Seitlicher Blick auf das D4 Gebäude.

#1 Blog: Zeitverwendung von Paarhaushalten während COVID-19

“Mein Tag hatte ursprünglich 36 Stunden”: Zeitverwendung von Paarhaushalten während COVID-19

Mittels eines Online-Fragebogens haben wir die Mehrfachbelastungen während der strikten Ausgangsbeschränkungen unter COVID-19 erhoben. Das gesteigerte Ausmaß an unbezahlter Arbeit ist eine davon. Vor allem in Paarhaushalten mit Kindern, da private und institutionelle Betreuungsangebote plötzlich wegfielen. Erste Ergebnisse unserer Studie zeigen: Die Zeit der Ausgangsbeschränkungen bedeutete für viele Eltern Stress, Überlastung und das Gefühl unfairer Aufgabenverteilung. Viele Streitigkeiten in Partnerschaften entstanden rund um die Wertschätzung von Kinderbetreuung und Hausarbeit als Arbeit versus Home-Office als Arbeit. Oftmals stand der Konflikt im Mittelpunkt: Welche Tätigkeit ist wie viel wert und wer "darf" deshalb wie viele Stunden am Tag erwerbstätig sein.

Wie auch in offiziellen Zeitverwendungserhebungen üblich, baten wir die Menschen uns ihre Zeitverwendung von gestern bzw. vom letzten Werktag in Intervallen von Viertelstunden anzugeben. Für viele Menschen ergab sich durch die Begrenzung auf 24 Stunden eine große Schwierigkeit, den vor allem Nebentätigkeiten haben sich durch den Lockdown enorm verschärft (z.B. Kinder im gleichen Zimmer betreuen während des Home Office). Rückmeldungen der Befragten, dass derzeitige Tage keine 24 Stunden haben, sondern vielmehr 36 bis 42 Stunden, spiegeln diese Überbelastung wieder. „Mein Tag hatte ursprünglich 36 Stunden - ich bin wohl Superwoman“ oder „Eigentlich mache ich fast alles und passe daneben auf die Kinder auf“, sind beispielhafte Kommentare.

Bezahlte vs. unbezahlte Arbeit

Betrachten wir die bezahlte und unbezahlte Arbeit gemeinsam, arbeiten Frauen und Männer derzeit zwischen 11 und 15 Stunden pro Tag. Alleinerzieherinnen kommen mit knapp 15 Stunden auf die meisten Stunden, wobei sie dabei 9 Stunden unbezahlte Kinderbetreuung und Hausarbeit verrichten. Paarhaushalte mit Kindern kommen  auf sehr ähnliche Zahlen: Mütter in Paarhaushalten arbeiten dabei 14 ¼ Stunden – 9 ½ davon unbezahlt, Väter arbeiten knappe 13 ¾ Stunden und knapp 7 unbezahlt. Diese Relationen zeigen sich auch in Haushalten mit Kindern unter 15 Jahren,   in denen beide Eltern während der Ausgangsbeschränkungen im  Home Office arbeiteten. Diesbezüglich verweisen die Antworten aus dem Fragebogen auf die Schwierigkeit der Vereinbarkeit von Home Office und Kinderbetreuung: „Ich kann gar nicht sagen wie unmöglich es ist Kinderbetreuung und Home Office zu vereinbaren“.

Große Unterschiede bei der Zeitverwendung gibt es auch in jenen Paarhaushalten in denen  “er”, der Familienernährer Vollzeit erwerbstätig ist und “sie” als Zuverdienerin Teilzeit beschäftigt ist. Dort arbeiten Frauen 13 ¼ Stunden, 7 ½ unbezahlt, während Männer 13 Stunden arbeiten, davon knappe 5 unbezahlt.

Sehr viel ähnlicher sind die Arbeitszeiten in Paarhaushalten im Home Office ohne Kinder verteilt, da sind beide knappe 8 Stunden erwerbstätig und machen zusätzlich ca. 3 Stunden lang Arbeiten im Haushalt.

