TRAFOS Bürger*innengenossenschaft & das „Haus der Nachhaltigkeit“ im Innviertel

06. Juni 2021

Ein Gespräch mit Hans Moser, Vorstandsmitglied der BürgerInnengenossenschaft TRAFOS, lädt zum Tag-träumen ein: Das „Haus der Nachhaltigkeit“ in Ried im Innkreis hat am 1. Juni 2021 eröffnet und bietet Geschäfts- und Veranstaltungsräume für all jene, die nachhaltige und regionale Angebote schaffen. Neben einem Handelsgeschäft gibt es im Haus bereits ein Café-Restaurant mit Bio-regionaler Küche, einen Kunsthandwerksladen und viele weitere BewohnerInnen. Im Kern der BürgerInnengenossenschaft steckt eine engagierte Gemeinschaft, die die Genossenschaft in den letzten Jahren aufgebaut hat und unter der Prämisse der Nachhaltigkeit arbeitet – dies lässt sich bereits im Namen erkennen: T ransparent, R egional, F air, O ekologisch und S olidarisch. Welche Herausforderungen die TRAFOS meistert, welche Erfolge sie feiert und welche Rolle eine mittelalterliche Zinngießerei für die Genossenschaft spielt, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.

Lesezeit: 7 Minuten

„Geno schafft“: Herr Moser, bitte erzählen Sie über die Entstehung der TRAFOS.

Hr. Moser: Die TRAFOS hat sich – ursprünglich über einen Verein – vor drei Jahren konkreter formiert. Wir haben uns gefragt: Wie kann man Themen der Nachhaltigkeit, Themen der Regionalität und das soziale Zusammenwirken in einer Gemeinschaft oder in einer Stadt besser fördern? Ich selbst habe lange davor mit Genossenschaften zu tun gehabt, auch in vielen Gründungsprojekten, dadurch war mir das nichts Neues. Und den Personenkreis der TRAFOS kenne ich persönlich sehr gut und zähle ihn zu meinen FreundInnen. Der Start war die Planung einer gemeinsamen Messe, wo wir Initiativen und Personen, die sich dem Thema der Nachhaltigkeit stärker verpflichtet fühlen, eine Plattform bieten wollten. Das war ein großer Erfolg und aus dem heraus hat sich zunächst ein Verein entwickelt. Es hat sich dann in Ried ein möglicher Standort aufgetan, das war ein altes Stadthaus aus dem Mittelalter, das zum Teil unter Denkmalschutz steht. Die Bausubstanz war entsprechend sanierungsbedürftig und es hätte wohl maximal eine/r von zehn gesagt, dass man das sanieren kann. Dennoch war es unser Anspruch, das „Haus der Nachhaltigkeit“ daraus zu machen und nach ökologischen Standards zu sanieren. Das Gebäude ist eine alte Zinngießerei aus dem Mittelalter, so wurde der Geschäftsname „Giesserei“ daraus. Außerdem wollen wir damit zeigen: Wir als TRAFOS wollen Dinge in neue Formen gießen.

„Geno schafft“: Ein ambitioniertes Renovierungsvorhaben.

Hr. Moser: Und möglich war das nur – das war uns von Anfang an klar – wenn es entsprechende Eigenleistungen gibt. Alles auszuschreiben und an eine Firma zu vergeben, das wäre unbezahlbar und wir könnten das, was wir hier vorhaben, nicht verwirklichen. Das war auch der Grund, wieso es zur Gründung der Genossenschaft gekommen ist, weil wir einfach eine Unternehmensform brauchten, in der wir etwas mehr Struktur und Klarheit und wirtschaftliche Prüfung hatten und es leichter war, die handelnden Personen auch aktiv einzubinden und diesen Personenkreis noch zu erweitern. Und das war noch bevor die Entscheidung gefallen ist, ein Haus zu kaufen und unseren Vereinsgedanken operativ umzusetzen. Dann haben wir eine erste Gründungsversammlung gehabt, bei der die Frage im Raum stand, wer wirklich aktiv mitarbeitet. Von den damals anwesenden fünfzig Personen haben sich über dreißig dazu bekannt, wenigstens einen Tag im Monat aktiv für die Genossenschaft zu arbeiten. Derzeit haben wir knapp einhundert Mitglieder und ich kann sagen, ein gutes Drittel ist ehrenamtlich aktiv tätig.

