Schüler*innengenossenschaft HLBLA St. Florian

06. März 2022

Mit Beginn des Schuljahres 2020/21 wurde in der HLBLA St. Florian die erste Schüler*innengenossenschaft Oberösterreichs gegründet. Was bislang die größten Erfolge und Herausforderungen waren und warum die Genossenschaft womöglich bald in die Nudelproduktion einsteigen muss, darüber berichten uns der Direktor der Schule, der Fachlehrer sowie zwei Schüler der Genossenschaft im Interview.

Lesezeit: 5 Minuten

"Geno schafft"-Redaktion (GsR): Bitte geben Sie uns vorab ein paar Informationen zu Ihren Personen und Ihren Funktionen in der Genossenschaft.

Hubert Fachberger (HF): Ich bin der Direktor der HLBLA St. Florian, mittlerweile im achtzehnten Jahr. Ich war auch derjenige, der mit dem Thema Schüler*innengenossenschaft als erstes kontaktiert wurde. Der oberösterreichische Raiffeisenverband ist vor mittlerweile drei Jahren mit der Frage an mich herangetreten, ob die Idee der Schüler*innengenossenschaft für uns interessant wäre. Ich habe dann ohne viel nachzudenken geantwortet, dass das auf jeden Fall relevant und interessant für uns ist. Sehr viele unserer Absolvent*innen sind in Genossenschaften tätig und mir war klar, dass das Thema in den letzten Jahren in der Ausbildung eigentlich eher vernachlässigt worden ist. Bei näherer Beschäftigung mit dem Konzept wurde für mich immer klarer, dass das tatsächlich eine Riesenchance für unsere Schüler*innen und insbesondere auch für unsere Schulorganisation ist. Genossenschaft zu sein heißt gemeinsam etwas zu schaffen, wozu man allein nicht in der Lage ist. Die Herausforderung war dann, jemanden, der das tatsächlich in die Wege leitet und Schüler*innen, die bereit sind mitzuwirken, zu finden. Weil es mir selbst ein großes Anliegen ist, bin ich aktiv in der Schüler*innengenossenschaft als Mitglied im Aufsichtsrat involviert.

Peter Föttinger (PF): Ich bin die Lehrperson, die die Genossenschaft betreut. Das heißt, ich habe die Gründung begleitet und leite die Unverbindliche Übung „Schülerinnen- und Schülergenossenschaften“, in der wir zusätzlich zu den Arbeiten rund um die Genossenschaft zweimal die Woche zusammenkommen, um zu planen, was als nächstes gemacht wird. Die Führung hat grundsätzlich der Obmann über, der managt alles. Ich bin nur der Betreuer, der darauf schaut, dass alles Hand und Fuß hat. So viel zu mir. Ich habe noch zwei Schüler mitgebracht, die von Anfang an relativ involviert in der Genossenschaft waren.

Jakob Lindinger (JL): Ich bin gerade in der zweiten Klasse und war schon ziemlich von Anfang an dabei. Meine Tätigkeit ist hauptsächlich die Buchhaltung, also, dass ich mich um das Finanzielle kümmere.

Paul Lehner (PL): Ich bin auch im zweiten Jahrgang und seit Anfang dieser Klasse dabei. Als ich die Genossenschaft als Unverbindliche Übung gesehen habe, habe ich mir gedacht: „Das interessiert mich - da wird viel gemacht und da braucht es immer neue Ideen!“. Ich bin der ‚Hühnerbeauftragte‘, beschäftige mich als solcher mit jeglichen Tätigkeiten rund um unsere Hühner und habe mich unter anderem auch um den Kauf der Hühner gekümmert.

GsR: Die Schüler*innengenossenschaft ist ja eine besondere Form der Schüler*innenfirma. Was ist das Besondere an Schüler*innengenossenschaften im Vergleich zu anderen Schüler*innenfirmen?

