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Sport & Wirtschaft - Interview mit Dr. Fabian Nindl

16. Juni 2021

Interview mit Dr. Fabian Nindl (WU Magazin 2/2021)

Sport als Lifestyle-Ausdruck: Welche Rolle spielt Sport als Freizeittrend für die Bevölkerung?

Als ehemaliger Leistungssportler im Basketball beschäftige ich mich nun auch wissenschaftlich mit dem Thema zu Untersuchungen von KonsumentInnen über die Bedeutung von Sport in deren Alltag. Der älteren Zielgruppe geht es um Gesundheit und Bewegung, während vom jüngeren Zielpublikum oft Körperkult, Ästhetik und Schönheit als Bewegründe, Sport zu treiben, genannt werden. Damit ist auch der Boom in den Fitnesscentern erklärbar, zumindest in den billigeren. Ein großes Thema ist auch die Selbstdarstellung in den Social Media-Kanälen. Es gibt den Trend zu Athleisure: Sportkleidung wird jetzt auch in der Freizeit getragen, sie ist Teil der Identität geworden.

Psychologisch von Bedeutung ist die Verbundenheit mit dem Sportgerät, bei Mannschaftssportarten wie Fußball oder Basketball zählt auch Teil einer Gruppe von MitspielerInnen zu sein. Der Philosoph Martin Buber sagte einmal: ‚Wahres Leben findet in der Begegnung statt‘. Speziell Gemeinschaft und die Zugehörigkeit sind daher Grundpfeiler unserer Liebe für den Sport. Sport verbindet man zusätzlich mit Freizeit, man kann dem Alltag entfliehen, er kann meditativ sein und z.B. beim Laufen und Skifahren einen Erlebnischarakter haben.

Die Bedeutung von Sport im Marketing-Mix von Unternehmen

Wenn man die berühmten 4Ps betrachtet, also Product, Price, Place und Promotion, dann fallen 80 Prozent in den Bereich Promotion, bei Sportartikelherstellern auch in das Produkt selbst. Manchmal werden die 4Ps noch durch ein fünftes, nämlich ‚Purpose‘ ergänzt. Damit ist gemeint, dass Sport sinnstiftend, dynamisch und kompetitiv ist, Teamwork fördert, man mit Schweiß und Tränen an seine Grenzen gehen kann, Energie und Power verkörpert und den Fairnessgedanken durch Fairplay unterstützt. Sport ist grundsätzlich äußerst positiv konnotiert, was Firmen ausnutzen Sport im Marketing-Mix oft in Verbindung mit Leistung einsetzen.

Marken-Branding durch Sport: Welche Branchen nutzen die Möglichkeit des Imagetransfers durch Sport?

Das sind zuallererst die klassischen Sportartikelhersteller wie Nike, Adidas, Head, etc. Dann der Sportartikelfachhandel: Hervis, Intersport aber auch regionale Händler wie beispielsweise das Sport Hauser Kaibling im Ennstal. Getränkefirmen wie Red Bull setzen auf Extrem- und Breitensport, Fitnessgetränke wie Powerade aus dem Hause Coca Cola oder Gatorade von Pepsi genauso. Technologieunternehmen wie Bose sind beim Sponsering von Tennistournieren aktiv, genauso wie Microsoft und IBM. Im Fußball sind Fluglinien wie Emirates und Qatar engagiert, bei internationalen Fußballturnieren McDonalds und Visa. Beim Skifahren ist Audi ein wichtiger Sponsor, Raiffeisen hat die bekanntesten heimischen Skifahrer Hermann Maier und Marcel Hirscher unter Vertrag, die Bank Austria Dominic Thiem. All diese Firmen hoffen durch ihr Engagement im Sport als dynamisch wahrgenommen zu werden. Der Bereich E-Sports mit seinen kognitiven Meisterleistungen ist ein extremer Wachstumsmarkt, der ebenfalls internationale Sponsoren anzieht.

Haben sich Sponsor-Aktivitäten in der Covid-19-Pandemie geändert?