„Geno schafft“: In welcher Form bringen sich die Mitglieder ein?

Hr. Moser: Die aktive Einbringung war bisher eng an unsere Ziele und zunächst an den Vereins-, dann an den Genossenschaftszweck gebunden.  Wir haben Workshops gemacht und uns gefragt: Was wollen wir? Welche Ziele ergeben sich daraus? Und aus dem haben sich Projektgruppen gebildet, die für verschiedene Themen zuständig waren, etwa für Co-Working, Pop-Up Stores, Veranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit und so weiter. Im letzten Jahr war die ehrenamtliche Arbeit stark an die Sanierung des Hauses gebunden – da hatten wir ein starkes Team und alle aktiven GenossenschafterInnen haben sich eingebracht; die einen haben zwei Tage in der Woche gearbeitet, andere einen Tag im Monat. In Summe sind viele tausend Stunden Ehrenamtlichkeit in dieses Haus geflossen. Die Genossenschaftsmitglieder haben auch durch ihre finanzielle Beteiligung über Geschäftsanteile und Darlehen erst die Realisierung dieses Projektes ermöglicht. Und das Investitionsvorhaben war ein gewaltiges, wir haben in Summe zirka 1,5 Millionen investiert – das muss ja auch wieder zurückgeführt werden. Diese Investitionssumme haben wir zur Hälfte mit Bankkrediten und zur Hälfte mit Darlehen der Mitglieder aufgebracht. 

„Geno schafft“: Würden Sie über den Förderauftrag der Genossenschaft erzählen?

Hr. Moser: Der Förderauftrag – das steht sehr schön in unseren Leitlinien: Wir wollen in unserem Umfeld aktiv an der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit mitarbeiten, wir laden Gleichgesinnte zur Zusammenarbeit ein, wir unterstützen nachhaltige Lebensstile in der Region und wir bieten Räume und Möglichkeiten zum Austausch von Waren, Dienstleistungen, zur Entwicklung von Ideen und Angeboten. Das ist das, was wir wollen und verbunden wird es in Themen der Nachhaltigkeit, der Transparenz, der Regionalität, der Ökologie, des solidarischen Handelns – das ist die Klammer. Darüber hinaus wollen wir unabhängig von irgendwelchen Institutionen oder Parteien sein, das steht bei uns ganz vorne: Wir sind ein offenes Haus und insbesondere für alles, was unseren Zielsetzungen entspricht, aufgeschlossen.

„Geno schafft“: Hatten Sie bei der Gründung konkrete Vorbilder, etwa andere BürgerInnengenossenschaften? 

Hr. Moser: Vorbilder, die das eins zu eins abbilden wie bei uns, das sicher nicht. Natürlich haben wir uns ein bisschen schlau gemacht, wo es BürgerInnengenossenschaften gibt. Da gibt’s ja einiges. Aber so konkret, dass wir das hätten kopieren können, nein.

„Geno schafft“: Gab es im bisherigen Bestehen der TRAFOS aus Ihrer Sicht besondere Herausforderungen oder Erfolge?

Hr. Moser: Ich glaube der größte Erfolg bisher sind die Aufmerksamkeit und die Zustimmung, die wir mit diesem Projekt bekommen. Die größte Herausforderung ist auch weiterhin, die vielen Ideen in die praktische Umsetzung zu bringen und dafür begeisterte GenossenschafterInnen zu finden, die sich aktiv einbringen.

„Geno schafft“: Wie ist denn das allgemeine Stimmungsbild in der Region gegenüber der Genossenschaft?

