Genossenschaftliche Weltreise: Uganda

06. Jänner 2021

Mit dem ersten Beitrag im neuen Jahr begeben wir uns aus dem grauen Wien Richtung Süden, um in Uganda Sonnenschein und warme Temperaturen zu genießen. Dass diese klimatischen Bedingungen ideal für Kaffeeanbau sind, ist bekannt, daher verwundert es nicht, dass einige Genossenschaften in dieser Sphäre anzutreffen sind (siehe z.B. Kibinge Coffee o. J.). Welche Rolle ugandische Genossenschaften jedoch auch abseits des Kaffeesektors spielen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Lesezeit: 5 Minuten

Geschichte der Genossenschaften in Uganda

Die genossenschaftliche Geschichte Ugandas hat ihren Ursprung bereits im Jahr 1900. Den Rochdale-Prinzipen folgend wurden unter der damaligen britischen Kolonialherrschaft genossenschaftsähnliche Formen begründet, welche durch die „Cooperative Ordiance“ (1946) respektive den „Cooperative Societies Act“ (1962) die formale, gesetzliche Grundlage erhielten (Kyazze 2010). Trotz ihres kolonialen Ursprungs und des angedachten Zwecks, die Produktion für die Metropolis zu vereinfachen, erwiesen sich Genossenschaften während des Ringens um Unabhängigkeit und darüber hinaus als wichtige Plattform für die Verteidigung der Interessen der „einfachen Leute“ gegen Kolonialherren und internationale wirtschaftliche Akteure (Wedig und Wiegratz 2018). Nicht zuletzt durch unterstützende Maßnahmen der ersten unabhängigen Regierung, welche Agrargenossenschaften beispielsweise eine Monopolstellung in der Vermarktung ihrer Produkte einräumte (Kyazze 2010), war die genossenschaftliche Performance in den frühen 1960ern durchaus zufriedenstellend, konnte jedoch leider nicht allzu lange gehalten werden. Paradoxerweise schützte die Monopolstellung die Genossenschaften und deren Produzent/inn/en zwar vor internationalen Preisschwankungen, aber die Notwendigkeit, Industrialisierungsbemühungen aus den landwirtschaftlichen Gewinnen zu finanzieren, bedeutete, dass die an die Produzent/inn/en gezahlten Preise oft unter den Weltmarktpreisen lagen. Daher blieben Reinvestitionen in die ländliche Produktionsinfrastruktur oftmals gering. Durch die Integration der neuen unabhängigen afrikanischen Nationen in die Weltwirtschaft kamen strukturelle Ungleichheiten hinzu, welche die Handelsbedingungen der Genossenschaften im Vergleich weiter verschlechterten. Des Weiteren förderte die Konzentration der staatlichen Unterstützung auf die Verwalter/innen der Genossenschaften oft Probleme in der Organisationsführung wie politische Klientelpolitik, interne Machtkämpfe und ineffiziente Ressourcennutzung (Wedig und Wiegratz 2018).

Nach einer langen Phase der Krise scheint sich das ugandische Genossenschaftswesen nun wieder zu erholen und ein „Revival“ zu erleben. Mit dem Ziel, zur Verbesserung der Lebensbedingungen beizutragen, wurden in den letzten Jahren vor allem in ländlichen Gebieten verschiedene Genossenschaften gegründet. Vor allem im „klassischen“ Kredit- und Agrarsektor werden Genossenschaften wieder beliebter, auch im Bereich der Bildung spielen Genossenschaften eine große Rolle (Hartley 2011). Einige Beispiele dafür sollen nachfolgend präsentiert werden.

JoyFod Savings and Credit Co-operative (SACCO)

Gegründet im Jahr 2004 und ansässig in Ostuganda hat diese Genossenschaft beinahe 1.400 Mitglieder (545 Männer und 819 Frauen; Hartley 2014), die bei ihr Sparkonten haben und Kredite aufnehmen. Zugang zum formellen Bankensektor zu bekommen ist am Land schwierig, da sich die meisten Banken weit entfernt in der Stadt befinden und die Kosten, ein Konto zu eröffnen und zu führen, oftmals zu hoch sind. JoyFod hingegen ist direkt vor Ort in der Gemeinde angesiedelt, was die Reisekosten drastisch reduziert und oftmals sogar eliminiert. Weiters sind die meisten Mitglieder den Mitarbeiter/innen der SACCO bekannt, was das Vertrauen zwischen der Kooperative und den Mitgliedern stärkt und einen wesentlichen Unterschied zu „herkömmlichen“ Banken darstellt. JoyFod vergibt typischerweise Kredite an lokale Bauern und Bäuerinnen, die zusätzliches Geld benötigen, um die mit der Landwirtschaft verbundenen Cashflow-Probleme zu bewältigen (Hartley 2011).

