Zwei Studierende stehen vor dem D4 und reden miteinander

Bildung statt Einkommen – der wichtigste Faktor für ein längeres Leben

16. April 2018

Steigende Einkommen und der daraus resultierende verbesserte Lebensstandard gelten seit langem als die wichtigsten Faktoren für ein langes und gesundes Leben. Die neuen Forschungsergebnisse von WU-Professor Wolfgang Lutz und Endale Kebede, beide WissenschafterInnen an der WU sowie dem Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA), haben jedoch gezeigt, dass das Bildungsniveau eines Menschen ein viel besserer Prädiktor für die Lebenserwartung ist.

1975 entwickelte Samuel Preston die Preston-Kurve, die das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Person auf der horizontalen Achse und die Lebenserwartung auf der vertikalen Achse zeigt. Die Kurve zeigt einen klaren, aber abflachenden Aufwärtstrend der Lebenserwartung mit steigendem BIP. Im Langzeitvergleich verschieben sich die Kurven zunehmend nach oben – dies wurde durch eine bessere Gesundheitsversorgung erklärt. WU-Professor Wolfgang Lutz und Endale Kebede, beide an WU und IIASA affiliiert, konnten nun in einer Studie belegen, dass nicht das steigende Einkommen, sondern Bildung der entscheidende Faktor für ein längeres Leben ist. .

Entscheidungsbasis für zukünftige Investitionen

1985 gingen John Caldwell und Pat Caldwell davon aus, dass die sinkende Sterblichkeitsrate durch die ansteigende weibliche Bildung verursacht wurde. In ihrer neuen Studie analysierten Lutz und Kebede globale Daten aus 174 Ländern von 1970 bis 2015, um die beiden Hypothesen zu testen. „Gerade für politische EntscheidungsträgerInnen ist die Frage, welche Faktoren ausschlaggebend für die menschliche Lebenserwartung sind, von hoher Bedeutung. Denn die Antwort darauf lässt wichtige Rückschlüsse darauf ziehen, wofür Mittel bereitgestellt werden sollten“, so Studienautor Wolfgang Lutz.

Auch Kindersterblichkeit durch Bildung beeinflusst

Lutz und Kebede untersuchten auch die Lebenserwartung in Abhängigkeit von der mittleren Schulzeit der erwachsenen Bevölkerung. Die Kurve verläuft deutlich stärker linear - eine Tatsache, die darauf hindeutet, dass Bildung die Entwicklung viel besser erklärt. Zudem gibt es keine Verschiebung der Kurve nach oben, die auf andere Faktoren hindeuten würde. Um die Ergebnisse zu überprüfen, wurden auch die Daten auch multivariaten Analysen unterzogen. Ganz ähnlich zeigte sich auch das Bild in Bezug auf Kindersterblichkeit.

Mehr Bildung, bessere Gesundheit

Die Forscher weisen darauf hin, dass höhere Bildung meist zu komplexerem und längerfristigem Denken führt und damit auch oft zu Verhaltensweisen, die sich auf die Gesundheit positiv auswirken. In den letzten Jahrzehnten verlagerten sich die häufigsten Todesursachen zunehmend von infektiösen auf chronische Krankheiten, die stärker vom individuellen Lebensstil abhängen. Dies lässt erwarten, dass in Zukunft die Frage des individuellen Verhaltens, welches stark von der Bildung abhängt, für die Sterblichkeit weiter an Bedeutung gewinnen wird. „Unsere Forschung zeigt radikalere Ergebnisse als frühere Analysen zum Thema. Sie widersprechen der weitverbreiteten Ansicht, dass Einkommen und medizinische Interventionen die Hauptfaktoren für Gesundheit sind. Sie zeigt sogar, dass der scheinbare Zusammenhang zwischen Einkommen und Gesundheit nicht kausal ist und beides durch Bildung beeinflusst wird", so Wolfgang Lutz.

Bildung als globaler Schlüssel

In früheren Forschungsarbeiten am Wittgenstein Centre, einer Kooperation zwischen der WU, dem IIASA und dem Institut für Demographie (VID, ÖAW), wurde schon gezeigt, wie wichtig eine breite Bildung der Bevölkerung für Armutsbekämpfung und Wirtschaftswachstum sind und, dass sie die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel verbessert. All dies unterstreicht die Forderung nach verbessertem Zugang zu Bildung als wichtige Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung. „Die Ergebnisse sind für die gesamte Gesundheitsforschung weltweit von Bedeutung. Sie sind entscheidend für die Prioritätensetzung nicht nur im eigenen Land sondern auch bei der Entwicklungszusammenarbeit.", so Lutz, „Natürlich geht es dabei auch um die Finanzierung von qualitativ hochwertiger Bildung.“

Lutz W, Kebede E (2018). Education and Health: Redrawing the Preston Curve. Population and Development Review.

DOI: 10.1111/padr.12141

Kontakt:

Wolfgang Lutz
Gründungsdirektor des Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital (IIASA, VID/ÖAW, WU)
Tel: +43 (0)1 31336 4752
wolfgang.lutz@wu.ac.at

Endale Kebede
WU, IIASA
Tel: +43 1 31336 4165
endale.birhanu.kebede@wu.ac.at

Weitere Links

www.wu.ac.at


www.iiasa.ac.at
www.oeaw.ac.at/wic/

Pressekontakt:
Mag. Anna Maria Schwendinger
PR-Referentin
Tel: + 43-1-31336-5478
E-Mail: anna.schwendinger@wu.ac.at


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