NPO-Institut (Verein)

VEREINS- UND STEUERRECHT

Höhne & Lummerstorfer berichten

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Gesellschafts- und Vereinsrechtliches zum Jahresbeginn

Was das böse Virus kann, kann der österreichische Gesetzgeber schon längst: einen Zustand verlängern. Da aber bekanntlich das böse Virus kein Österreicher ist, sondern – natürlich! gewöhnlich gut informierte Kreise haben das von Anfang an gewusst! – ein Ausländer, wird es sich, so steht zu hoffen, bei dieser Verlängerung nicht um ein Dauerprovisorium handeln. Jedenfalls – wie erwartet, werden die gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Regelungen verlängert. Aber nicht nur das, es gibt auch praktische Neuerungen:

Während § 2 Abs. 3a des Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetzes nur zuließ, dass Mitgliederversammlungen, an denen mehr als 50 Personen teilnahmeberechtigt sind, bis zum Jahresende 2021 verschoben werden konnten, gilt dies nun für alle Vereine. Im Wortlaut: „Abweichend von § 5 Abs. 2 erster Satz VerG kann eine Versammlung bis zum Jahresende 2021 verschoben werden.“ Für alle Vereine? Naja. Der Chimborazo der Gesetzeskunst ist das (wieder) nicht gerade, wie schon in der ersten Fassung. Denn dieser § 5 Abs. 2 Vereinsgesetz sagt ja nur, dass Mitgliederversammlungen zumindest alle fünf Jahre einzuberufen sind. Was aber, wenn in Vereinsstatuten eine Frequenz von, sagen wir, zwei Jahren vorgesehen ist und das Ende dieser zwei Jahre in den Lockdown gleich welcher Konsistenz fiel? Beim Wort genommen, half da diese Gesetzesbestimmung niente, nada, Nüsse. Und beim Wort genommen, tut sie das jetzt auch nicht. Lasset uns also vermuten: Der Gesetzgeber, von dem immer nur das Beste anzunehmen ist, will sicherlich auch das Beste für die Vereine. Also meint er wohl: „Abweichend von § 5 Abs. 2 erster Satz VerG und von Statutenbestimmungen, die kürzere Einberufungsintervalle vorsehen, kann eine Versammlung bis zum Jahresende 2021 verschoben werden.“ Na bitte. Geht ja. Also: wer 2020 laut Statuten eine Mitgliederversammlung hätte machen sollen und das nicht geschafft hat, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben – das geht auch noch das ganze Jahr 2021.

Aber was bringt uns das „verlängerte“ Einberufungsintervall der Generalversammlung, wenn uns derweil die Funktionsperioden diverser Organe, insbesondere eines vertretungsbefugten Vorstands, ablaufen? Unser aller Innenministerium hatte da schon vor längerer Zeit eine Idee, frei nach dem Motto: „Denn eben wo Gesetze fehlen, da stellt die Flex[1] zur rechten Zeit sich ein“, und erklärte, dass die Mitteilung der Verschiebung der Generalversammlung aufs nächste Jahr auch gleich eine Verlängerung der Funktionsperioden bedeute. So weit, so verfassungswidrig. Aber vielleicht hatten die Juristen des Innenministeriums ja auch eine Vision, und statt zum Arzt zu gehen[2], bastelten sie daraus einen Erlass. Und was visualisierten sie in dieser Vision? Genau das, was uns der Gesetzgeber nun mit dem zweiten Satz des § 2 Abs. 3a beschert: „Eine davor ablaufende Funktionsperiode eines Vereinsorgans verlängert sich bis zu dieser Versammlung, sofern nicht früher dessen Abberufung oder eine Neubestellung erfolgt.“ Das bedeutet: Wenn der Verein seine Mitgliederversammlung auf irgendwann im Jahr 2021 verschiebt, dann gelten vorher ablaufende Funktionsperioden als bis zu dieser Versammlung verlängert.

Und damit uns nicht fad wird, gibt uns der Gesetzgeber auch gleich ein Rätsel auf: „…sofern nicht früher dessen Abberufung oder eine Neubestellung erfolgt.“ Was will er uns damit sagen? Er geht offenbar davon aus, dass der Verein für die Verlängerung der Funktionsperioden eine Versammlung bräuchte (was jedenfalls für den Vorstand bei so gut wie allen Vereinen der Fall ist). Und weil man so eine Versammlung derzeit nicht schafft, werden die Funktionsperioden quasi automatisch bis zu dieser verschobenen Versammlung verlängert. Sofern man nicht vorher abberuft oder neubestellt. Aber das kann man doch auch nur durch eine Versammlung! Wie soll man sich das nun vorstellen? Es gibt eine Versammlung gegen Ende 2021, bis zu der sich die Funktionsperioden verlängern, und dann gibt es schon vorher eine, in der man abberuft und/oder neu bestellt? Wobei aber ex lege die verlängerten Funktionsperioden mit dieser Versammlung ohnehin zu Ende gehen! Irgendwie ein Messer ohne Klinge, an welchem der Stiel fehlt.[3] Oder doch Schrödingers Katze?

