Das Forschungsinstitut für Kooperationen und Genossenschaften (RiCC)

06. Mai 2020

Seit 15 Jahren befasst sich das Forschungsinstitut für Kooperationen und Genossenschaften mit der betriebswirtschaftlichen und organisationstheoretischen Forschung rund um (österreichische) Genossenschaften. Grund genug für uns, die Perspektive in diesem Beitrag zu ändern und sich dem Institut, den unterstützenden Kräften sowie vergangenen, gegenwärtigen und möglichen zukünftigen Forschungsschwerpunkten, zu widmen.

Lesezeit: 4 Minuten

Kooperation zum Erreichen eines gemeinsamen Ziels – „Das RiCC“ - ganz im Sinne der genossenschaftlichen Idee

Das Forschungsinstitut für Kooperationen und Genossenschaften (RiCC) der WU Wien wurde im Jahr 2005 von Professor Rößl gegründet, der seither auch Leiter des Instituts ist. Der Gründung vorangegangen war die (bevorstehende) Auflösung des „Forschungsinstituts für Betriebswirtschaftslehre für Genossenschaften“, dessen prägende Persönlichkeit, Professor Wolfgang Kemmetmüller, in den Ruhestand trat. Den Bemühungen von Professor Mugler (ehem. Institutsvorstand des Instituts für KMU-Management) und Professor Rößl sowie den Kooperationszusagen der großen Revisionsverbände Österreichischer Genossenschaften (dem Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen – Revisionsverband (GBV), dem Österreichischen Genossenschaftsverband (ÖGV) und dem Österreichische Raiffeisenverband (ÖRV)) ist es zu verdanken, dass das Forschungsinstitut als Quasi-Nachfolge-Institut aus der Taufe gehoben wurde. Seit jeher steht das RiCC damit auch für Zusammenarbeit dieser genossenschaftlichen Sektoren und gemeinsames Handeln, ganz im Sinne genossenschaftlicher Organisationen.

Genossenschaftliche Lehre seit mehr als 100 Jahren

Bereits in den Jahren 1912 und 1913 wurde an der Wirtschaftsuniversität (damals: k.k. Exportakademie) die erste selbstständige, sich primär mit dem Genossenschaftswesen befassende, Lehrveranstaltung unter dem Titel „Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in Österreich unter besonderer Berücksichtigung der Reformvorschläge“ abgehalten. Das Forschungsinstitut für Kooperationen und Genossenschaften widmet sich Fragen des Managements von Kooperationsbeziehungen im Allgemeinen und von Genossenschaften als Spezialform kooperativen Wirtschaftens. Da bei Genossenschaften nicht die Eigenkapitalrendite sondern die Förderung der Mitglieder im Vordergrund steht, können Genossenschaften je nach Adressatenkreis der Förderungen dem For-Profit oder dem Not-For-Profit Bereich zugeordnet werden.

Das RiCC ist – so wie das Forschungsinstitut für Familienbetriebe und jenes für Freie Berufe – mit dem Institut für KMU-Management ressourcenmäßig und personell durch sogenannte „double-affiliations“ verbunden. Insbesondere die sogenannte „Ringvorlesung“, die für die Studierenden der speziellen Betriebswirtschaftslehre (SBWL) „KMU-Management“ veranstaltet wird, zeigt die erwähnte sektorenübergreifende Zusammenarbeit der Genossenschaftsverbände zum Wohle der Genossenschaftslehre und -forschung. In dieser facettenreichen Lehrveranstaltung sind die drei oben genannten, großen österreichischen Genossenschaftssektoren (ÖGV, ÖRV und der gemeinnützige genossenschaftliche Wohnbau, verkörpert durch den GBV) vertreten. Im aktuellen Format besteht die Lehrveranstaltung seit 2014. Seither wurden in dieser Lehrveranstaltung über 300 Studierende zum Wesen, den Grundprinzipien und den Charakteristika der Genossenschaften unterrichtet.

Forschungsschwerpunkte im Wandel der Zeit

Neben den Aufgaben in der Lehre sieht das RiCC den Kern seiner Tätigkeiten in der kooperations- und genossenschaftswissenschaftlichen Forschung. Das Institut beschäftigt sich mit Kooperationsprozessen und den Managementproblemen und Steuerungsmechanismen in kooperativen Beziehungen. In der Grundlagenforschung werden die Entstehung und die Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Koordinationsmechanismen in kooperativen Arrangements in ihren raum-zeitlichen Einbettungen analysiert (Markt, Hierarchie, beziehungsbezogenes maximenbasiertes Vertrauen und kontextbezogenes normenbasiertes Vertrauen). Dieses Forschungsinteresse zieht sich als roter Faden durch die Grundlagenforschung des RiCC und beeinflusst auch die angewandten Forschungsprojekte.

