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EuropäerInnen leben immer gesünder, aber mit zunehmender sozialer Ungleichheit

26. September 2018

Deutliche Fortschritte im Bereich Gesundheit und Wohlergehen, aber Rückschritte bei der Einkommensverteilung zwischen Arm und Reich in der EU – so lassen sich die Ergebnisse des neuesten Monitoring Berichts, erstellt unter der Leitung des WU-Institut für Nachhaltigkeitsmanagement für das europäische Statistikamt Eurostat, zu den UN Nachhaltigkeitszielen zusammenfassen. Der Bericht analysiert, inwieweit die EU in den letzten 5 bis 15 Jahren Fortschritte hin zu den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen – wie z.B. die Verringerung von Armut und Ungleichheiten, die Förderung von Gesundheit und Bildung, oder die nachhaltige Nutzung von Ressourcen und Ökosystemen – erzielt hat.

Bereits seit 2007 analysiert das Institut für Nachhaltigkeitsmanagement der WU im Auftrag von Eurostat die Nachhaltige Entwicklung der EU und untersuchte den Fortschritt in Bezug auf ihre wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischen Ziele. Der Monitoring-Bericht 2018 widmet sich den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen auf Basis offizieller europäischer Statistiken. Die Auswertung der Eurostat-Daten für die letzten fünf Jahre zeigt deutliche Fortschritte der EU in den Bereichen Gesundheit und Bildung, aber nur geringe bis keine Verbesserungen bei Umweltschutz, Innovation und Verkehr. Bei einem Ziel – „weniger Ungleichheiten“ – ist insgesamt sogar ein Rückschritt bemerkbar.

Verbesserungen bei Lebenserwartung, frühzeitigen Sterbefällen und Gesundheitsversorgung

Besonders markant sind die Verbesserungen im Bereich Gesundheit: die durchschnittliche Lebenserwartung von EU-BürgerInnen ist nach wie vor im Steigen und lag 2016 bei 81 Jahren (78,2 Jahre für Männer und 83,6 Jahre für Frauen). Der Anteil von RaucherInnen bzw. von Personen, die durch Lärm oder schlechte Luftqualität beeinträchtigt sind, ist in den letzten fünf Jahren ebenso gesunken wie die Häufigkeit frühzeitiger Todesfälle aufgrund chronischer oder bestimmter infektiöser Krankheiten. Auch der Anteil an Personen, die aufgrund zu hoher Kosten, langer Warteliste oder der weiten Entfernung eine notwendige ärztliche Behandlung nicht in Anspruch nehmen konnten, ist deutlich zurückgegangen – 2016 waren nur 2,5 Prozent der EU Bevölkerung davon betroffen.

Deutliche Zunahmen bei Vorschulbildung sowie Schul- und Hochschulabschlüssen

Markant positive Entwicklungen gab es auch im Bildungsbereich, insbesondere bei frühkindlicher Erziehung. Durchschnittlich nehmen mittlerweile mehr als 95 Prozent der Kinder im Vorschulalter (d.h. Kinder zwischen vier Jahren und dem Beginn der Schulpflicht) in der EU an vorschulischem Bildungsangebot teil; im Jahr 2000 lag dieser Wert noch bei 85 Prozent. Kontinuierliche Verbesserungen sind nach wie vor bei frühen SchulabgängerInnen und bei tertiärer Bildung sichtbar: Der Anteil der Bevölkerung im Alter von 18 bis 24 Jahren, der höchstens über einen Abschluss der Sekundarstufe I verfügt, ist bis 2017 auf 10,6 Prozent gefallen, wohingegen der Anteil der 30-34-Jährigen, die einen tertiären Bildungsgang (z. B. Universität, Fachhochschule usw.) erfolgreich abgeschlossen haben, auf fast 40 Prozent gestiegen ist. „Die vermehrte Teilnahme an Bildung spiegelt sich aber nicht notwendigerweise in einem erhöhten Wissensstand wider“, so Markus Hametner, Projektleiter am Institut für Nachhaltigkeitsmanagement der WU und leitender Wissenschafter bei der Erstellung des Eurostat-Berichtes. So haben laut der aktuellsten PISA-Studie der OECD rund 20 Prozent der 15-jährigen SchülerInnen nach wie vor Probleme in den Kernschulthemen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften.

