Scheller-Boltz, Dennis 2016. The Face of Europe: Conchita Wurst ...

The Face of Europe: Conchita Wurst and the Discourse of Exclusion in Putin’s Russia. An Introduction to Russian Queer Linguistics (Kubon & Sagner Media, 2016)

Der Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest 2014 war der Anstoß für eine Debatte um Geschlecht, Sexualität und Identität allgemein, wie es sie in Russland bis zu dem Zeitpunkt und in der Form nicht gegeben hatte. Bemerkenswert war nicht nur die Tatsache, dass eine solche Debatte überhaupt geführt und dass dabei offen – und teils geradezu hemmungslos – über geschlechtliche und sexuelle Identität(en) gesprochen wurde. Überraschend war insbesondere auch die Intensität der Debatte, die sie ungewöhnliche und mitunter skurrile Ausmaße annehmen ließ.

Die Monografie The Face of Europe: Conchita Wurst and the Discourse of Exclusion in Putin’s Russia. An Introduction to Russian Queer Linguistics widmet sich dem Diskurs über Geschlecht und Sexualität in Russland und beleuchtet anhand des Sieges von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest als diskursives Ereignis sprachliche und soziokulturell bedingte Mechanismen, die die Wahrnehmung und (Re)Konstruktion von Geschlechtsidentität(en) und damit unmittelbar von Geschlechterbildern und -stereotypen beeinflussen. Es wird ersichtlich, dass die Debatte um Conchita Wurst nicht aus ihrer gesellschaftlichen Verankerung herausgelöst werden kann, da die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Identitätskonzepten soziokulturelle, soziopolitische und soziohistorische Verhältnisse an die Oberfläche trug und es aber gleichzeitig auch ebendiese Verhältnisse waren, die die hier behandelte Debatte entfachten. Ein weiterer Schwerpunkt der Monografie leitet sich aus der Frage ab, wie Sprache in der besagten Debatte um die österreichische Künstlerin in unterschiedlicher Form als Regulierungs- und Konstruktionsmedium eingesetzt wurde, um unter anderem zu diskriminieren, marginalisieren und auszuschließen.

Dieser Untersuchungsfokus macht deutlich, dass einige linguistische Fragestellungen in Bezug auf Geschlecht und Sexualität anders zu stellen sind bzw. dass in diesem Zusammenhang neue Fragen aufkommen, denen sich die russistische Gender- und Queer-Linguistik zukünftig annehmen sollte. Dadurch kann die linguistische Forschung in unterschiedlichen Disziplinen nur bereichert werden.