Hr. Moser: Wir haben alleine mit der ersten Messe und verschiedensten Veranstaltungen zu dem Thema Klima eine gewisse Aufmerksamkeit erregt. Ried ist eine Stadt mit 12.000 EinwohnerInnen, also da ist alles noch sehr überschaubar und unseren Wirkungsbereich haben wir auf das gesamte Innviertel ausgerichtet. Da gibt’s natürlich unterschiedlichste Personengruppen, die sich dem Gedankengut näher fühlen und die uns unterstützen. Die generelle Zustimmung ist groß – der eine sagt „das ist eh schon ein altes Haus gewesen, das so lange leer gestanden ist“, der andere begrüßt unseren Gedanken der Nachhaltigkeit, wieder andere erwarten unter Umständen aber eine/n Konkurrenten/Konkurrentin, zum Beispiel durch die Gastronomie. Also da liegt man natürlich auch im Wettbewerb, aber die öffentliche Zustimmung ist eine sehr große. Die Zustimmung bemerken wir auch, weil wir bei einem Start-Up Preis in der Stadt Ried mit unserem Projekt als Sieger hervorgegangen sind oder als LEADER Projekt (Anmerkung der Redaktion: ein europäisches Förderprogramm zur innovativen Förderung des ländlichen Raumes) für förderungswürdig gehalten wurden.
 

„Geno schafft“: Was kommt denn in den nächsten Wochen und Monaten auf Sie zu?

Hr. Moser: Alles, was einem Start-Up mehr oder minder bevorsteht. Mit der Renovierung war es noch leichter, da gibt’s ein konkretes Projekt und eine/n Bauverantwortliche/n und man weiß, was zu tun ist. Jetzt geht es darum, die Organisation weiter zu bauen und das Haus zu füllen, mit Produkten, Veranstaltungen und neuen Ideen.  Dazu braucht es den passenden personellen und organisatorischen Rahmen und weiterhin viel ehrenamtliches Engagement.

„Geno schafft“: Woraus generiert die TRAFOS ihr Einkommen?

Hr. Moser: Aus verschiedensten Positionen – das Haus der Nachhaltigkeit hat zirka 1000m² Nutzfläche und viele BewohnerInnen, eine davon ist die Giesserei, die von den TRAFOS selbst betrieben wird. Im Haus gibt es zwei Teile, das Haupthaus mit ca. 750m² Nutzfläche und dahinter ist eine Gasse mit einem Objekt mit zirka 250m². In dem hinteren Objekt ist ein Kunsthandwerksladen untergebracht und eine Bio-Kaffeerösterei. In den Obergeschossen gibt es zurzeit noch offene Räume für Werkstätten, Repair Cafés oder ähnliches. Das Haupthaus hat im Erdgeschoss die Firma GEA als Mieterin. Auf einer zweiten Fläche im Erdgeschoss wollen wir als TRAFOS Pop-Up Stores betreiben, wieder rund um das Thema Nachhaltigkeit und Regionalität.
Im ersten Obergeschoss gibt es das Handelsgeschäft von TRAFOS gemeinsam mit einem Café Restaurant, das Bio-regionale Küche hat. Diese Räume sind mehr oder minder gemeinsam genützt. Wir betreiben das Handelsgeschäft mit ausgewählten Produkten, das geht von Kosmetik über Nahrungsmittel, Textilien bis zu Gartengeräten. Wir bieten Produkte an, die in unser Schema passen und die es im normalen Laden nicht gibt, wir sind da keine Konkurrenz für andere in unserer Umgebung. Unsere Ansprüche sind nachhaltige Materialien, Langlebigkeit, faire Preise, Regionalität, Ressourcenschonung und Sinnhaftigkeit.
Außerdem haben wir drei Co-Working Arbeitsplätze, die schon fix gebucht sind und durch die gute Nachfrage werden wir noch weitere installieren. Und im zweiten Obergeschoss ist dann Raum für die Ideen der TRAFOS, für Veranstaltungen und Workshops. Die wirtschaftliche Basis sind die Mieteinnahmen und der Eigenbetrieb der TRAFOS mit dem Handelsgeschäft und Veranstaltungen. Ein eventueller Überschuss kann wieder in neue Ideen und Projekte investiert werden.

