Ist der in den USA und Europa beobachtbare Inflationsanstieg tatsächlich nur „vorübergehend“?

23. August 2021

Josef Zechner, Professor am Institut für Finance, Banking and Insurance

Ist der aktuell in den USA und Europa beobachtbare rasche Inflationsanstieg tatsächlich nur „vorübergehend“ wie von FED und EZB behauptet?

Derzeit beobachten wir in vielen Ländern einen substantiellen Inflationsanstieg. Die wohl wichtigste Ursache sind die laufend nach oben korrigierten Wirtschaftswachstumsprognosen und die gleichzeitig auftretenden signifikanten Lieferengpässe, wie z.B. in der Halbleiterindustrie oder im Transportwesen. Viele befürchten daher, dass höhere Inflationsraten auf absehbare Zeit zurückgekehrt sein könnten. Welche Argumente sprechen tatsächlich für und welche gegen einen längerfristigen Inflationsanstieg?

Entscheidend sind längerfristige Inflationserwartungen

Die von Unternehmen und Haushalten erwarteten zukünftigen Preissteigerungen sind für die tatsächliche Preisentwicklung von zentraler Bedeutung. Wenn alle eine Inflation von 5% erwarten, so werden Arbeitnehmer 5%-ige Lohnerhöhungen fordern, und Unternehmen werden versuchen, ihre Preise ebenfalls um 5% anpassen. Es entsteht eine Lohn-Preisspirale, die dazu führt, dass sich höhere Inflationserwartungen auch tatsächlich realisieren. Daher ist das zentrale Ziel fast aller Zentralbanken, Inflationserwartungen auf einem moderaten Niveau von ca. 2% zu verankern.

Was könnte zu einer Erhöhung der längerfristigen Inflationserwartungen führen?

Erstens könnte das Vertrauen in die Zentralbanken sinken, dass sie bei aufkeimender Inflation tatsächlich ihre expansive Geldpolitik ändern, und Zinssätze anheben. Zum Beispiel, weil sie befürchten, dass dies die Stabilität des Finanzsystems gefährden könnte. Zweitens könnte auch der politische Druck auf die Zentralbanken steigen eine höhere Inflation zu dulden, um die gestiegenen Staatsschulden „wegzuinflationieren“. Drittens könnten die COVID-Konjunkturprogramme zu einer Überhitzung der Wirtschaft führen.

Warum Inflationserwartungen wahrscheinlich auf niedrigen Niveaus verankert bleiben werden

Die derzeit höheren Inflationsraten sind primär von temporären Effekten verursacht (Anspringen des Wirtschaftswachstums, Lieferengpässe, Auslaufen von temporären Mehrwertsteuersenkungen etc.) Diese Effekte werden rasch wieder abflauen. Mittelfristige Prognosen deuten auch auf eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums hin. Der politische Druck auf die Zentralbanken, mit der expansiven Geldpolitik fortzufahren hat eher abgenommen, auch aufgrund des Machtwechsels im Weißen Haus. Die Fed hat bereits im Juni angekündigt, dass im Jahr 2023 mit Zinserhöhungen zu rechnen sei. Dies führte zu einer Reduktion der Zinssätze von Staatsanleihen, was darauf hindeutet, dass Investoren ihre Inflationserwartungen nach unten revidierten.

Die langfristigen Inflationserwartungen der Investoren können direkt aus Finanzkontrakten herausgelesen werden, z.B. aus Inflationsswaps. Demnach liegen die Erwartungen für die durchschnittliche 5-Jahres Inflationsrate in 5 Jahren für den Euroraum bei knapp über 1,5%. Diese moderaten Inflationserwartungen sollten dazu führen, dass es zu keiner Lohn- Preisspirale kommt, und die aktuellen Inflationsraten bald wieder auf niedrigere Niveaus zurückfallen.

Josef Zechner, Professor am Institut für Finance, Banking und Insurance

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