Schüler*innengenossenschaft HAK/HAS Ried

06. Dezember 2022

Im Juni 2022 sprach Geno schafft mit Lea Frauscher und Xaver Vorich von der Schüler*innengenossenschaft HAK/HAS Ried im Innkreis. Ihr Jahrgang war der erste, der anstatt einer Übungsfirma eine eigene Genossenschaft gründete. Die Schüler*innen gießen und verkaufen dabei Kerzen aus regionalem Bienenwachs. Wie sie die Gründung erlebten und was bislang ihre größten Erfolge waren, erzählen sie uns im Interview.

Lesezeit: 8 Minuten

„Geno schafft“-Redaktion (GsR): Xaver und Lea, bitte stellt euch vor und erzählt, welche Funktionen ihr in der Genossenschaft innehabt.

Xaver Vorich (XR): Ich bin 18 Jahre alt, im vierten Jahrgang der HAK Ried und bin Obmann unserer Genossenschaft.

Lea Frauscher (LF): Ich bin ebenfalls 18 Jahre alt, auch im vierten Jahrgang und bin die Obmann-Stellvertreterin der Genossenschaft.

GsR: Wie ist die Gründung eurer Genossenschaft abgelaufen?

XR: Der Vorschlag eine Schüler*innengenossenschaft zu gründen kam von unseren Lehrer*innen. Diese haben uns gefragt, ob wir Lust hätten und wir haben eigentlich alle sofort zugesagt. Zu Schulanfang haben wir dann auch gleich mit der Planung und dem Aufbau des Projektes begonnen. Als erstes haben wir überlegt, was überhaupt unser Geschäftsmodell werden könnte. Da sind wir dann relativ schnell auf Kerzen kommen, weil wir die regional produzieren können. Als nächstes haben wir einen Businessplan und eine Satzung erstellt. Und dann haben wir schon die Gründungsversammlung gehalten.

GsR: Wie viele Mitglieder hat die Genossenschaft aktuell und was sind die Voraussetzungen um Mitglied zu werden?

XR: Aktuell hat die Genossenschaft circa 80 Mitglieder. Von denen sind der Großteil Schüler*innen. Ich würde schätzen, wir sind um die 60 Schüler*innen. Der Rest sind Lehrer*innen oder Privatpersonen, die uns anderweitig unterstützt haben. Zum Beispiel sind auch einige von der Raiffeisenbank, die uns betreut hat, Mitglieder.

LF: Die einzige Voraussetzung, um Mitglied der Genossenschaft zu werden, ist der Mitgliedsbeitrag. Das sind zehn Euro. Man kann natürlich auch mehr einzahlen, aber mindestens zehn Euro. Und dann ist man eigentlich schon dabei.

GsR: Wie ist das Projekt an der HAK Ried in den Lehrplan eingebunden?

XR: Es gibt in den verschiedenen Klassen an unserer Schule Übungsfirmen. Das sind fiktive Firmen anhand derer man Geschäftsabläufe übt. Wir als die Agrarklasse haben aber jetzt das erste Mal nicht so eine fiktive Firma gegründet, sondern die Genossenschaft, die ein echtes Unternehmen mit echtem Geschäftsbetrieb ist.

LF: Unser Jahrgang hat also das Projekt der Schüler*innengenossenschaft gestartet und wir haben es jetzt an die Agrarklasse des nächsten Jahrgangs weitergegeben. Von denen waren einige schon davor Mitglied und manche davon sogar im Vorstand oder im Aufsichtsrat. Die meisten der Mitglieder der Genossenschaft sind aus dem vierten Jahrgang, aber wir haben darauf geachtet, dass auch immer schon Personen aus der zweiten und dritten Klasse eingebunden waren. Auf diesem Weg haben sie mitbekommen, wie alles abläuft und sind jetzt, wo sie die Genossenschaft übertragen bekommen haben, schon vorbereitet darauf.

