Die eingetragene Genossenschaft

06. März 2019

Eine Einführung + Gründungskompass

Lesezeit: 5-7 Minuten

Genossenschaftliche Zusammenschlüsse sind Kooperationen zwischen natürlichen (=Menschen) und/oder juristischen (=Unternehmen) Personen gemäß dem Motto: „Was einer nicht schafft, das schaffen viele!“. Entsprechend diesem Leitspruch zielen Genossenschaften darauf ab, Probleme zu lösen und Produkte und Dienstleistungen dort bereitzustellen, wo staatliche und investorenfokussierte Organisationen scheitern. Genossenschaften werden von Beraterseite, Websites und Gründungsblogs selten als mögliche Unternehmensform genannt, da zumeist das Wissen um die Rechtsform fehlt.

Dabei verfügen Genossenschaften über eine Vielzahl an Potenzialen, die sie gegenüber anderen Unternehmensformen auszeichnen: Genossenschaftliche Zusammenschlüsse verringern Kosten aufgrund von Größenvorteilen im Vertrieb und Einkauf, ermöglichen arbeitsteilige Zusammenarbeit verschiedener Mitglieder, die über unterschiedliches Wissen verfügen, und steigern die Produktionseffizienz (niedrigere Durchlaufzeiten und höhere Planungssicherheit für Mitglieder) und die Qualität (kollektive Anschaffung modernerer Produktionstechnologien) der angebotenen Waren und Dienstleistungen. Eine weitere Stärke ist die wechselseitige Kontrolle der Mitglieder, die sich vor allem in Genossenschaften mit wenigen Personen zeigt und dazu beiträgt, dass weniger institutionalisierte Kontroll- und Sanktionsmechanismen zur Kontrolle der Gruppe eingesetzt werden müssen, als in großen Personen- und Kapitalgesellschaften oder öffentlichen Organisationen. Übergeordnete, gemeinsame, Ziele dienen hier als besonders starkes Bindeglied und als Katalysator für gemeinsames Wirtschaften, ohne opportunistische Absichten. Der einfache Ein- und Austritt der Mitglieder macht die Genossenschaft zudem zum geeigneten Unternehmensmodell für vorübergehende Zusammenarbeit und einen wechselnden Kreis an kooperierenden Personen (z.B. Kindergartengenossenschaften, in denen die Eltern der jeweiligen Kinder die Genossenschaftsmitglieder bilden, oder Schülergenossenschaften, in denen jeweils die Schüler einer bestimmten Schulstufe die Mitglieder sind und die Genossenschaft führen).

Ziel jeder Genossenschaft ist die Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft ihrer Mitglieder. Das bedeutet unter anderem, dass das Streben nach Gewinnen in Genossenschaften kein Selbstzweck ist, sondern, dass Mittel, die erwirtschaftet werden, zum Wohl der Genossenschaft reinvestiert oder als Rückvergütungen an die Genossenschaftsmitglieder ausgezahlt werden. Mitglieder der Genossenschaft sind üblicherweise Personen, die in irgendeiner Form in die Geschäftstätigkeit der Genossenschaft eingebunden sind: bspw. Kund/inn/en, Lieferanten und Mitarbeiter/innen. Die Anzahl der Mitglieder kann variieren, da der Eintritt in und der Austritt aus der Genossenschaft sehr einfach sind und seitens des Vorstandes (Annahme eines Beitrittsgesuchs) respektive des Mitglieds (durch Kündigung) vorgenommen werden.

In Österreich, sowie in vielen anderen Ländern, wurde für genossenschaftliche Zusammenschlüsse bereits vor zirka 150 Jahren eine eigene Rechtsform geschaffen, die der genossenschaftlichen Kooperation einen rechtlichen Rahmen liefert: die sogenannte „eingetragene Genossenschaft“ (e.Gen.), die zur Errichtung von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften bestimmt ist. EU-weit wurde im Juli 2003 ein Pendant auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene etabliert: die Europäischen Genossenschaft (SCE: lat. Societas Cooperativa Europaea).

Bekannte Genossenschaften sind die regionalen Raiffeisen- und Volksbanken, die Lagerhäuser, die etwa 100 gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften, wie zum Beispiel „WIEN-SÜD“, „VOLKSBAU“ oder „NEUES LEBEN“ und der frühere „Konsum Österreich“. Weniger bekannt ist, dass bspw. die „Austria Presseagentur“ (APA), Brauereien wie jene in Murau oder Ried, der Sportfachhändler „Intersport“ sowie die Reformhausmarke „Gewusst wie“, genossenschaftlich organisiert sind. Zudem gibt es genossenschaftliche Einkaufsorganisationen, wie etwa die BÄKO – die Einkaufsgenossenschaft der Bäcker – und auch zahlreiche Handwerker, Molkereien und Winzergenossenschaften organisieren sich genossenschaftlich.