Und so wurden auf der Ebene der Grundlagenforschung vor allem Fragen der Entstehung und der Messung von maximenbasiertem Vertrauen in kooperativen Austauschbeziehungen durch Dietmar Rößl gemeinsam mit Matthias Fink (heute: Professor am Institut für Innovation Management an der Johannes Kepler Universität Linz), und Isabella Hatak (heute: Professorin für das Management von Klein- und Mittelunternehmen an der Universität St. Gallen) und Martina Pieperhoff (heute: Habilitandin an der TU Dresden) bearbeitet.

Zunehmend kam und kommt Themen der (wirtschaftlichen) Nachhaltigkeit eine größere Bedeutung in der Gesellschaft zu. Dieser generelle Trend in Richtung verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften spiegelt(e) sich auch im RiCC, das sich zunehmend mit Fragen der Nachhaltigkeit von Genossenschaften in global vernetzten Märkten, widmet(e). Und so hat sich Richard Lang (mittlerweile ebenfalls Professor an der Johannes Kepler Universität Linz) in den frühen „Zehnerjahren“ mit Fragen zu Sozialkapital, Wohnbaugenossenschaften und gemeinnützigem Wohnen beschäftigt; allesamt Bereiche, in denen er mittlerweile europaweit zu den führenden Expert/inn/en zählt. Seit nunmehr einigen Jahren  beschäftigt sich das RiCC mit dem Wissensstand der Österreicher/innen in Bezug auf Genossenschaften und vor allem mit den Komponenten und der Messung des „membership value“, den die Mitglieder der Genossenschaften wahrnehmen. Hier sind der ehemalige Mitarbeiter Stefan Radakovics und Gregor Rabong als aktueller Mitarbeiter zu nennen.

Das teilweise – und nicht erst seit „Corona“ – zu ortende Unbehagen der Menschen mit globalen Vernetzungen und unkontrollierbaren Abhängigkeiten wirft zahlreiche Fragen nach der (möglichen) Rolle von Genossenschaften als verantwortliche Akteure und Drehscheiben regionaler Wirtschaftskreisläufe auf. Auch wenn hier noch Einiges an konzeptiven Vorarbeiten zu leisten ist, möchte sich Gregor Rabong gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen des Instituts für KMU-Management, Barbara Kump und Jana Stefan, den Fragen des Zusammenspiels von wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit widmen.

Genossenschaften als zukunftsträchtige Gesellschaftsform: unsere Transferfunktion

Nicht zuletzt sehen wir es als unsere Aufgabe, die für vielfältige Geschäftsmodelle äußerst attraktive Gesellschaftsform „Genossenschaft“ breit in der österreichischen Wirtschaftslandschaft und Gesellschaft zu kommunizieren. Auch stehen wir für Fragen rund um das Thema Genossenschaft zur Verfügung und versuchen proaktiv das Wissen zu Genossenschaften bei den politischen Entscheidungsträgern aber auch generell in der österreichischen Bevölkerung auszubauen:

So haben wir im Rahmen der Reihe „WU matters. WU talks.“ im Oktober 2018 die Veranstaltung 200 Jahre F. W. Raiffeisen: Banking (Not) for Profit?! organisiert.

Am 20. Oktober 2020, 9:00-18:00, wird an der WU der „Tag der Genossenschaften - kooperatives Wirtschaften im Trend der Zeit“ veranstaltet. Im Festsaal wird es hochkarätige Diskussionen und Vorträge geben, während sich im Forum ca. 30 österreichische Genossenschaften aus den unterschiedlichsten Sparten präsentieren werden.
(Leider ist nicht ausgeschlossen, dass diese Veranstaltung aufgrund des grassierenden COVID-19-Virus auf Oktober 2021 verschoben werden muss.)

Wie bereits in vergangenen Blogbeiträgen, insbesondere in jenem zum aktuellen Regierungsprogramm von türkis-grün, dargestellt, ist die Genossenschaft eine Gesellschaftsform mit reicher Vergangenheit, aber auch viel Potenzial für die Zukunft. Wir vom RiCC freuen uns, diese Zukunft auch weiterhin zu begleiten und Sie als Leser/in unserer wissenschaftlichen Arbeiten und Blogbeiträge auch in Zukunft über das (österreichische) Genossenschaftswesen zu informieren.

Bei Anmerkungen, weiterführenden Informationen oder Anfragen zu einer Zusammenarbeit wenden Sie sich bitte an gregor.rabong@wu.ac.at, jana.stefan@wu.ac.at oder ricc@wu.ac.at.

Autor/inn/en: Gregor Rabong & Jana Stefan

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