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Marketing 2.0: Die Gießkanne hat ausgedient

23.11.2009 | 10:07 | von Christian Lenoble (Die Presse)

Konsumenten gehen neue Wege in der Kommunikation und Information. Das Marketing von morgen muss mitgehen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Das gilt auch für Ausbildungen zum Marketingmanager.

Werbung war so simpel. Eine Frau, möglichst hübsch, möglichst wenig Kleidung, oder ein Kätzchen, je süßer, desto besser, dazu das Produkt – schon konnte sich am nächsten Tag jeder an den TV-Spot oder das Plakat erinnern. Auffallen war so leicht wie die Regeln guter Werbung – in Zeiten, als die beliebtesten Kommunikationskanäle noch FS1 und FS2 hießen.

Heute rudern manche Marketingmanager verzweifelt, um im Meer des „Information Overflow“ nicht unterzugehen. Bevor die Werbebotschaften noch beim übersättigten Konsumenten landen könnten, werden sie zerknüllt, weggezappt oder im besten Fall ignoriert. Breit streuen und hoffen, dass es jemanden trifft – Werbung nach dem Prinzip Gießkanne – das allein funktioniert nicht mehr. Darauf müssen auch die postgradualen Ausbildungen für Marketingmanager inhaltlich reagieren.

 

Entdecke die Möglichkeiten

Insbesondere das World Wide Web veränderte die Bedingungen und Gewohnheiten in der Marktkommunikation, bei Sendern und Empfängern gleichermaßen. „Den Einfluss des Internet kann man dabei von zwei Seiten sehen“, weiß Maria Madlberger, Forschungsprofessorin an der Webster University Vienna mit dem Schwerpunkt E-Marketing. Die Informationsüberflutung, in der die Werbebotschaften ungehört versinken, sei nur eine Folge. Die andere: eine Vervielfachung der Möglichkeiten, um die personalisierte Kommunikation zu intensivieren. Vor allem auch, weil das Internet den Konsumenten unmittelbares Feedback erlaubt. „Dieser Umstand gewinnt vor allem durch das Web 2.0 an Bedeutung“, betont Madlberger. Eine große Chance für die Werbung, etwa wenn sie die Konsumenten selbst zur Verbreitung benutzt. Studien belegen, dass Konsumenten vor allem Empfehlungen von Konsumenten vertrauen. „Bei vielen Formen des Viral oder Guerilla-Marketing, wird die Wirkung der Werbebotschaft direkt beeinflusst“, so Madlberger.

 

Konsumenten reden mit

Ein nachhaltiges „One-to-One-Marketing“ müsse direkt auf den Kunden eingehen, meint Peter Schnedlitz, wissenschaftlicher Leiter des Universitätslehrgangs für Werbung und Verkauf an der WU Wien. Auch er sieht das größte Potenzial für das Marketing in den neuen Vernetzungsmöglichkeiten der Konsumenten. Sie gestalten die Werte von Marken zum Teil radikal mit. In positiver Weise, etwa durch Fanklubs und Markenenthusiasten, aber auch negativ, wie etwa durch deklarierte Gegner und konsequente Boykottierer. „Dabei werden die Bedeutung und der Wert von Marken für Mensch und Gesellschaft untereinander im sozialen Diskurs ausgetauscht und verhandelt“, erklärt Andrea Hemetsberger, Leiterin des Lehrgangs für Brand Management am MCI Management Center Innsbruck.

„Die Manager sind gefordert, sich mit Kundengruppen wieder in den sozialen Diskurs zu begeben, anstatt Werbeagenturen zu beauftragen, für sie zu sprechen“, meint Hemetsberger. Das zukünftige Marketing müsse sich offen dem Dialog mit dem Konsumenten stellen, ihn gut beobachten und ihn in der Markenführung besonders berücksichtigen. Wenn Zielgruppen mobiler, unberechenbarer und fragmentierter werden, „dann schlägt die Stunde der integrierten Kommunikation“, meint Peter Schnedlitz.

Auch die Ausbildungsinstitutionen wissen aus eigener Erfahrung, wie sehr sich die Kommunikation geändert hat. „Noch vor zehn Jahren bekamen wir 90Prozent aller Anfragen zu unseren Studienprogrammen per Telefon, ausgelöst durch Inserate, Plakate, Direct Mailings oder Broschüren“, erzählt Willibald Gföhler, Leiter des Zentrums für Finance an der Donau-Universität Krems. Heute kommen alle Anfragen per Mail. „Die klassischen Werbeformen alleine bringen unmittelbar keine Kunden mehr“, sagt Gföhler.

 

Neues kommt, Altes bleibt

Daraus dürfe man jedoch nicht schließen, dass man auf diese Werbemittel gänzlich verzichten könne: „Die klassische Werbung, Sponsoring und das persönliche Verkaufsgespräch werden immer das Rückgrat erfolgreicher Kommunikation bleiben“, glaubt Schnedlitz.

Der Kampf um Aufmerksamkeit und um den Platz im Kopf und Herzen der Kunden erfordere eine unverwechselbare Inszenierung. Neue Methoden wie „Guerilla-Marketing, Buzz-Marketing und virales Marketing werden zum Pfeffer in einer oft eintönigen Kommunikationssuppe“, so Schnedlitz.

Jene Marketingstrategien werden wichtiger, die den Konsumenten einen klar erkennbaren Nutzen liefern. Wie etwa die aktuelle Tageskarte des Restaurants um die Ecke, die pünktlich mittags per SMS auf dem Handy erscheint. „Besonders innovative internetbasierte Werbeformen bieten hierzu große Potenziale“, ist Madlberger überzeugt.

Überall, wo Werbung eine Rolle spielt, gewinnen neue Formen des E-Marketings an Bedeutung, fasst Peter Sundley, Marketingprogramm-Koordinator an der Webster University zusammen. Der große Zukunftstrend heißt: weg von der Massenwerbung, hin zu zielgruppenbezogener Werbung. Oder ein zielgenauer Dialog statt Werbung mit der Gießkanne.


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