„Geno schafft“: Sehr spannend, wie breit Sie aufgestellt sind und wer aller zusammenfindet unter dem Schirm von Nachhaltigkeit und Regionalität. Würden Sie noch etwas über die Genossenschaftsmitglieder erzählen?

Hr. Moser: Das sind alles Personen und Unternehmen, die sich den Genossenschaftszielen verbunden fühlen, und in erster Linie welche, die sich auch aktiv einbringen wollen. Bisher sind Mitglieder hauptsächlich durch Weiterempfehlung zu uns gekommen und auch über die Aufmerksamkeit, die wir mit dem Projekt bisher bekommen haben.
Die Kernzusammensetzung der handelnden Personen – das muss ich ein bisschen analysieren *lacht*. Ein Drittel ist eher dem SeniorInnenbereich zuzuordnen, ein Drittel dem aktiven Beschäftigungsbereich von 50 bis 60 und ein Drittel wird so zwischen 20 und 50 liegen. Also es ist schon sehr bunt. Mit der Eröffnung und vielen Veranstaltungen hoffen wir nun, noch mehr in die Breite zu kommen, viele Leute mit unserer Idee zu erreichen und viele neue GenossenschafterInnen zu gewinnen, weil der zukünftige Erfolg stark von einer breiten Basis der Verbundenheit abhängt.

„Geno schafft“: Gibt es etwas, das Sie gerne noch erzählen möchten oder sich wünschen, dass es nach außen getragen wird?

Hr. Moser: Wir wollen Menschen mit unseren Leitgedanken begeistern und langfristige Projekte anstoßen. Dazu braucht es ganz starkes Engagement der handelnden Personen und das langfristig zu sichern ist durchaus eine Herausforderung.  Genauso müssen wir ständig junge Leute ins Team bringen.  bzw. mit Workshops auch SchülerInnen und Studierende erreichen.  Wir haben sehr engagierte Leute und da geht’s oft darum, die Motivation durch einen guten Teamgeist und klare Organisation auch langfristig zu erhalten.  Solche Herausforderungen gilt es, wenn man mit so einem Projekt nachhaltig erfolgreich sein will, zu meistern. Wir sind also offen für alle, die an unserem Projekt mitarbeiten wollen und bieten eine Basis für Engagement in vielen Formen.

„Geno schafft“: Es ist jedenfalls eine sehr spannende Phase, in der die TRAFOS ist. Obwohl die Frage ist, ob es jemals weniger spannend wird.

Hr. Moser: *lacht* Davon bin ich überzeugt, dass das nicht passieren wird. Es wird immer mehr offene Fragen geben als gelöste.

„Geno schafft“: Herr Moser, vielen Dank für das Gespräch.

Hr. Moser: Danke.

Interviewpartner: Hans Moser, Vorstandsmitglied der BürgerInnengenossenschaft TRAFOS

Das Interview führte: Andrea Vogler

Weiterführende Links:

Website von "Nachhaltig im Innviertel" (der TRAFOS BürgerInnengenossenschaft): www.nachhaltig-im-innviertel.at

Facebookauftritt von "Nachhaltig im Innviertel" (der TRAFOS BürgerInnengenossenschaft):https://www.facebook.com/nachhhaltigiminnviertel

Instagramauftritt von "Nachhaltig im Innviertel" (der TRAFOS BürgerInnengenossenschaft):https://www.instagram.com/nachhaltigiminnviertel

Website der Giesserei: www.giesserei-ried.at

Instagramauftritt der Giesserei: https://www.instagram.com/giesserei.ried

Hans Moser

Portrait Hans Moser

Hans Moser, geb. 1952, ist Vorstandsmitglied der TRAFOS BürgerInnengenossenschaft. Der heute Pensionierte war seit 1970 als Mitarbeiter, Geschäftsleiter und Vorstand in verschiedenen Genossenschaften tätig.
Das Forschungsinstitut für Kooperationen und Genossenschaften bedankt sich an dieser Stelle noch einmal recht herzlich für das informative Gespräch!

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