GsR: Wie fühlt sich das für euch an, dass ihr ein echtes Unternehmen betreibt anstatt einer Übungsfirma? Warum habt ihr euch für die Funktionen als Obmann und Stellvertreterin der Genossenschaft gemeldet?

XR: Wie groß der Unterschied zu einer Übungsfirma ist, hängt von den einzelnen Personen ab. Die wichtigen Positionen in der Genossenschaft sind freiwillig besetzt worden. Wenn jetzt aber eine Person nicht so viel Zeit aufbringen will, kann sie auch eine Aufgabe verrichten, die sie genauso in einer fiktiven Firma gemacht hätte. Zum Beispiel die Buchhaltung ist nicht großartig anders als bei einer Übungsfirma, mit dem einzigen Unterschied, dass es bei der Genossenschaft um echtes Geld geht. So gesehen ist es eigentlich für die, die das Projekt nicht so interessiert, gleich und für alle, die sich gern engagieren, eine super Möglichkeit, etwas umzusetzen und Kontakte zu knüpfen. Ich bin seit Anfang des Jahres stellvertretender Schulsprecher und habe in dieser Funktion gemerkt, dass es mir sehr viel Spaß macht, Dinge zu organisieren und Wege zu finden, mit denen ich etwas verändern kann. Deshalb habe ich mich als Obmann aufstellen lassen.

LF: Am Anfang war es ein wenig beängstigend, wie man das alles aufbaut, wie man einen Businessplan schreibt, wie man eine Satzung aufsetzt. Mittlerweile finde ich es aber echt cool. Also es taugt uns allen voll. Da kann ich, glaube ich, wirklich für alle sprechen. Bei mir persönlich war es so, dass ich bei solchen Projekten meistens sehr engagiert bin und auch viel Spaß daran habe, wenn ich etwas organisieren und mitentscheiden darf. Als ich gehört habe, dass es auch einen Obmann oder Obfrau Stellvertretung gibt, habe ich mich gleich aufstellen lassen.

GsR: Wie finanziert sich eure Genossenschaft und was genau ist euer Geschäftsmodell?

XR: Die Genossenschaft finanziert sich durch die Mitgliedsbeiträge. Da ist genug zusammengekommen um mal ein Startkapital zu haben. Dadurch, dass unsere Produkte sehr gefragt waren, haben wir einen so großen Gewinn erwirtschaftet, dass die nächste Klasse einen guten Startpolster hat. Also finanziell schaut es derweil sehr gut aus.

LF: Zusätzlich haben wir uns durch Sponsoren finanziert. Zum Beispiel hat die Raiffeisenbank die Eintragung ins Firmenbuch gesponsert. Unser Geschäftsmodell ist, dass wir Kerzen aus regionalem Bienenwachs produzieren. Das Wachs beziehen wir von einem lokalen Imker und gießen es schließlich in der Schule zu Kerzen. Diese verkaufen wir dann zum Beispiel am Bauernmarkt.

GsR: Wie viele solcher Verkäufe hattet ihr schon und wie viele Kerzen habt ihr insgesamt verkaufen können?

XR: Durch die Natur unseres Stundenplans geht es sich nicht aus, dass wir genügend Kerzen produzieren um jede Woche am Markt zu verkaufen. Wir haben drei oder vier Mal auf Märkten verkauft. Einmal haben wir eine Spendenaktion für die Ukraine gemacht. Unsere Verkäufe sind nicht regelmäßig, sondern richten sich danach, wie viele Kerzen wir gerade produzieren konnten und wie viele vom letzten Verkauf übergeblieben sind. Es ist bis jetzt eigentlich immer so gut gelaufen, dass die Produktion fast nicht nachgekommen ist mit der Nachfrage. Darauf sind wir sehr stolz.