Bei den breitenwirksamsten Sportarten wie in der Fußball Bundesliga, in der Formel 1 oder beim Skifahren gab es keinen Einbruch des Wachstums, auf regionaler Ebene bei kleineren Vereinen aber sehr wohl. Wenn bei einem Tischtennis-Club oder Tennisverein ein regionales Unternehmen - das jährlich z.B. 3000 bis 5000 Euro als Sponsorbeitrag einzahlt – wegfällt, dann hat das tragische Auswirkungen auf die Finanzen der Vereine.  Wenn von 500 Mitgliedern nur 50 aussteigen, dann ergibt dies ein riesiges Loch im Budget. Ballsportler sind in der Regel sehr treue Vereinsmitglieder, aber wenn die Neueintritte fehlen, springen möglicherweise die Sponsoren ab. Diese setzen ein Jahr ihren Sponsorbeitrag aus, um zu festzustellen, wie sich dies auf den Return on Investment auswirkt. Je länger diese Situation andauert, desto problematischer ist sie. Da sind Initiativen wie die ‚Bewegung für mehr Bewegung‘, mit der Servus TV Sportvereine mit insgesamt 15 Millionen Euro fördert, sehr willkommen. Die hohe Teilnahme an dieser Aktion ist ein starker Indikator dafür, dass Sportvereine am Limit sind.

Finanzierung des Profisports: Top-Sportübertragungen nur mehr im Pay-TV, wie wird der Reichweitenverlust durch Wegfall öffentlich rechtlicher Sender gegenüber Sponsoren argumentiert?

Das stelle ich mir schwierig vor, wenn beispielsweise Fußball nur mehr im Pay TV auf Sky und DAZN gezeigt wird. Wobei, Servus TV und Puls 4 mischen teilweise aufgrund ihrer Übertragungsrechte von Fußball und Eishockey-Spielen auch mit. Amazon wiederum möchte mit Übertragungen aus der NFL Konsumenten an ihre Plattform binden. Sky und DAZN, die seit Beginn der Covd-19-Pandemie starke Zuläufe haben, verfolgen einen holistischen Ansatz, indem sie argumentieren, dass sie bessere Kundendaten liefern können als öffentlich rechtliche TV-Sender. Diesen bleiben nur mehr Zusammenfassungen, die mitunter spät abends ausgestrahlt werden. Dadurch verliert man die Kinder und schneidet sich ins eigene Fleisch. Die jüngste Zielgruppe ist ohnehin schon sehr stark mit Technologie konfrontiert; es besteht die Gefahr, dass Fußball als Breitensport verloren geht. Außerdem verliert man große Anteile der Generation 50+, die die stärkste Kaufkraft hat. Man spricht von einer Reichweite von 1:10, wenn Spiele nur im Pay TV anstelle des öffentlich rechtlichen Fernsehens übertragen werden. Das bedeutet: Wenn bei einem Spitzenspiel der heimischen Fußball Bundesliga wie Red Bull Salzburg gegen Rapid im ORF rund 500 Tausend Zuseher erreicht werden, so ist die Reichweite im Pay TV nur 50 Tausend. Ich kenne das auch vom Basketball: Die NBA wurde frei empfangbar zunächst von DSF und später von Sport 1 übertragen. Nach dem Wegfall der Ausstrahlungen fiel auch das Interesse der Zuseher stark ab.   

Ein Auswuchs von Turbokapitalismus ist die geplante Super League!

Das zeigt das Dilemma der Top-Fußballvereine: sie haben einen hohen Marktwert, sind aber unendlich verschuldet. Der Umstand, der vorerst zum Zusammenbruch der Idee einer Super League führte, war ein Marketing Problem, weil man nicht mit den Kunden sprach. Beim Fußball sind das allerwichtigste die Fans, die zu Recht auf die Barrikaden gingen. Die Frage ist, welche neuen Bestrebungen diese Vereine haben und ob es zu einer Fortsetzung ihrer Überlegungen kommen wird. Das halte ich langfristig für sehr gefährlich.

Das Interview wurde geführt von Gerald Pohl, Mitarbeiter der Spezialredaktion "Die Presse".

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