Im Rahmen der Befragung wurden auch Paarhaushalte, in denen die Verteilung der unbezahlten Arbeit vor den Ausgangsbeschränkungen relativ gleich war, nach der aktuellen Verteilung von Hausarbeit und Kinderbetreuung während der Ausgangsbeschränkung befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass nur rund 60 % derjenigen Paare mit relativ gleicher Aufteilung vor Corona, sich die Hausarbeit auch während der Ausgangsbeschränkungen fair aufgeteilt haben. Nach Einschätzung der Frauen sind in 27,8% nun mehrheitlich für die Hausarbeit zuständig, während es in 11,5% der Paarhaushalte der Mann den Großteil übernimmt. Die Angaben der Männer unterscheiden sich dahingehend, dass Frauen nur geringfügig mehr den Hauptteil übernehmen (22,1 % im vgl. zu 18,6 %). Bei der Kinderbetreuung kann das Rollback der Geschlechterrollen deutlicher wahrgenommen werden. In Familien, wo die Betreuung vor Corona in etwa gleich aufgeteilt wurde, wird nur in knapp jeder zweiten Familie auch während Corona die Kinderbetreuung gleich aufgeteilt. Laut Angaben der Frauen, übernehmen fast 40% der Frauen nun den Großteil der Sorgearbeit. Männer hingegen geben an, dass nur in 23,9 % der Fälle die Kinderbetreuung zur Lasten der Frau getätigt wird.

Wie können die unterschiedlichen Angaben von Männern und Frauen erklärt werden? Zum Einen haben weniger Männer an der Befragung teilgenommen, was sich in den Fallzahl widerspiegelt. Zum andern vermuten wir, dass vor allem Männer, die ohnehin einer geschlechtergerechten Aufteilung von unbezahlter Arbeit zumindest sind, den Fragebogen ausgefüllt haben.

Grafik 1

Einschätzung der Verteilung der Hausarbeit

Grafik 2

Einschätzung der Verteilung an Kinderbetreuung

Die Verteilung von unbezahlter Arbeit ist Bildungs- und Frauensache

Auf die Frage wie sich die Verteilung der unbezahlten Arbeit verändert hat, sehen wir bei Frauen ein deutliches Bildungsgefälle. In etwa jede dritte Frau mit Hochschulabschluss gibt an, dass sie im Vergleich zu ihrem Partner jetzt einen größeren Anteil der unbezahlten Arbeit übernimmt als bisher, da etwa externe Dienstleistungen, beispielsweise BabysitterInnen oder Reinigungskräfte, nicht bezogen werden konnten und institutionelle Betreuungseinrichtungen, wie Kindergärten und Schulen, geschlossen waren.

Frauen ohne Hochschulabschluss gaben etwas weniger häufig an (in etwa jede vierte Frau), jetzt einen höheren Anteil zu übernehmen. Das liegt auch daran, dass diese Frauen im Vergleich zu jenen mit Hochschulabschluss bisher schon deutlich mehr unbezahlte Arbeit übernommen haben. Aber auch in etwa ein Drittel der Männer mit Hochschulabschluss geben an, dass sie jetzt (im Vergleich zur Zeit vor den Ausgangsbeschränkungen durch COVID-19) einen größeren Anteil der Hausarbeit und insbesondere der Kinderbetreuung übernehmen.

Im Privaten scheint die nötige unbezahlte Arbeit jedenfalls nicht nur deutlich intensiver, sondern dadurch auch sichtbarer geworden zu sein als bisher. Trotzdem stemmen Frauen einen Großteil dieser Tätigkeiten überwiegend alleine, zumindest aus subjektiver Sicht. Persönliche Kommentare aus den Fragebogenantworten von Frauen hierzu sind: „Habe das Gefühl ich mache alles alleine“,Nach der Arbeit, braucht er Freizeit vom Kind - ich hatte die noch nie, auch nicht wenn er 12 Stunden arbeiten war“ oder „Das Recht auf Pause hat nur der Vater“ - und skizzieren damit die verbundene psychische Belastung der Mütter.