HF: Wir haben in der Schule auch Übungsfirmen, die in den Unterricht integriert sind, allerdings erst im vierten Jahrgang. Das heißt, unsere Schüler*innen kommen erst relativ spät mit dieser Thematik, was es heißt, aktiv zu wirtschaften und einen Betrieb zu führen, in Berührung. Das große Manko der Übungsfirmen ist, dass das Ganze nur virtuell passiert. Bei der Schüler*innengenossenschaft geht es dagegen um echtes Geld. Wir haben erstmals die Möglichkeit wirklich zu wirtschaften. Also nicht nur im geschützten Raum, sondern die Genossenschaft muss sich überlegen, wie sie zu finanziellen Mitteln kommt, sich organisiert, das Business betreibt, die Risiken verteilt, so, dass am Ende des Tages auch etwas überbleibt.

GsR: Wie ist die Gründung der Schüler*innengenossenschaft an der HLBLA St. Florian abgelaufen?

HF: Grundsätzlich ist das Projekt vor der Corona-Pandemie angelaufen. Es gab vor der ersten Welle schon einige Treffen. Als dann der Lockdown kam, haben viele damit gerechnet, dass das ganze Projekt schon wieder zum Stillstand kommt, bevor es noch richtig gestartet wurde. Dem war aber Gott sei Dank nicht so! Hier gilt mein besonderer Dank Peter Föttinger, der so viel Enthusiasmus und Energie aufgebracht hat, die Schüler*innengenossenschaft Schritt für Schritt umzusetzen. Es hat anfangs einen Ideenworkshop mit Schüler*innen gegeben, bei dem wir schnell gemerkt haben, dass die Schüler*innen viel Begeisterung aufbringen und viele gute Ideen haben, wie man dieses abstrakte Thema Schüler*innengenossenschaft tatsächlich mit Leben erfüllen kann. Unter anderem kam die Idee auf, eine Tierhaltung an der Schule zu implementieren. Das ist eine Idee, die es in St. Florian schon seit 50 Jahren gibt und die die Schüler*innengenossenschaft tatsächlich erreicht und umgesetzt hat.

PF: Zur Gründung kann ich da noch ergänzen, dass wir die ersten Infoveranstaltungen zu Pandemiezeiten gemacht haben: in einzelnen Gruppen beziehungsweise einzelnen Klassen - so viele wie gerade erlaubt waren. Es war ein großer koordinativer Aufwand, dass jede*r dasselbe weiß und vom Selben redet und trotzdem jede*r seine*ihre Ideen einbringen kann. Deshalb hat sich der Gründungsprozess eigentlich recht lange – konkret über ein ganzes Schuljahr – gezogen, bis wir wieder alle zusammenkommen durften. Das größte Hindernis war, dass wir als Genossenschaft zur Gründung eine Versammlung brauchten, zu der wir alle zusammenkommen mussten, aber leider durften in dieser Zeit keine Versammlungen stattfinden. Deshalb fand die Gründung dann erst im Juni 2021 statt. Da haben wir alles Theoretische geplant und im Hintergrund schon mit dem Bau vom Hühnerstall angefangen. Im September haben wir dann den Betrieb richtig gestartet: die Hühner eingestellt, zum Wirtschaften angefangen, Investitionen getätigt. Paul hat sich um die Hühner gekümmert, hat geschaut, dass Futter- und Wasserspender vorhanden sind; alles mit dem Ziel, dass wir am Tag der offenen Tür der Schule hauseigene Eier präsentieren können. Das haben wir geschafft. Und seitdem kommen wir wöchentlich zwei Stunden zusammen, verteilen im Prinzip nur Arbeit, managen, wer wann was tut und was die nächsten Schritte sind, die wir gehen. Es gibt beispielsweise auch einen Dienstplan, wer in den Ferien in die Schule fahren muss um die Hühner zu füttern, Wasser zu geben und die Eier abzunehmen. Dabei lass ich mich als Lehrer auch wirklich außen vor. Die Schüler*innen bzw. der Obmann und seine Assistent*innen tragen die volle Verantwortung.

GsR: Bitte erzählen Sie mehr über den Geschäftsbetrieb der Genossenschaft!

