalen Handelsplätzen auflistete.

Zur fremdsprachlichen Ausbildung gehörte außerdem deutsche, französische und englische Stenographie, die von Hans Strigl unterrichtet wurde. Neben „schnellschriftlichen Übungen“ in den jeweiligen Sprachen wurde die Übertragung des deutschen Systems nach Gabelsberger auf das französische bzw. englische System trainiert. Die Akademie bot auch allgemein zugängliche Spezialkurse über „Stenographie in fremden Sprachen“ an, wobei entsprechende Kenntnisse der Fremdsprache(n) und der deutschen Stenographie Voraussetzung waren. Über das Geschlechterverhältnis und ob überhaupt Frauen solche Kurse belegten, liegen keine Daten vor. Es kann daher nur vermutet werden, dass sich mit Kursen wie diesem eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin und somit eine frühe Ausbildungsmöglichkeit für Frauen auftat. Aus heutiger Sicht kurios liest sich hingegen das Angebot von Sonderkursen für Kalligraphie in Kurrent-, Latein- und Rondschrift, denn „auf eine schöne Handschrift in kaufmännischen Kreisen (wird) besonderes Gewicht“ gelegt. Da hat sich in 125 Jahren dann doch einiges geändert.

Exportakademie
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