Die Hanf-Genossenschaft "Naturalis" im Portrait

06. Jänner 2022

Im vergangenen Jahr gründeten sechs oberösterreichische Landwirte die erste Hanf-Genossenschaft Österreichs. Die „Naturalis“ stellt eine Genossenschaft mit einer für Österreich einzigartigen Ausrichtung dar. Wir sprachen mit dem Obmann Hans Lughammer über den Prozess der Gründung und warum er für gemeinsame Vorhaben Genossenschaften als eine „extrem elegante Lösung“ empfindet.

Die Idee zur Gründung der „Naturalis“ kam den sechs Landwirten der Regionen Pasching und Hörsching als Absicherung gegen die Gefahren, die Hanfanbau mit sich bringt. Alle sechs Genossenschafter verfügen über eigene Ackerflächen, wovon alle bisher selbst bewirtschaftet wurden. Wie Herr Lughammer beschreibt, sei die Bewirtschaftung von Hanfanbauflächen jedoch sehr ressourcenintensiv. Zur Finanzierung seien große Summen nötig, wobei Hanf an sich habe, dass ein gewisses Risiko bestehe, dass die Ernte schlecht ausfalle. Die Frage der Haftung, die potenziell in einem schlechten Jahr für Landwirte sogar existenzgefährdend werden kann, war der Hauptgrund, der zur Gründung der „Naturalis“ führte.

Herr Lughammer sieht aber noch eine Reihe weiterer Gründe, warum die Form der Genossenschaft die beste Option für „Naturalis“ war. Er unterstreicht das Miteinander, das bei einer Genossenschaft im Vordergrund stehe. Man besitze und arbeite gemeinsam an etwas. Jede/r kann seine/ihre Expertise einbringen, unterschiedliche Talente, zeitliche Ressourcen und ein gemeinsames Interesse werden in dieser Form gebündelt.

„Also ich würde sagen, wenn ich jetzt irgendwas anfange, dann mach ich es mit einer Genossenschaft.“

Nicht zuletzt bringe eine Genossenschaft im Vergleich zu einer GmbH den Vorteil der Mitgliedschaft bei einem Revisionsverband. Herr Lughammer betont die Unterstützung, die die „Naturalis“ während ihrer Gründung vom Raiffeisenverband Oberösterreich erfahren hat. Auch wenn die „Naturalis“ selbst eine kleine Genossenschaft darstelle, konnte sie durch ihre Mitgliedschaft beim Revisionsverband auf dessen Know-How und Übersicht der genossenschaftlichen Landschaft zurückgreifen. Darüber hinaus kenne der Verband die Rechtsform sehr gut und habe ein echtes Interesse daran, dass es den einzelnen Genossenschaften gut gehe.

Seit der Gründung pachtet und bewirtschaftet die „Naturalis“ einen Hektar Hanfanbaufläche von einem der sechs Genossenschafter. Sie ist darüber hinaus für alle Leistungen verantwortlich, die mit dem Anbau verbunden sind. Den Mitgliedern war es ein Anliegen, über gleich große Anteile in der Genossenschaft zu verfügen. Die Ressourcen eines jeden Mitglieds sollen bestmöglich genutzt werden. Werden im Geschäftsbetrieb ressourcenintensive Leistungen eingebracht, werden diese zum Teil separat zwischen den Mitgliedern verrechnet.

Bei der Gründung der „Naturalis“ wurde darauf geachtet, die „Naturalis“ vielseitig auszurichten. Die Statuten sehen daher zusätzlich zur Produktion auch ein Handelsgewerbe und ein Personalüberlassungskonzept vor. Die „Naturalis“ kann demnach nicht nur von jeder Person kaufen und an sie verkaufen, sie wird in Zukunft auch eigene Mitarbeitende haben, die gegen Bezahlung an Genoss/innen überlassen werden können. 

„Die Genossenschaft, für diejenigen, die was zambringen wollen und Kapital brauchen […] ist eine extrem elegante Lösung.“

Des Weiteren beabsichtigt die „Naturalis“ auch einen sozialen Beitrag zu leisten. Sie hat dazu einen Vertrag mit der  „itworks“ Personalservice & Beratung gemeinnützige GmbH, die arbeitsuchende und gesundheitlich beeinträchtigte Personen unterstützt, eine neue Perspektive am Arbeitsmarkt zu finden. Die „Naturalis“ beauftragt dabei Mitarbeiter/innen von itworks mit einfach auszuführenden Dienstleistungen.

Bezüglich der Zukunft der „Naturalis“ gibt es noch einige offene Fragen. Zurzeit ist sie lokal noch recht unbekannt. Die Mitglieder bereiten gerade ihren Internetauftritt und Webshop vor. Nachdem der Witterungsverlauf im ersten Jahr relativ schlecht war, ist Herr Lughammer froh, dass die erste Ernte geschafft ist und die „Naturalis“ trotz ungünstiger Bedingungen kostendeckend aussteigen konnte. Obwohl sie rechtlich gesehen mittlerweile vollkommen handlungsfähig ist, bleibt der zukünftige Weg in vielerlei Hinsicht unklar. Ob beispielsweise zusätzlich zum Webshop ein Verkaufsort eingerichtet werden soll, wird die Zukunft zeigen. Auch gibt es noch offene Fragen bezüglich der Menge, Nachfrage und Vermarktung der Produkte. Langfristig werden sich diese Unbekannten hoffentlich klären, Vertriebskanäle etablieren und eine Stammkund/innenschaft finden, so Herr Lughammer.

Zuletzt unterstreicht Herr Lughammer seine Erfahrung mit Genossenschaften. Er schätzt die Freiheiten, die man in vielen Belangen hat, während man sich gleichzeitig in einem stetigen Miteinander mit anderen Mitgliedern und dem Revisionsverband als professionelle Begleitung in der Gründungsphase befindet.

„Die Genossenschaft macht […] viel Sinn. Man muss halt Teilen lernen. Arbeit einteilen, Arbeit aufteilen, Gerechtigkeit… dann gibt‘s Gewinnausschüttungen, nach Anteilen. Und das funktioniert eigentlich dann ganz gut.“

Das „Geno schafft“ – Team bedankt sich für das aufschlussreiche Interview und wünscht der Naturalis Genossenschaft alles Gute für die weitere Entwicklung!

Bei Anmerkungen, weiterführenden Informationen oder Anfragen zu einer Zusammenarbeit wenden Sie sich bitte an gregor.rabong@wu.ac.at oder ricc@wu.ac.at.

Autorin: Ines Birke

Interviewpartner: Hr. Lughammer

Portrait Hr. Lughammer

Das Forschungsinstitut für Kooperationen und Genossenschaften freut sich sehr, dass für diesen Beitrag Hans Lughammer, Obmann der Hanf-Genossenschaft "Naturalis", als Interviewpartner bereitstand, bei dem wir uns an dieser Stelle noch einmal herzlich bedanken möchten!

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