PL: Der Hühnerstall ist mit Herrn Föttinger und den Schüler*innen in der Holzverarbeitung gebaut worden. Als er fertig war, ist die Genossenschaft richtig ins Rollen gekommen. Es ist ein mobiler Hühnerstall, den man mit dem Traktor immer wieder am Schulgelände bewegen kann, sodass die Hühner immer wieder frischen Auslauf haben. Ich habe mich dann gemeldet, dass ich Hühner besorge. Ich habe bei mir in der Umgebung einen Geflügelbetrieb kontaktiert und ausgemacht, dass wir 20 Hühner für einen verbilligten Preis bekommen. Im Gegenzug haben wir beim Tag der offenen Tür Werbung für den Betrieb gemacht. Aktuell verkaufen wir die Eier vorrangig an die Lehrer*innen unserer Schule. Wir haben auch schon einmal einen Verkauf in der Aula gemacht und überlegen bereits, wie wir überschüssige Eier verwerten können. Die Hühner legen pro Tag um die 18-19 Eier. Ich fühle mich sehr wohl als Hühnerbeauftragter. Ich mach das gerne, weil ich Zuhause auch mal Hühner gehabt habe und hier mein Wissen umsetzen kann.

GsR: Wie setzen sich die Mitglieder der Genossenschaft zusammen?

JL: Grundsätzlich gibt es den Freigegenstand (genau genommen die Unverbindliche Übung) „Schülerinnen- und Schülergenossenschaften“, der von der zweiten bis zur fünften Klasse belegt werden kann. Dann gibt es noch den Genossenschaftsbeitrag: man kann auch Anteile an der Genossenschaft kaufen, wenn man nicht den Freigegenstand besucht. Damit ist man dann sozusagen ein stiller Teilhaber und unterstützt die Genossenschaft. Da wir aber nur sehr klein sind, gänzlich ohne Provision. Wenn man also wieder austreten will, bekommt man den geleisteten finanziellen Anteil zurück. Das ist für uns eine Unterstützung und eine Art Vorfinanzierung, damit wir mal ins Wirtschaften kommen und Geld verdienen können. Unser Ziel ist möglichst eigenständig von diesen Anteilen zu werden und ohne sie leben und arbeiten zu können.

PF: Im Freigegenstand sind wir circa 25 Personen. Das sind alle, die wirklich zusammenkommen und die Arbeit erledigen, sich also auch aktiv in die Genossenschaft einbringen. In Summe sind 80 Personen Genossenschafter*innen: hier sind auch Lehrpersonen, Küchenpersonal, Hausmeister dabei - wer dazugezahlt hat, der kann dabei sein. Da dürfen alle teilnehmen, auch die ersten Jahrgänge. Den Freigegenstand gibt‘s aber nur von der Zweiten bis zur Fünften.

GsR: Wie finanziert sich die Genossenschaft?

HF: Die Genossenschaft finanziert sich durch den Geschäftsbetrieb, also durch den Verkauf von Eiern und durch Anteile. Es gibt natürlich auch externe Unterstützer*innen. Tatsächliche Genossenschaften treten als Partner*innen des Projekts auf und unterstützen durch Sachleistungen oder Anschubfinanzierungen. Wir sind den Weg gegangen, nicht eine Genossenschaft als Partner zu wählen, sondern gleich mehrere, um uns von vornherein breiter aufzustellen.

PF: Die Anteile sind natürlich nicht Geld, das verdient ist, weil das kriegt jede*r ja wieder zurück, wenn er oder sie aussteigt. Das heißt die wirtschaftliche Einnahme ist rein aus dem Eierverkauf. Die Sachspenden und Unterstützungen, die wir bekommen haben, haben wir vor allem am Anfang gebraucht, damit man den Hühnerstall bauen - und damit den Betrieb anfangen - konnte. Dass man auf die 80 Mitglieder kommt, ist natürlich auch zeitaufwändig und arbeitsintensiv für die Schüler*innen gewesen, weil man jedem*jeder Schüler*in erklären muss, was wir da machen, warum er*sie da mitmachen sollte und warum er*sie uns jetzt 10€ geben sollte.

GsR: Vor welchen Herausforderungen standen Sie bisher? 

JL: Die größte Herausforderung war zunächst, dass der Stall rechtzeitig fertig wird. Der Lockdown ist unserem ursprünglichen Ziel dazwischengekommen und dann war noch die Herausforderung, dass wir den Betrieb rechtzeitig aufnehmen, damit wir am Tag der offenen Tür schon etwas präsentieren können. Das haben wir dann eigentlich ganz gut geschafft.

