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Wunsch versus Wirklichkeit: Einkommensunterschiede zwischen Befragungs- und Registerdaten

24. September 2018

Die Einkommensdaten der österreichischen Bevölkerung bilden sowohl für die Wissenschaft als auch für die Politik eine wesentliche Grundlage, um Fragen der Armutsgefährdung oder Einkommensverteilung uvm. zu beantworten. Dementsprechend wichtig ist die Genauigkeit dieser Daten, die – so eine aktuelle Studie der WU – nicht immer eindeutig ist. Besonders zwischen Einkommensangaben aus Befragungen und jenen aus Verwaltungsregistern sind die Unterschiede groß. Ein Team aus WU-ForscherInnen suchte nach den Gründen dafür. Für ihre Arbeit wurden sie nun mit dem renommierten „Nancy and Richard Ruggles Memorial Prize 2018“ der International Association for Research in Income and Wealth (IARIW) ausgezeichnet.

In ihrer Studie mit dem Titel „What Did You Really Earn Last Year: Measurement Error in Survey Data“ analysierten die ForscherInnen Stefan Angel, Franziska Disslbacher (WU-Department Sozioökonomie), Stefan Humer (WU-Forschungsinstitut Economics of Inequality) und Matthias Schnetzer (AK Wien und Lektor an der WU) anonymisierte Einkommensdaten des österreichischen Survey of Income and Living Conditions (SILC) für den Zeitraum 2008 bis 2011. Die. Einkommensangaben aus der Befragung wurden mit Einkommensdaten aus Verwaltungsregistern zusammengefügt und auf Personenebene verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Angaben in der Befragung deutlich (+/- 3.000 Euro pro Jahr) von den Daten der administrativen Register abweichen.

Abweichungen nicht zufällig

Insgesamt ergab die Analyse, dass diese Abweichungen nicht zufällig auftraten. Unter Anwendung verschiedener quantitativer Verfahren wurden soziale Erwünschtheit, soziodemografische Faktoren, Interviewmethode und Lerneffekte als potenzielle Gründe unter die Lupe genommen. Während die verschiedenen Interviewmethoden keine Unterschiede zum Vorschein brachten und auch Lerneffekte nicht deutlich wurden, erwiesen sich zwei Aspekte als entscheidend für die Diskrepanz. So spielt laut Studie die soziale Erwünschtheit eine wesentliche Rolle. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass Personen mit niedrigen Einkommen bei der Befragung mehr angaben, als diese laut Verwaltungsdaten verdienten. Im Gegensatz dazu gaben einkommensstärkere Personen durchschnittlich weniger an“, so die WU-ForscherInnen. Folglich wird die Ungleichheit von Einkommen auf Basis von Befragungen generell unterschätzt. Auch soziodemografische Faktoren spielten eine wesentliche Rolle, z. B. gaben Männer bei Befragung durchschnittlich höhere Einkommen an als in den Verwaltungsdaten erfasst wurden. Für gesündere Personen waren die Abweichungen geringer.

Vergleich mit Registerdaten ermöglicht umfassenderes Verständnis der Einkommen in Österreich

Offizielle Einkommensstatistiken in Österreich basieren seit einigen Jahren zunehmend auf Daten aus Verwaltungsregistern. Dies verringert einerseits den Aufwand für die Befragten und ermöglicht andererseits genauere Einblicke bei welchen Gruppen Registerdaten Einkommensschätzungen am stärksten präzisieren. „Die Ergebnisse legen nahe, dass das Antwortverhalten in sozialstatistischen Erhebungen durch die Wahrnehmung von sozialen Prozessen in einer Gesellschaft beeinflusst wird. Da Erhebungen wie z.B. der SILC sowohl für die Wissenschaft als auch die Politik die wesentliche Datengrundlage für Fragen der Armutsgefährdung, Einkommensverteilung u.ä. sind, kommt der Datenqualität hier eine besondere Bedeutung zu“, so WU-Forscherin Franziska Disslbacher, „Es erscheint daher zentral, dass mittels Verknüpfung von Befragungs- und Registerdaten ein besseres Verständnis über die Ursachen der Datenunterschiede erreicht wird. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass dabei Unterschiede nach der Einkommenshöhe sowie nach dem Geschlecht besonders stark ausgeprägt sind.“

Renommierte Auszeichnung

(v.l.n.r.): Timothy Smeeding (Distinguished Speaker at the Ruggles Memorial Lecture); Andrew Sharpe (Executive Director, IARIW); Stefan Humer, Franziska Disslbacher, Stefan Angel (WU); Albert Braakmann (President, IARIW) (c) Sophie Waltl

Angel, Disslbacher, Humer und Schnetzer wurden für ihr Paper „What Did You Really Earn Last Year: Measurement Error in Survey Data“ mit dem renommierten „Nancy and Richard Ruggles Memorial Prize 2018“ der International Association for Research in Income and Wealth (IARIW) ausgezeichnet. Die 1947 gegründete IARIW ist eine führende wissenschaftliche Vereinigung im Bereich der Erforschung von Einkommen und Vermögen. Mit dem Preis werden herausragende Arbeiten von JungforscherInnen bis zu 35 Jahren geehrt. Dieser ist mit 2.500 USD dotiert und wird alle zwei Jahre im Rahmen der Konferenz der IARIW verliehen. Die Preisverleihung fand am 21. August 2018 in Kopenhagen statt.

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Pressekontakt:
Mag. Anna Maria Schwendinger
PR-Referentin
Tel: + 43-1-31336-5478
E-Mail: anna.schwendinger@wu.ac.at

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