LF: Insgesamt schätze ich, dass wir wahrscheinlich rund 200 Kerzen verkauft haben. Das hört sich jetzt nach nicht so viel an, aber wenn man bedenkt, dass wir eigentlich erst im Februar zu produzieren angefangen haben und in der Woche nur zehn bis 20 Kerzen produzieren können, ist es auch etwas, auf das wir sehr stolz sind.

GsR: Der Preis für eine kleine Kerze von euch liegt bei 6,90€, eine mittlere sind dann schon 9,90€. Dieser Preis liegt deutlich über dem, den man im Einzelhandel für eine vergleichbare Kerze ausgeben würde. Was glaubt ihr, warum die Nachfrage bei euch trotzdem so hoch ist? Stecht ihr durch eure Produkte heraus oder kaufen die Leute eure Kerzen, weil sie die Schüler*innengenossenschaft unterstützen wollen?

XR: Es steht außer Frage, dass eine große Firma und vor allem ein Konzern weitaus günstiger produzieren kann. Wir haben wirtschaftlich gesehen ja auch keine großen Mengen. Aber wenn jemanden Regionalität wichtig ist und er oder sie dabei noch ein Projekt wie unseres unterstützen will, dann hat das einen gewissen Preis. Und wir haben diesen Preis so fair wie möglich angesetzt. Im Endeffekt glaube ich, dass wir durch unsere Regionalität bei Kund*innen punkten können.

LF: Die Angst, dass der Preis zu hoch für Kund*innen wäre, haben wir auf jeden Fall auch gehabt. Wir haben allerdings den Preis berechnet und anders wäre es sich einfach nicht ausgegangen. Entgegen unserer Befürchtungen verkaufen sich die Kerzen aber sehr gut. Zum einen glaube ich, dass Leute es cool finden, dass wir das Projekt als Schüler*innen machen und sie uns unterstützen wollen. Zum andere schätzen es Kund*innen, dass es Kerzen aus Bienenwachs sind. Sie riechen echt gut und brennen sehr lange.

GsR: Wie ist eure Genossenschaft organisiert?

LF: Innerhalb unserer Genossenschaft haben wir mehrere Abteilungen. Dazu gehören zum Beispiel Verwaltung und Organisation, Marketing, Buchhaltung und Verkauf. Jede Person konnte sich für die Abteilungen bewerben, die sie am meisten interessiert hat. Ich glaube also, dass die Motivation vor allem auch daherkommt. Jede*r tut etwas, das er oder sie gerne macht und wo eine gewisse Leidenschaft dahintersteckt.

XR: In unserer Klasse sind wir 25 Personen, die sich in drei bis fünf Personen auf die verschiedenen Abteilungen aufteilen und die zentrale Arbeit erledigen. Obwohl wir die Agrarklasse genannt werden, haben wir nur zwei Personen, die auch den Agrarzweig gewählt haben. Die anderen machen die normale HAK.

GsR: Die Idee der Schüler*innengenossenschaft an landwirtschaftlichen Schulen ist ja, dass viele Schüler*innen in ihrem späteren Berufsleben Mitglieder bei Agrargenossenschaften sein werden und so schon in der Schule Erfahrungen mit dieser Rechtsform sammeln können. In eurem Fall trifft das so aber nicht zu, weil ihr beide nicht dem Agrarzweig angehört. Könnt ihr euch trotzdem vorstellen, in eurem Berufsleben Teil einer Genossenschaft zu sein?

XR: Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich später beruflich machen will, aber ich glaube, dass die die Fähigkeiten, die man sich in einer Schüler*innengenossenschaft aneignet, einem überall im Leben helfen werden. Während es vielleicht in der Schule manchmal noch funktioniert, dass man sich durchschummelt, ist das in einer echten Firma anders. Angewohnheiten wie gewissenhaftes Arbeiten und Verlässlichkeit sind überall wichtig. Und das sind auch die Eigenschaften, die ich mir persönlich aus dem Projekt mitnehme.

