Wie wirkt sich die Ukraine-Krise auf den Bankensektor und die Aktienmärkte aus?

09. Juni 2022

Stefan Pichler, Professor am Institute for Finance, Banking and Insurance

Wie wirkt sich die aktuelle Krise in der Ukraine auf den Bankensektor und die Aktienmärkte aus? Investieren Anleger*innen nach wie vor in Aktien?

Die sich immer stärker drehenden Sanktionsschrauben des Westens gegenüber Russland beeinträchtigen auch den westeuropäischen Bankensektor. Heimische Institute wie die Raiffeisen Bank International sind in Russland und in der Ukraine im Vergleich zum EU-Ausland überdurchschnittlich engagiert. Trotzdem bewertet die heimische Finanzmarktaufsicht FMA die derzeitige Lage des Finanzsektors in Österreich als stabil. Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs seien schmerzhaft, aber verkraftbar. Laut Stefan Pichler, Professor am Institute for Finance, Banking and Insurance, müssen zwei Dinge grundsätzlich unterschieden werden: „Erstens: Geringe Stabilität bedeutet, dass Banken gefährdet sind, insolvent zu werden und unter staatliche Aufsicht zu kommen. Es gibt kein Anzeichen, dass der Eigenkapitalpuffer nicht ausreichen würde.“ Seit der Finanzkrise 2008/09 wurde viel unternommen, um solche Puffer entsprechend auszubauen.

„Zweitens: Wenn gemeint ist, dass Banken darunter leiden, wenn sie weniger Ertrag als früher erzielen, dann stimmt das, wenn Banken Beteiligungen an russischen Banken haben, wie zum Beispiel die RBI, die OTP Bank, die Societé Generale oder auch die Unicredit“, erklärt Pichler. Dann stellt sich die Frage, wie bedeutend diese Beteiligung für die Ertragslage der Bank ist. Wenn ein gewisser Prozentsatz des Ertrags wegbricht, dann fällt die Dividende schmäler aus. Für die Eigentümer*innen der Banken ist das eine negative Entwicklung, aber nichts, was Sorgen bereiten muss.

Andere Vorrausetzungen in Russland

Bei russischen Banken ist aufgrund der Sanktionen die Lage anders. Bekanntlich wurden bereits im März sieben russische und drei belarussische Banken vom internationalen elektronischen Zahlungsverkehr SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) ausgeschlossen. Das 1973 gegründete belgische Unternehmen betreibt ein besonders sicheres Telekommunikations-Netz, das von rund 11.000 Banken weltweit genutzt wird. Pichler bezweifelt, dass der Ausschluss eine große Wirkung erzielt. Für ihn ist es mehr eine symbolische Maßnahme. „Der russische Bankenmarkt ist mehrheitlich ein Binnenmarkt. Es gibt relativ wenige Transaktionen mit dem Ausland. Außerdem existieren in Russland mehrere technische Systeme, die das gleiche können, wie SWIFT.“ Beispielsweise SFPS, das 2014 von der russischen Zentralbank eingerichtet wurde. „In Richtung China, Zentralasien oder Indien läuft es genauso, wie es vorher gelaufen ist“, erläutert Pichler. Allerdings war SWIFT für russische Banken bei Transaktionen mit dem Westen sehr praktisch, weil das System technisch besonders geschützt ist.

Auswirkungen auf Aktienmärkte

Neben dem Bankengeschäft betrifft der Krieg in der Ukraine auch die Aktienmärkte. Das Risiko in Aktien zu investieren, ist seit dem Einmarsch der russischen Truppen gestiegen, weil sich die Volatilität der Kursbewegungen – wie in allen Krisen – vermehrt hat. Wegen der Erwartung höherer Renditen sind laut Pichler Anleger*innen noch immer bereit, ihr Geld in Aktien zu investieren. „Es ist jetzt noch zu früh, etwas über die Auswirkungen der Ukraine Krise zu sagen“, erklärt Pichler. „Vor allem der Energiesektor und traditionelle Industrien scheinen stärker von sinkenden Kursen betroffen zu sein."

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