Egal. Da sich am Rest des Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetzes nichts ändert, gilt dessen § 1 weiterhin: Versammlungen von Organmitgliedern von Gesellschaften aller Arten, Stiftungen (die gemeinnützige Stiftung hatte man schon im März 202 vergessen, also warum sich jetzt daran erinnern, wird schon irgendwie dazugehören), Vereinen etc. können, auch wenn Gesellschaftsvertrag oder Statuten dies nicht vorsehen, auch 2021 ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt und Beschlüsse können auch auf andere Weise als in physischer Versammlung gefasst werden. Wäre die Verlängerung von Funktionsperioden der einzige Grund für eine Versammlung, so können wir in aller Seelenruhe (so wir eine haben, Seele, Ruhe oder beides) bis zum Sommer, Herbst oder noch länger warten. Wollen wir neue Personen in die Organe wählen oder sonstige Beschlüsse fassen, steht uns die ganze Bandbreite von virtuell bis schriftlich zur Verfügung.

Und was ist mit Funktionsperioden, die nicht erst unter Geltung dieses Gesetzes (also ab 1.1.2021) ablaufen, sondern anno primo pandemiae, also sagen wir, ab Inkrafttreten des ersten Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetzes (22.3.2020) schon abgelaufen sind? Gute Frage. Das Gesetz spricht ja nur von „davor (= vor der irgendwann 2021 stattfindenden Versammlung) ablaufenden Funktionsperioden“, bedient sich also des Präsenspartizips („ablaufende“), und nicht etwa jenes des Präteritums („abgelaufene“). Das schließt daher schon 2020 abgelaufene – jedenfalls nach dem Wortlaut des Gesetzes – nicht ein. Während wir uns einige Tage lang fragten, ob da die Verordnung des BMJ Erhellendes (und das Gesetz ein bisserl Hinbiegendes) bringen würde, stellte sich bald Ernüchterung ein: die Verordnung hat die alte Verordnung einfach verlängert. Na gut, besser als nix. Wie bisher gelten die Sonderbestimmungen für die Generalversammlung eines Vereins auch für Delegiertenversammlungen (no na, eine Delegiertenversammlung ist ja nix anderes als eine Mitgliederversammlung) sowie für andere Vereinsversammlungen, an denen mehr als 30 Personen teilnahmeberechtigt sind (was das für krakenartige Organe sein sollen, bleibt unserer Fantasie überlassen – ein Vorstand oder Beirat mit mehr als 30 Teilnehmern? Klingt ja extrem realitätsnah). Damit sind die Be­stimmungen des § 4 der Verordnung gemeint (bloß passive virtuelle Teilnahme + aktive Teilnahme auf andere Weise; ausschließlich schriftliche Abstimmungen).

Was heißt das also im Klartext?

  • „Echte“ virtuelle Versammlungen (die klassische Zoom- oder Teams- oder Webex-Konferenz, bei der alle in Echtzeit aktiv und passiv dabei sind): Mitgliederversammlung einschließlich Delegiertenversammlung, wie überhaupt Versammlungen aller Vereinsorgane sie

  • „Hatscherte“ virtuelle Versammlung (passiv in Wort und Bild dabei, Wortmeldung und Stimmabgabe aber auf andere Weise, wie etwa über Telefon oder E-Mail): Mitgliederversammlung einschließlich Delegiertenversammlung sowie sonstige Versammlungen mit mehr als 30 Teilnahmeberechtigten.

  • Nur schriftliche Abstimmung oder Wahl: so wie bei der „Hatscherten“.

Und noch einmal genau hingeschaut: Verlängern sich die Funktionsperioden nun ganz automatisch, oder muss man etwas dazu tun? Gesetzliche Bedienung der Verlängerung ist offenbar, dass jene Versammlung, die das betreffende Organ wählt, verschoben wird. Diese Verschiebung kann wohl nur das Leitungsorgan (Vorstand) beschließen. (Stimme aus dem Hintergrund: Und wenn der schon abgelaufen ist? – Ruhe da hinten! Woher soll ich das wissen?) Mit Beschluss der Verschiebung tritt auch die Verlängerung ein. (Schon wieder der in der letzten Reihe: Und bis wann? - Blöde Frage. Na bis zur verschobenen Versammlung!) So, hammas jetzt? (Der hinten gibt keine Ruhe: Und wenn man noch nicht genau weiß, auf wann man verschiebt?) Da ist jetzt ein Schuss Pragmatik gefragt. Am besten wird es sein, man teilt der Behörde mit, die Mitgliederversammlung auf Ende Dezember 2021 zu verschieben und ersucht, die Funktionsperioden der vertretungsbefugten Vorstandsmitglieder bis Ende 2021 einzutragen. Die Eintragung im ZVR ist zwar nicht konstitutiv (rechtserzeugend), aber Sie werden ein offiziell aussehendes Papierl brauchen, wenn Sie z. B. zur Bank gehen. Dann ist die Vertretungsbefugnis für 2021 jedenfalls einmal in trockenen Tüchern, und wann die Versammlung wirklich stattfindet, kann fürs erste ja offenbleiben.

Autor:
Dr. Thomas Höhne
Partner, Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG

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[1] "Wir sind sozusagen die Flex, die Trennscheibe für die Gesundheitsbehörden, um die Infektionskette rasch zu durchbrechen." – Innenminister Karl Nehammer, 16.4.2020.

[2] Helmut Schmidt (1918 – 2015).

[3] Georg Christoph Lichtenberg (1742 - 1799)