Rechtliche Grundlagen der eingetragenen Genossenschaft

In Österreich liegt die Mindestmitgliederzahl bei zwei Personen. Wie bereits angemerkt, können das sowohl natürliche als auch juristische Personen sein. Diese können sowohl solidarisch unbeschränkt, mit ihrem gesamten Privatvermögen, als auch bis zu einem im Genossenschaftsvertrag festgelegten Betrag beschränkt, haften (Derzeit gibt es in Österreich keine Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung.). Zur Gründung bedarf es nach §3 Genossenschaftsgesetz (GenG):

  • die Annahme der Genossenschaftsfirma (= der Name des Unternehmens muss die Bezeichnung „eingetragene Genossenschaft“ enthalten),

  • die schriftliche Abfassung des Genossenschaftsvertrages (=Satzung, hier müssen Zweck, Sitz, Haftung, anzuwendendes Stimmrecht, Dauer der Unternehmung, Zusammensetzung des Aufsichtsrates und des Vorstandes, etc. festgelegt werden),

  • sowie die schriftliche Eintragung ins Firmenbuch.

Mindestkapital ist, im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften, keines nötig. Die Genossenschaft ist eine Personenverbindung mit eigener Rechtsfähigkeit. Genossenschaften müssen Rechte und Pflichten, die mit dieser Rechtsfähigkeit einhergehen, tragen. Beispielsweise können Verträge im Namen der Genossenschaft abgeschlossen werden. Dazu zählen: der Kauf und Verkauf von Grundstücken, der Abschluss von Arbeitsverträgen sowie die Miete und Vermietung von Wohnungen und Geschäftslokalen.

Der beschriebene Förderauftrag der Genossenschaft ist im §1 des Genossenschaftsgesetztes festgeschrieben und muss somit erfüllt werden, damit das Unternehmen als Genossenschaft legitimiert werden kann. Die Genossenschaft wird von einem haupt- oder ehrenamtlichen Vorstand geleitet. Die zwei weiteren Organe sind der Aufsichtsrat (ab einer Anzahl von 40 Arbeitnehmer/inne/n verpflichtend) und das oberste Organ: die Generalversammlung (GV). In der GV wird über die wichtigsten Entscheidungen der Genossenschaft abgestimmt. Die Ernennung von Vorstand und Aufsichtsrat, die generelle Ausrichtung der Genossenschaft und die Aufteilung von Gewinnen und Verlusten werden im Rahmen der GV vorgenommen. Damit ist es das Instrument zur gemeinsamen Willensbildung. Üblicherweise ist jährlich eine ordentliche GV vorgesehen. Außerordentliche GVs können unterjährig stattfinden und dienen als zusätzliche Gelegenheiten, Meinungen kundzutun und Entscheidungen zu treffen. Eine Besonderheit der Genossenschaft ist das weit verbreitete, sehr basisdemokratische, Kopfstimmrecht, das den Mitgliedern unabhängig von den gezeichneten Genossenschaftsanteilen eine Stimme zugesteht. Sofern es nicht anders im Genossenschaftsvertrag festgehalten wird, ist es ausreichend, wenn ein Zehntel der Mitglieder bei den Abstimmungen anwesend oder vertreten ist, damit die GV beschlussfähig ist.

