Der „Tag der Genossenschaften“

06. August 2021

Am 29.06.2021 war es endlich so weit. Die Veranstaltung „Tag der Genossenschaften“, die ursprünglich für den 20.10.2020 vorgesehen war und damals COVID-19-bedingt abgesagt werden musste, konnte in virtueller Form über die Bühne gehen.

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Was lange währt, wird endlich gut. So auch die Veranstaltung „Tag der Genossenschaften“, die vom Forschungsinstitut für Kooperationen und Genossenschaften in Zusammenarbeit mit den drei „großen“ Genossenschaftsverbänden (Österreichischer Genossenschaftsverband, Österreichischer Raiffeisenverband und Österreichischer Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen) umgesetzt wurde. Wie in vielen anderen Lebensbereichen war es das COVID-19 Virus, das dem ursprünglich geplanten Veranstaltungsdesign einen Strich durch die Rechnung machte.

Konzipiert wurde der „Tag der Genossenschaften“ zunächst für 20.10.2020 und als umfangreiche Leistungsschau von mehr als 30 genossenschaftlich organisierten Unternehmen am Campus der Wirtschaftsuniversität Wien. Zahlreiche Fachvorträge, Pressekonferenzen und die Vorstellung eines Schulpakets sollten dazu beitragen, dass die oft unterschätzte Organisations- und Rechtsform der Genossenschaft einem breiten Publikum zugänglich gemacht wird (die Bemühungen rund um den ursprünglichen Termin mündeten ebenfalls in einen „Geno schafft“-Blogbeitrag). Es sollte ein Fest für das Genossenschaftswesen werden, bei dem Vertreter*innen unterschiedlichster Genossenschaften den Interessierten im direkten Austausch ihre Organisation präsentieren sollten.

Wie wir wissen, kam alles anders. Die dritte Welle des COVID-19-Virus führte schließlich dazu, dass an eine dicht gedrängte Veranstaltung mit viel interessiertem Publikum und vielen Genossenschaftsvertreter*innen im Oktober nicht zu denken war. Schließlich musste die Veranstaltung im Oktober, in deren Planung viel Mühe geflossen war, abgesagt werden.

Die Veranstalter – RiCC, ÖGV, ÖRV und GBV – entschlossen sich dazu, dass die gesamte Vorbereitung nicht umsonst gewesen sein sollte, sondern dass man die Veranstaltung jedenfalls im Jahr 2021 nachholen wollte! Aufgrund der anhaltend schwierigen Situation rund um das Virus entschloss man sich zu Jahresbeginn 2021 dazu, die Veranstaltung ohne Publikum vor Ort, aber mit Vorträgen aus dem Festsaal der WU durchzuführen:

Denn, wenn das COVID-19 Virus etwas Positives bewirkt hat, dann, dass es die Erreichbarkeit der Menschen mittels digitalen Vortragsformaten erhöht hat. Vor diesem Hintergrund war es naheliegend, die Veranstaltung virtuell aus dem ursprünglich vorgesehenen Veranstaltungsraum an der WU zu streamen.

Das Programm der Veranstaltung sollte sich an dem ursprünglichen Programm orientieren, weshalb man sich entschloss, die Genossenschaft aus unterschiedlichen Perspektiven (historisch, rechtlich und organisationstheoretisch) zu beleuchten und auch den Revisionsverbänden und einigen Genossenschaften eine Bühne zu geben, um ihr Leistungsspektrum vorzustellen. Die Anmeldezahlen belegten:

Die Veranstaltung ist gefragt und viele Menschen möchten sich über die Organisationsform informieren!

Bis zum Schluss ungewohnt war der komplette Umstieg auf eine virtuelle Veranstaltung. Für interessierte Teilnehmer*innen standen zwei Varianten zur Verfügung, virtuell an der Veranstaltung teilzunehmen:

Zum einen mit sehr niederschwelligen Eintrittsbarrieren über einen Videostream auf der Homepage, und zum anderen über einen Zoom-Call, sofern man sich auch aktiv an der Veranstaltung beteiligen wollte. Zu diesem Zweck konnten im Zoom Call Fragen einerseits in den Chat geschrieben werden, von wo aus sie von der Moderation aufgegriffen wurden und andererseits gab es auch die Möglichkeit sich selbst mit Bild und Ton in die virtuelle Veranstaltung einzuschalten. Beide Varianten wurden vom Publikum zahlreich wahrgenommen und es entwickelte sich ein spannender Austausch zwischen Vortragenden und Publikum.

In der Veranstaltung, die in vier einstündige Vortragsblöcke aufgeteilt war, konnten viele Fragen rund um die Genossenschaft geklärt werden:

Veranstaltungsblock 1:

  • Prof. Michaela Schaffhauser-Linzatti berichtete über die historische Bedeutung der Genossenschaften und wie deren Geschichte untrennbar mit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in vielen Ländern verwoben ist.

  • Mag. Justus Reichl referenzierte auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen, einen der Gründerväter der Genossenschaftsidee und schilderte, warum der Gedanke des gemeinsamen „Anpackens“ gerade in der heutigen Zeit eine Renaissance erfährt.