Schwieriger Einstieg in den Arbeitsmarkt für Frauen

Für Frauen ist der Einstieg in die Arbeitswelt nach wie vor problematisch: obwohl diese in puncto Ausbildung die Nase vorne haben und beispielsweise sowohl auf Sekundarstufe 2 als auch auf Universitäts- und Hochschullevel mehr Abschlüsse für sich verzeichnen, wandelt sich deren Situation beim Einstieg ins Berufsleben. So ist die Erwerbstätigenquote von 20- bis 34-jährigen Männern innerhalb von 1-3 Jahren nach ihrem letzten Bildungsabschluss mit 82 Prozent (2017) nach wie vor deutlich höher als jene der Frauen (78,4 Prozent in 2016). Dies liegt unter anderem daran, dass Frauen dieser Altersgruppe aufgrund von Kinderbetreuung deutlich weniger am Arbeitsmarkt aktiv sind als Männer.

Nur geringe Fortschritte bei Umweltschutz

Insgesamt nur geringe Fortschritte über die letzten fünf Jahre zeigen sich bei der Eindämmung negativer Auswirkungen landwirtschaftlicher Produktion sowie dem Schutz terrestrischer Ökosysteme. So stagniert die Fläche terrestrischer Schutzgebiete im Natura 2000 Netzwerk seit 2011 bei ca. 18 Prozent der Landfläche der EU, während die Flächenversiegelung weiter an Fahrt aufnimmt. 2015 waren in der EU pro Kopf 367 m² an Landfläche versiegelt, 20 m² mehr pro Kopf als 2009. Mitverantwortlich für die insgesamt nur geringen Fortschritte bei Umweltschutz sind auch die in den letzten fünf Jahren wieder steigenden negativen Auswirkungen landwirtschaftlicher Produktion in der EU. So ist der Stickstoffeintrag in landwirtschaftlich genutzten Böden (z.B. durch Dünger) gestiegen, und mit ihm die Ammoniakemissionen der Landwirtschaft. Die fortschreitende Flächenversiegelung und die Intensivierung der Landwirtschaft zeigen u.a. deutliche Auswirkungen auf die Biodiversität in der EU: seit Anfang der 90er sind Populationen von Schmetterlingen und Feldvögeln in Europa um ein Drittel eingebrochen.

Keine Fortschritte im Bereich Innovation und Verkehr

Im Bereich Innovation und Verkehr zeigen die Eurostat Daten praktisch keine Fortschritte für die letzten fünf Jahre. Die EU Forschungsausgaben stagnierten bei rund 2 Prozent des BIP, womit die EU anderen Ländern wie Südkorea, Japan und USA weiterhin deutlich hinterherhinkt. Auch Patentanmeldungen beim europäischen Patentamt waren zuletzt leicht rückläufig. Ein ähnliches Bild zeigen die Daten zum Verkehr: sowohl im Personen- als auch im Gütertransport sind keine nachhaltigen Verschiebungen weg von KFZs und hin zu umweltfreundlicheren Verkehrsträgern sichtbar. In 2016 wurden nach wie vor 76 Prozent des Güterverkehrs per LKW und 83 Prozent des Personenverkehrs mit dem Auto abgewickelt.

Einkommensungleichheiten nehmen zu

„Besonders problematisch fällt die Bewertung der Einkommensentwicklung innerhalb der EU aus“, erklärt WU-Forscher Markus Hametner. „Während sich die EU Mitgliedsstaaten bei den verfügbaren Haushaltseinkommen angenähert haben, hat sich innerhalb der einzelnen EU Länder die Einkommenskluft zwischen Arm und Reich verschärft. Ein Grund dafür ist, dass ärmere Bevölkerungsgruppen in den letzten fünf Jahren noch ärmer geworden sind, während die Einkommen von BesserverdienerInnen stagnierten oder sogar leicht gestiegen sind. Diese Entwicklung widerspricht ganz klar dem Motto der UN-Nachhaltigkeitsziele, welches besagt, dass alle Teile der Bevölkerung gleichermaßen von den Fortschritten profitieren sollen.“

Zum vollständigen Bericht

Pressekontakt:

Mag. Anna Maria Schwendinger

PR-Referentin

Tel: + 43-1-31336-5478

E-Mail: anna.schwendinger@wu.ac.at

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