Zusätzlich zum Genossenschaftsgesetz bestimmt vor allem das Genossenschaftsrevisionsgesetz (GenRevG) den rechtlichen Rahmen von Genossenschaften. Im Rahmen der genossenschaftlichen Revision ist eine Art Wirtschaftsprüfung durchzuführen, die die klassische wirtschaftliche Prüfung um die Prüfung der Ordnungs- und Zweckmäßigkeit übersteigt. Das bedeutet, dass vor allem auch überprüft wird, ob die Genossenschaft den Förderzweck erfüllt, der im Genossenschaftsvertrag festgehalten wurde. Die Pflichtrevision hat, abhängig von der Größe der Genossenschaft, zumindest in jedem zweiten Geschäftsjahr durch unabhängige, weisungsfreie Revisoren zu erfolgen, die einem anerkannten Revisionsverband angehören. Üblicherweise werden Genossenschaften Mitglieder eines Revisionsverbandes, was den Vorteil hat, dass Revisionsverbände auch unterjährig als Interessensvertretung und Informationsquelle der zugehörigen Genossenschaften auftreten und für allfällige Fragen zur Unternehmensführung zur Verfügung stehen. Die Aufnahme in einen Revisionsverband ist dabei abhängig von Faktoren wie der festgestellten Wirtschaftlichkeit des Projekts, der Vereinbarkeit des Revisionsverbandes mit dem Geschäftsmodell und bedarf daher einer offiziellen Annahme des Beitrittsgesuchs durch den Vorstand des Revisionsverbandes. Mit der Mitgliedschaft und der Revision entstehen bei den Genossenschaften Kosten. Über diese sollte man sich vorab beim Revisionsverband informieren, da sie vor allem für kleine Genossenschaften im Verhältnis zur Betriebsgröße recht beträchtlich ausfallen können.

Vor Beitritt zu einem der Revisionsverbände kann man sich bei den einzelnen Revisionsverbänden informieren. Die meisten Revisionsverbände bieten Gründungsberatung und Ansprechpartner/innen für den Beitritt zu ihrem Verband an (siehe hierzu Links am Ende des Beitrages).

Wie gründe ich eine Genossenschaft?

Schritt 1: Gründungsteam aufstellen:

Finden Sie zumindest eine weitere Person, die dasselbe Ziel wie Sie verfolgt, und die dazu bereit ist, die Gründung der Genossenschaft in Angriff zu nehmen. Die Genossenschaft als Rechtsform macht für Unternehmensgründungen und Projekte Sinn, bei denen mehrere Personen ein gemeinsames Ziel verfolgen, bzw. ein Bedürfnis nach einem gemeinsamen Produkt / Service haben, das in dieser Form weder vom Staat, noch von der Privatwirtschaft zur Verfügung gestellt wird. Die Vorteile durch den genossenschaftlichen Zusammenschluss können finanzieller Natur sein (bspw. hat man als Kollektiv bessere Konditionen auf Beschaffungsmärkten), es ist aber auch denkbar, dass die Genossenschaft gegründet wird, um Interessen, Wissen und Talente zu bündeln. Die Förderung der Mitglieder erfolgt vielfach auch in nicht-finanzieller Weise, beispielsweise, wenn die Interessen derselben vertreten werden, oder – wie bei den sogenannten Sozialgenossenschaften – wenn ein Fördernutzen für die Mitglieder entsteht, da im Interesse und im Auftrag der Mitglieder einem benachteiligten Personenkreis geholfen wird.

Schritt 2: Informationen und Tipps von Revisionsverbänden einholen:

Zusätzlich zu den Informationen, die man online, oder ev. auch aus dem persönlichen Umfeld beziehen kann, macht es sich bezahlt, möglichst früh im Gründungsprozess Kontakt zu den Revisionsverbänden aufzunehmen. Sie können bei den Fragen, die anfangs auf Genossenschaftsgründer/inn/en zukommen, behilflich sein. Eine Liste mit den Gründungswebsites der einzelnen Revisionsverbände finden Sie am Ende des Beitrages.

Schritt 3: Satzung entwerfen:

Mit dem Gründungsteam und den Informationen, die man vom (potentiellen) Revisionsverband erhält, kann man bereits die Satzung ausformulieren. Wie oben bereits beschrieben, wird hier eine Vielzahl an wichtigen Bestimmungen festgelegt, die zusammen das „Rückgrat“ der Genossenschaft darstellen. Vor allem wenn man bisher noch keine Erfahrung mit Genossenschaften gemacht hat, empfiehlt es sich, sich einige Satzungen bestehender Genossenschaften durchzulesen (die im Internet relativ leicht zu finden sind), um sicherzustellen, dass man auch wirklich alle essentiellen Punkte behandelt und festgehalten hat. Zudem liegen meist Mustersatzungen bei den Revisionsverbänden auf, die in Zusammenarbeit mit diesen an das jeweilige Unternehmen angepasst werden.

Schritt 4: Wirtschaftlichkeit überprüfen:

Im Gegensatz zu anderen Unternehmensformen benötigt man für die Gründung der Genossenschaft nominell kein Mindestkapital. Die Höhe des nötigen Genossenschaftskapitals bestimmt sich durch die notwendigen Anforderungen des jeweiligen Marktes und der Aufgabe, der die Genossenschaft nachgehen soll. Allerdings wird vor der Aufnahme in einen Revisionsverband eine Wirtschaftlichkeitsprognose durch denselben abgegeben. Dabei werden das Geschäftsmodell, der Businessplan und etwaige Kosten-Nutzen-Kalkulationen überprüft.