PF: Für mich als Lehrperson war die größte Herausforderung die Abwicklung der Gründung. Es war meine erste Genossenschaftsgründung und das macht man auch nicht jeden Tag. Von dem her war es auch viel Aufwand die Gründung zu organisieren, alles selber zu verstehen und dieses Wissen auch so weiterzuvermitteln, damit die Schüler*innen wissen worum es geht. Ich habe dafür weniger Bedenken gehabt, wie es mit den Schüler*innen funktionieren wird. Da habe ich vollstes Vertrauen gehabt und es hat auch funktioniert, dass ich die Verantwortung zu großen Teilen an die Schüler*innen weitergeben konnte. Sie sind da äußerst engagiert und zuverlässig. Die ersten Ferien waren auch eine Herausforderung, ob das funktioniert, dass da jemand kommt und die Hühner füttert, aber es hat ohne Probleme funktioniert. Sowas funktioniert auch nur in einer guten Gemeinschaft, dass man sich wirklich verlassen kann auf jede*n. Und das haben sie gemeistert.

GsR: Was waren die größten Erfolge, die die Genossenschaft bislang feiern konnte?

HF: Aus meiner Perspektive war die formale Gründung ein Riesenerfolg, aber der noch viel größere Erfolg ist, dass es operativ auch läuft. Dass wirklich so viele Schüler*innen so begeistert dabei sind, das haben wir im Vorfeld nicht abschätzen können. Das ist eine große Freude. Zu einem großen Teil liegt das an Peter Föttinger, es zeichnet aber auch unsere Schüler*innen aus.

JL: Da kann ich Herrn Fachberger nur zustimmen. Dass es so gut läuft, das hätte ich am Anfang auch nicht gedacht. Die Aufgaben werden von allen fristgerecht erledigt und alle Projekte, bei denen wir gesagt haben, dass wir sie umsetzen wollen, haben wir bis jetzt auch umgesetzt.

PL: Für mich war der größte Erfolg, als der Hühnerbetrieb einwandfrei funktioniert hat. Dass alle ihre Aufgaben erledigen und auch noch Spaß dabei haben. Für mich steckt viel Vertrauen dahinter. Denn: wenn die Hühner nicht gefüttert werden, schaut’s nicht gut aus für sie.

PF: Für mich als Lehrer und als Absolvent der Schule ist die größte Freude, dass die Schule jetzt eigene Nutztiere besitzt, weil das schon so lange ein Thema war und dass diese Idee mit der Schüler*innengenossenschaft endlich umgesetzt wurde.

GsR: Was sind die nächsten Schritte in der Entwicklung der Genossenschaft? Gibt es schon Pläne oder Ziele für die Zukunft?

PL: Ein Ziel ist, den Hühnerstall zu vergrößern: Wir möchten gerne mehr Hühner haben, weil wir am Schulgelände genug Platz haben. Dann haben wir neue Aufgaben, eine größere Eierproduktion, mehr Eier und dann kommen sicher wieder die nächsten Schritte. Wie zum Beispiel, dass wir in die Nudelproduktion einsteigen oder was auch immer wir dann mit den Eiern machen können. Also ein Hauptziel ist, dass wir eine Produktion haben, die läuft und dass die Eier immer verwertet werden können.

JL: Ein weiteres Ziel der Genossenschaft ist auch, dass es ab dem nächsten Schuljahr ein einheitliches Praxisgewand gibt, mit dem wir in der Öffentlichkeit einheitlich auftreten können. Dieses Gewand soll dann über die Schüler*innengenossenschaft finanziert werden.

GsR: Wir bedanken uns recht herzlich für das Interview, wünschen der Schüler*innengenossenschaft bei allen Aufgaben und Vorhaben viel Erfolg und freuen uns bereits darauf, die zukünftige Entwicklung zu verfolgen!

Autorin: Ines Birke

Bei Anmerkungen, weiterführenden Informationen oder Anfragen zu einer Zusammenarbeit wenden Sie sich bitte an gregor.rabong@wu.ac.at oder ricc@wu.ac.at.

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