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Geschichte der Provenienzforschung an der WU

Geschichte des Provenienzforschungsprojekts an der Universitätsbibliothek der WU Wien

Im Mai 2010 begann die Universitätsbibliothek der Wirtschaftsuniversität Wien mit der systematischen Suche nach raubgutverdächtigen Büchern im Bestand der Hauptbibliothek (jetzt Bibliothekszentrum).

Den Einstieg in die Recherche nach Raubgutbeständen bildete die Suche nach etwaig vorhandenem einschlägigem Aktenmaterial – beispielsweise Korrespondenzen oder Rechnungen – im Bibliotheksarchiv. Trotz großen zeitlichen Aufwands konnte letztlich nur ein Schriftstück gefunden werden, das einen Hinweis auf unrechtmäßig erworbenes Bibliotheksgut in der Zeit des Nationalsozialismus liefert. Das Auffinden des Bibliothekstagebuchs und des Verrechnungsbuchs im Herbst 2013 im Zuge der Übersiedlung der WU vom 9. in den 2. Bezirk war daher ein wahrer Glücksfall für die Provenienzrecherche.

In der Folge wurden im – damals noch provisorischen – Universitätsarchiv die Präsidialakten im Hinblick auf Einträge durchgesehen, die die Bibliothek betreffen. Dabei musste allerdings festgestellt werden, dass von den wenigen bibliotheksrelevanten Archivalien einige in Verstoß geraten sind. 

Im nächsten Schritt wurden die vollständig vorhandenen – ursprünglich Einlaufbücher genannten – Inventarbücher gesichtet. Diese systematische Überprüfung der entsprechenden Erwerbungszeiträume half einerseits bei der Ersteinschätzung und Beurteilung von Erwerbungsvorgängen, warf andererseits aber auch viele neue Fragen auf, da zum Beispiel nicht identifizierbare Kürzel bzw. Eintragungen vorgefunden wurden. Bei sehr vielen Zugängen fehlt zudem jedweder Hinweis auf Herkunft und/oder Lieferanten. Eine zusätzliche Erschwernis für die Nachforschungen besteht darin, dass die Chronologie nicht durchgängig eingehalten wurde. So finden sich etwa Einträge aus dem Jahr 1942 hinter solchen aus den 1950er Jahren. Damit zerschlug sich die Hoffnung, dass aufgrund der Numerus-currens-Aufstellung nur ein eingegrenzter Signaturenbereich durchgesehen werden müsste.  Mit der alleinigen Sichtung der Inventarbücher war es daher nicht getan, weitere Aufschlüsse konnte nur eine Buchautopsie bringen.

Im Laufe des Projekts wurden ca. 66.000 Bände im Magazin der Hauptbibliothek überprüft und in vier Kategorien eingeteilt: „unverdächtig“, „verdächtig“, „sicheres Raubgut“ und „keine genaue Zuordnung möglich“. Als „verdächtig“ wurden 1.121 Erwerbungsfälle eingestuft, davon wurden bisher 731 Titel eindeutig als „sicheres Raubgut“ identifiziert. Im Zuge der bisher durchgeführten Recherchen konnten diese 11 Provenienzen zugeordnet werden. Für einen großen Teil der Bücher im untersuchten Bestand war keine genaue Zuordnung möglich. Dies liegt daran, dass sie keine identifizierbaren Provenienzspuren aufweisen, oder dass durch buchbinderische Maßnahmen Besitzvermerke und andere Hinweise entfernt bzw. überklebt wurden. In die Kategorie „unverdächtig“ fallen jene Bücher, in denen sich ein eindeutiger Hinweis findet, dass es sich dabei nicht um NS-Raubgut handeln kann. Als Beispiel sei der Stempel „Export-Akademie“ genannt, die 1919 in die Hochschule für Welthandel umgewandelt wurde.

Anschließend wurden die ehemalige Bibliothek Wirtschaftssprachen und die OeNB Bibliothek Sozialwissenschaften im Hinblick auf Raubgutbestände autopsiert.

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