Schritt 5: Aufnahme in einen Revisionsverband und Eintragung ins Firmenbuch:

Genossenschaften sind – mit wenigen Ausnahmen – Mitglied in einem Revisionsverband. Die Aufnahmezusicherung eines Revisionsverbandes ist i.d.R. Voraussetzung für eine Eintragung im Firmenbuch.

Schritt 6: Gründungsversammlung:

Bei der Gründungsversammlung werden der Genossenschaftsvertrag (= Satzung) beschlossen, die Mandate der verschiedenen Funktionäre gewählt (es müssen zumindest so viele Mitglieder anwesend sein, wie Organmandate zu besetzen sind) und zusätzliche Mitglieder aufgenommen. Ein Notar muss diesem Prozedere nicht beiwohnen, meist ist jemand vom Revisionsverband dabei, um sicherzustellen, dass keine Formalfehler passieren.

Schritt 7: Firmenbucheintragung:

Nach der Gründungsversammlung, wenn die Satzung und die Funktionäre der Genossenschaft bestimmt und gewählt wurden, kann der Antrag auf Eintragung ins Firmenbuch beim zuständigen Landes- oder Handelsgericht erfolgen. Die Informationen und Formularen, die hierbei mit eingebracht werden müssen, klärt man am besten mit dem Revisionsverband ab.

Schritt 8: Anmeldung eines Gewerbes und Beantragung einer Steuernummer:

Ist die Genossenschaft erstmal im Firmenbuch vermerkt, kann die Anmeldung eines Gewerbes erfolgen. Bevor die geschäftliche Tätigkeit begonnen werden kann, muss ein Antrag auf Erteilung einer Steuernummer erfolgen.

Schritt 9: Von den Vorteilen der Rechtsform profitieren:


Die Vorteile der Genossenschaft als Rechtsform im Geschäftsbetrieb nutzen, vom positiven Image der Genossenschaften in Österreich und anderen Ländern profitieren und dazu beitragen, dass das Genossenschaftswesen weiterhin die Unternehmensform mit der niedrigsten Konkursquote in Österreich bleibt.

Die e.Gen. kompakt:

Mindestmitgliederanzahl: 2

Organe: Vorstand, Aufsichtsrat, Generalversammlung

Geschäftsführung & Vertretung: durch Vorstand (haupt- oder ehrenamtlich)

Vorgeschriebenes Mindestkapital: keines

Gründungskosten: gerichtliche Eingaben- und Eintragungsgebühren sowie Unterschriftsbeglaubigungen der gewählten Vorstandsmitglieder

Stimmrecht: Kopfstimmrecht (eine Stimme pro Kopf, unabhängig vom beigetragenen Genossenschaftskapital) oder Anteilsstimmrecht

Revisionspflicht: ja (der Beitritt zu einem Revisionsverband ist grundsätzlich Pflicht und auch mit Kosten verbunden. Der Revisionsverband führt aber nicht nur die Revision durch, sondern hilft generell bei rechtlichen oder betriebswirtschaftlichen Fragen weiter.)

Gewinnversteuerung (in AT): Körperschaftssteuerpflicht i.H.v. 25% Genossenschaftliche Rückvergütungen (=Überschussverteilung) sind zudem Kapitalertragssteuerpflichtig (25%)

Haftung: üblicherweise beschränkt, oft additional zum gezeichneten Genossenschaftsanteil „zusätzlich einfache Haftung“ (=man haftet zusätzlich zum Wert des Genossenschaftsanteils ein weiteres Mal mit dem Wert eines Anteils)

Zur Gründung erforderlich nach §3 GenG:

  • die Annahme einer Genossenschaftsfirma

  • die schriftliche Abfassung des Genossenschaftsvertrages (siehe §5 GenG für Anforderungen an den Vertrag)

  • die Eintragung dieses Vertrages in das Firmenbuch.

Bei Anmerkungen, weiterführenden Informationen zum Thema oder Anfragen zu einer Zusammenarbeit wenden Sie sich bitte an gregor.rabong@wu.ac.at oder ricc@wu.ac.at.

Autor: Gregor Rabong

Revisionsverbände in Österreich:

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