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2013 - Restitution an den Erben nach Wilhelm Suschitzky

Im September 2013 wurde erstmals eine Restitution durchgeführt. Ein zweibändiges Werk aus der (Antiquariats-)Buchhandlung der Brüder Philipp und Wilhelm Suschitzky konnte an Wolf Suschitzky (1912–2016), den Neffen von Philipp und Sohn von Wilhelm, zurückgegeben werden. Es handelt sich dabei um die von Heinrich Schmidt-Jena im Jahr 1914 in zwei Bänden herausgegebene Festschrift „Was wir Ernst Haeckel verdanken: ein Buch der Verehrung und Dankbarkeit; [Ernst Haeckel zum 80. Geburtstag, 16. Februar 1914]“.

Auf dem Vorsatzblatt des zweiten Bandes befindet sich ein eingeklebtes Etikett, das auf rosa Hintergrund das Wahrzeichen des 10. Wiener Gemeindebezirks, die "Spinnerin am Kreuz", zeigt, das als Firmenzeichen gewählt wurde. Unter der Abbildung steht „Brüder Suschitzky Buchhandlung u. Antiquariat Wien. X. Favoritenstr. 57.“, darüber die lateinischen Worte "Ad Lucem“.

Philipp Suschitzky, geboren 1875, gründete gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm (1877–1934) im Herbst 1901 im Wiener Arbeiterbezirk Favoriten eine „Sortiments- und Antiquariatsbuchhandlung (mit angeschlossener Leihbibliothek)“, die 1911/12 durch die Gründung des auf sozialkritische Literatur spezialisierten, tendenziell linkliberalen „Anzengruber-Verlag Brüder Suschitzky“ erweitert wurde. Ab Ende der 1920er Jahre war das Familienunternehmen dauernden Feindseligkeiten von rechtskonservativer und ständestaatlicher Seite ausgesetzt und geriet nicht zuletzt aufgrund etwa von Buchkonfiskationen nach Hausdurchsuchungen und langwierigen Gerichtsverhandlungen in finanzielle Schwierigkeiten. Nach dem Selbstmord von Wilhelm Suschitzky im April 1934 wurde dessen Geschäftsanteil auf seine Witwe Adele (1878–1980) übertragen.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich (März 1938) flohen Philipp Suschitzky und seine Frau Olga nach Frankreich, von wo beide im September 1942 nach Auschwitz deportiert und im dortigen Vernichtungslager ermordet wurden. Adele Suschitzky konnte nach London flüchten, wo ihre Tochter Edith Tudor-Hart und ihr Sohn Wolf Suschitzky lebten.

Obwohl sich ein ehemaliger Mitarbeiter des Unternehmens um die „Arisierung“ der Firma bemühte, wurden sowohl die Buchhandlung als auch der Verlag im Oktober 1938 geschlossen, die Bücher wurden veräußert.

Die beiden angeführten Bände wurden am 11. Juni 1946 unter der Überschrift „Fremde Diss.[ertationen]“ ohne Angabe eines Lieferanten oder eines Kaufpreises inventarisiert. Da (deshalb) der Nachweis eines rechtmäßigen Erwerbs nicht erbracht werden konnte und aufgrund der Tatsache, dass sowohl die (Antiquaritats-)Buchhandlung als auch der Verlag „Brüder Suschitzky“ nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten liquidiert wurden und die Eigentümer zur Flucht gezwungen waren bzw. ermordet wurden, entschied die UB im Einverständnis mit dem Rektorat, diese Bücher zu restituieren. Die Übergabe fand, wie eingangs berichtet, im September 2013 in Wien statt. Der in London lebende Wolf Suschitzky hielt sich zu diesem Zeitpunkt anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Edith Tudor-Hart – Im Schatten der Diktaturen“ im Wien Museum, die dem fotografischen Werk seiner Schwester, einer renommierten Dokumentarfotografin, gewidmet war, in der Bundeshauptstadt auf.

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