LF:  Also ich weiß schon, was ich später nach der Schule machen will. Da habe ich jetzt zwar keine Genossenschaft eingeplant, aber es war für mich einfach cool die Erfahrung zu machen und ich kann mir jetzt auch vorstellen, dass wenn sich mal die Möglichkeit ergibt, ich bei einer einsteigen würde.

GsR: Was waren die größten Herausforderungen in der Genossenschaft?

LF: Die größte Herausforderung war eine Idee zu finden, was unser Geschäftsmodell werden sollte. Am Anfang hatten wir noch Ideen wie zum Beispiel ein Badesalz oder Geschenkkörbe. Als wir uns dann auf die Kerzen geeinigt haben, war der Businessplan die zweite große Herausforderung. Im Endeffekt haben wir aber auch das gut gemeistert.

XR: Ich würde auch dazusagen, dass die Teamarbeit sehr gestärkt worden ist. Ich habe da am Anfang meine Bedenken gehabt, weil ich selbst eher auf der chaotischen Seite bin in Sachen Schule, aber die ganze Klasse hat an einem Strang gezogen und ist die Situation gemeinsam angegangen. Klarerweise sind bei so einem Projekt alle darauf angewiesen, dass wenn man sich Termine und Deadlines ausmacht, diese eingehalten werden. Und das funktioniert wirklich super.

GsR: Was waren die größten Erfolge der Genossenschaft oder auch für euch persönlich?

XR: Ich bin sehr stolz darauf, dass wir so viel Nachfrage haben. Das andere ist, ich war ehrlich gesagt am Anfang skeptisch, ob wir das wirklich schaffen. Weil so eine Gruppe voller 17, 18-Jähriger, denkt man sich vielleicht, ja, das wird eher nix. Aber man hat wirklich gemerkt, dass der Teamgeist da war, wir uns alle zusammengerissen und an einem Strang gezogen haben. Und jetzt haben wir so eine super Sache auf die Beine gestellt. Auf das bin ich sehr stolz.

LF: Ich glaube für mich war einer der größten Erfolge, wie wir die Gründungsversammlung endlich abgehalten hatten. Das war ein Meilenstein für uns, mit dem wir von der Gründung in die Produktion übergehen konnten. Und wie ich dann gesehen habe, wie alles seinen Lauf genommen hat und ohne wirkliche Komplikationen funktioniert hat – das haben wir richtig gut gemeistert. Wie der Xaver bereits erwähnt hat, am Anfang waren wir alle ein wenig skeptisch. So, wir sind 17, 18 Jahre alt und wir sollen da jetzt eine Genossenschaft gründen? Aber im Endeffekt haben wir so viele Erfahrungen gesammelt und wertvolle Kontakte geknüpft. Es hat mir wirklich Spaß gemacht und ich würde es sofort immer wieder tun. Ich fände es cool, wenn das Projekt an mehr Schulen durchgeführt werden würde, weil es eine super Möglichkeit ist, Praxiserfahrungen zu sammeln.

XR: Dem kann ich mich nur anschließen.

GsR: Was plant die Genossenschaft für die Zukunft?

XR: Die offizielle Übergabe an den nächsten Jahrgang hat bereits stattgefunden. Wir haben heute noch ein Abschlussessen gehabt und jetzt schauen wir im Grunde vor allem, dass die Übergabe so reibungslos wie möglich funktioniert, damit die nächste Klasse möglichst schnell weiterarbeiten kann. Wir haben damals die Satzung so gestaltet, dass eher mehr Spielraum herrscht, weil es immer sein kann, dass eine andere Klasse andere Stärken und Interessen hat und etwas anders machen will. Derzeit schaut es aber so aus als würde der nächste Jahrgang im Großen und Ganzen so weitermachen wollen.

GsR: Geno schafft wünscht euch und der Genossenschaft alles Gute für die Zukunft und wir bedanken uns für das Interview

Autorin: Ines Birke

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