  • Herr Gerald Harrer, Mitglied der „Ersten Steirischen IT-Genossenschaft“, präsentierte seine Genossenschaft, die ein perfektes Beispiel dafür ist, dass genossenschaftliche Zusammenschlüsse ein Instrument sein können, um die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam zu bewältigen.

Veranstaltungsblock 2:

  • Prof. Markus Dellinger widmete seinen Vortrag den gesetzlichen Grundlagen der Genossenschaft und dem „naturalen“ Förderprinzip, das Genossenschaften zugrunde liegt: Dieses führt dazu, dass nicht vorrangig der bilanzielle Gewinn der Genossenschaft das Ziel dieser Gesellschaftsform darstellt, sondern dass die Mitglieder der Genossenschaft selbst bestimmen, welche/n Zweck/e die Genossenschaft verfolgen soll.

  • Mag. Alois Feichtinger zeigte auf, dass gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften wie andere gemeinnützige Bauvereinigungen der Bereitstellung von leistbarem und gleichzeitig hochwertigen Wohnraum dienen.

  • DI Herwig Pernsteiner, Geschäftsführer der Innviertler Siedlungsgenossenschaft (ISG), gewährte den Zuseher*innen über einen virtuellen Besuch der ISG  Einblick in den Alltag einer Wohnbaugenossenschaft.

Veranstaltungsblock 3:

  • Prof. Dietmar Rößl griff noch einmal auf, warum es überhaupt zum Zusammenschluss von mehreren Personen und Unternehmen im Rahmen einer Genossenschaft kommt: Zentral ist hierbei ein gemeinsames Problem, das man in der demokratisch organisierten Personenvereinigung mit einem gemeinsamen Geschäftsbetrieb zu lösen versucht. Da es sich bei der Genossenschaft um eine sehr flexible Organisationsform handelt, findet man zahlreiche (inter-)nationale Beispiele sowohl im Not-for-Profit- als auch im For-Profit-Bereich.

  • MMag. Barbara Pogacar berichtete über den Genossenschaftsverband nach Hermann Schulze-Delitzsch, der in Österreich neben den Volksbanken etwa 180 Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften betreut und für diese umfassende Beratungs- und Revisionsleistungen bietet. Auch sie unterstrich in ihrem Vortrag, dass zentrale Eckpfeiler einer jeden Genossenschaft der Zusammenhalt und die Unterstützung der Mitglieder untereinander sind.

  • Dr. Clemens Pig, Geschäftsführer der Austria Presseagentur (APA), widmete seinen Vortrag der Entstehung der APA und machte deutlich, warum die Genossenschaft für den Betrieb einer unabhängigen Nachrichtenagentur für die teilnehmenden Medienunternehmen die perfekt geeignete Organisationsform darstellt, obwohl diese Unternehmen zueinander sehr wohl in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Die APA ist damit ein Beispiel für „coopetition“. Er stellte fest, dass die die Genossenschaft bzw. der kooperative Zusammenschluss mehrerer Akteure das zentrale Zukunftsmodell zur Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit darstellt.

Veranstaltungsblock 4:

  • Zum Abschluss der Veranstaltung stellten Mag. Gottfried Kögler und Rosanna Steininger, MSc ein Unterrichtspaket für Genossenschaften vor, das eine intensivere Auseinandersetzung mit der Genossenschaft als Organisations- und Rechtsform in Schulen zum Ziel hat. Dazu zählt unter anderem ein „Genossenschaftsspiel“, bei dem die Schüler*innen spielerisch die Vielfalt der österreichischen Genossenschaften kennenlernen.

Die gesamte Veranstaltung lief ohne größere technische Probleme ab und wurde - ob ihrer Vielfalt und der kompakten Aufbereitung - sehr positiv vom Publikum angenommen. Die virtuelle Veranstaltung stellte sich als wahrer Glücksfall heraus, weil aufgrund der Übertragung über das Internet auch Personen, die nicht an einer Veranstaltung in Wien hätten teilnehmen können, die Veranstaltung mitverfolgen konnten.

Unser Dank geht an alle Vortragenden für die gleichermaßen informativen, wie kurzweiligen Beiträge. Ebenso möchten wir an dieser Stelle die herausragende Arbeit der IT-Mitarbeiter*innen der WU unterstreichen, ohne die wir den virtuellen „Tag der Genossenschaften“ nicht hätten durchführen können.

Es haben uns viele Nachrichten erreicht, in denen wir gebeten wurden, das Format fortzuführen. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschlossen, den „Tag der Genossenschaften“ am

17. November 2021 (09:00 bis 13:00)

noch einmal durchzuführen, dabei werden weitere Genossenschaftsbeispiele präsentiert, auch um all jenen eine Teilnahme zu ermöglichen, die am 29. Juni nicht teilnehmen konnten.

Wir freuen uns auf Ihre virtuelle Teilnahme!

Hier geht’s zur Anmeldung zum „Tag der Genossenschaften 11/2021“ .

Bei Anmerkungen, weiterführenden Informationen oder Anfragen zu einer Zusammenarbeit wenden Sie sich bitte an gregor.rabong@wu.ac.at oder ricc@wu.ac.at.
Autor: Gregor Rabong

Links

Hier geht's zum Unterrichtspaket "Genossenschaften im Aufwind".

Hier geht’s zur Website der Veranstaltung „Tag der Genossenschaften“.

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