Des Weiteren wurde sich darauf spezialisiert, Geld an junge Menschen zu verleihen, da diese mangels Sicherheiten oftmals Schwierigkeiten haben, Kredite zu erhalten. JoyFod bietet hier spezielles Training als Präventivmaßnahme an und setzt auf Peer-Sicherheiten (Gruppen von Jugendlichen leihen gemeinsam Geld und sind als Gruppe für den Kredit verantwortlich), um die speziellen Anforderungen zu bewältigen (Hartley 2011).

Kigayaza Youth Co-operative

Diese Kooperative ist im landwirtschaftlichen Sektor angesiedelt und hat über 100 Bäuerinnen und Bauern als Mitglieder, welche großteils zwischen 25 und 30 Jahre jung sind. Zu den Hauptaktivitäten der Genossenschaft gehört der gemeinsame Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten (z. B. Mais) zur Erzielung besserer Preise. Andere gemeinsame Projekte umfassen eine Schweine- und eine Baumzucht, von großer Bedeutung ist auch der Austausch von Informationen, unter anderem durch Schulungen und monatliche Treffen, die von den Mitgliedern als Möglichkeit gesehen werden, ihr Wissen gegenseitig zu erweitern (Hartley 2011). Auch der Aufbau von Netzwerken mit anderen Organisationen, die wiederum Schulungen, Saatgut oder Informationen über die landwirtschaftliche Praxis zur Verfügung stellen, sind von großer Bedeutung. Die soziale Komponente der Genossenschaft zeigt sich auch darin, dass oftmals spontan die Farmen anderer Mitglieder besucht werden, um gemeinsam verschiedene Fragestellungen zu eruieren und sich über die bestmögliche Praxis zu beraten (Hartley 2011).

Co-operative College

Am Uganda Co-operative College Kigumba werden seit 1974 Vollzeit-Diplom- und Zertifikatsprogramme angeboten, welche junge Personen ansprechen sollen, die sich nach der Schule weiterbilden möchten (Hartley 2011). Es handelt sich um eine staatlich finanzierte Institution mit mehreren regionalen Zentren, die über das Land verteilt sind. Momentan werden Diplomlehrgänge und Zertifikate zu folgenden Themen angeboten: Cooperative and Business Administration, SACCO and Microfinance Management, sowie Project Planning and Entrepreneurship (Uganda Cooperatives College Kigumba o. J.). Die Lehrpläne beinhalten genossenschaftliche Werte und Prinzipien, genossenschaftliche Politik und Recht sowie finanzielle Aspekte. Die Studierenden erwerben so Fähigkeiten und Wissen über Genossenschaften und können diese potenziell wichtigen Ressourcen nach ihrem Abschluss sowohl in Regierungstätigkeiten als auch in Genossenschaften einbringen (Hartley 2011).

Bei Anmerkungen, weiterführenden Informationen oder Anfragen zu einer Zusammenarbeit wenden Sie sich bitte an jana.stefan@wu.ac.at oder ricc@wu.ac.at.

Autorin: Jana Stefan

Literatur

Hartley, Sally. 2011. A New Space For a New Generation: The Rise of Co-Operatives Amongst Young People in Africa. Manchester: The Co-operative College. 2014. „COLLECTIVE LEARNING IN YOUTH‐FOCUSED CO‐OPERATIVES IN LESOTHO AND UGANDA“. Journal of International Development 26 (5): 713–30. doi.org/10.1002/jid.3000.

Kibinge Coffee. o. J. „About Us“. Kibinge Coffee Farmers’ Co-operative Society (KCFCS). Zugegriffen 8. Jänner 2021. URL: kibingecoffee.com/about-us/.

Kyazze, Lawrence M. 2010. „Cooperatives: The Sleeping Economic and Social Giants in Uganda“. 15. Status of Cooperative Development in Africa. Dar es Salaam: ILO. www.oit.org/wcmsp5/groups/public/---ed_emp/---emp_ent/---coop/documents/publication/wcms_672871.pdf.

Uganda Cooperatives College Kigumba. o. J. „Our Background“. Uganda Cooperatives College Kigumba – UCCK. Zugegriffen 8. Jänner 2021. URL: www.ucck.ac.ug/historical-background/.

Wedig, Karin, und Jörg Wiegratz. 2018. „Neoliberalism and the Revival of Agricultural Cooperatives: The Case of the Coffee Sector in Uganda“. Journal of Agrarian Change 18 (2): 348–69. doi.org/10.1111/joac.12221.

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