Homeoffice: Effizienzsteigerung versus Kreativitätsrückgang

24. Mai 2021

Sarah Spiekermann, Leitung des Instituts für Wirtschaftsinformatik & Gesellschaft

Seit dem Ausbruch der Pandemie arbeiten rund ein Drittel aller EuropäerInnen von zu Hause. Viele Unternehmen überlegen nun, ihre Innenstadtbüros zu verkleinern und mehr Angestellte von zu Hause arbeiten zu lassen. Ist das eine gute Idee?

Vorzug der physischen Präsenz: KollegInnen als Quelle der Inspiration

Ein Blick auf die Erfahrungen der IT Branche zeigt, dass das „Homeoffice“ eine riskante Personalstrategie sein kann. So beendete IBM 2017 die lang erprobte Homeoffice-Arbeit für 40% der Beschäftigten. Begründet wurde das mit der Erwartung, dass MitarbeiterInnen Schulter an Schulter kreativer und wirkungsvoller arbeiten. Gute Ideen durch ungeplante Gespräche entstehen fast nur dann, wenn Leute physisch zusammenkommen.

Homeoffice: Effizienzsteigerung versus Kreativitätsrückgang

Das hat jedoch auch einen Preis: die Meetings wurden immer länger. Dieser Trend scheint sich bei der pandemiebedingten Arbeit von zu Hause aus umzukehren. Microsoft fand heraus, dass die Zahl der Sitzungen von über einer Stunde während des coronabedingten Homeoffices um elf Prozent gesunken ist. Sich länger per Video zu unterhalten ist eben nicht so befriedigend, als sich persönlich zu sehen. Die Austauscheffizienz steigt im Homeoffice, während die Kreativität leidet.

Homeoffice-Strategien

Wichtig ist beim Nachdenken über die Homeoffice Strategie daher, welcher dieser beiden Werte für den eigenen Betrieb vorrangig ist. Beim Vergleich von 48 Studien zum Thema „Energiegewinn versus Energieverlust durch Digitalisierung“, den wir am Institut für Wirtschaftsinformatik & Gesellschaft der WU Wien durchgeführt haben, fanden wir 18 Studien zur Erschöpfung von MitarbeiterInnen durch Arbeitsplatzdigitalisierung. 47% der in diesen Studien berichteten Beobachtungen zeigen, dass digitalisierte Arbeitsplätze zur Erschöpfung von Mitarbeitern führen können. 22% der Beobachtungen suggerieren jedoch eine neutrale, in 31% sogar positive Auswirkung digitaler Medien. Problematisch sind Überlastung und Druck, die Allgegenwärtigkeit von IKT (Informations- und Kommunikationstechnik), ständige Unterbrechungen sowie Erreichbarkeitszwang. Konflikte, die sich durch die Vermengung des privaten mit dem geschäftlichen Bereich ergeben, haben negative Auswirkungen. Hilfreich und wichtig ist die Autonomie, die eine Firma ihren MitarbeiterInnen im Homeoffice einräumt. Können diese frei entscheiden, wann sie etwa auf E-Mails antworten, am Rechner sitzen und erreichbar sind, dann sind die Auswirkungen des Homeoffice positiv. Nimmt man ihnen jedoch diese Autonomie, wie es bei einigen Softwarelösungen für das Personalmanagement geschieht, kann sich das Homeoffice schnell zur schweren Belastung für die Mitarbeitermotivation und den Firmenzusammenhalt entwickeln.

Daraus können wir Empfehlungen für Homeoffice-Strategien ableiten:

  • Erreichbarkeitszeiten und -kanäle vereinbaren und einhalten, die einen großzügigen Freizeitbereich einräumen.

  • Von Überwachungs- und Personalbewertungssoftware absehen. Stattdessen den MitarbeiterInnen vertrauen und ihnen nach Möglichkeit den Freiraum geben, sich unbeobachtet selbst zu organisieren.

  • Ausreichend Büroraum erhalten und Pendeldistanzen vereinbaren, die MitarbeiterInnen erlauben, regelmäßig ins Büro zu kommen, damit ein gesunder Mix zwischen Präsenz- und Homeoffice geschaffen wird.

Sarah Spiekermann, Leitung des Instituts für Wirtschaftsinformatik & Gesellschaft

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